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Gerry Winter: »Unter den Top 20 in Europa sind wir die einzigen, die nur nebenberuflich Rallye fahren«Ausgabe 40 | Mittwoch, 4. Oktober 2023

Der Wolfsberger Rallye-Co-Pilot Gerald »Gerry« Winter (44), spricht über seine drei Rallye-Staatsmeistertitel, Platzierung bei EM-Läufen, was einen guten Co-Piloten ausmacht und warum er und sein Pilot Simon Wagner trotz der sportlichen Erfolge einen Beruf ausüben.

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Sie haben kürzlich mit Fahrer Simon Wagner aus Oberösterreich zum dritten Mal in Folge den österreichischen Rallye-Staatsmeistertitel geholt. War es ein harter Kampf in diesem Jahr?
Es waren alle drei Meistertitel nicht einfach, aber in diesem Jahr  war es besonders knapp. Wir sind sämtliche Sonderprüfungen ohne Fehler gefahren, aber das tat auch unser härtester Gegner Hermann Neubauer. Oftmals haben nur Zehntelsekunden entschieden. Beim letzten Meisterschaftslauf hatten wir nach über 100 gefahrenen Kilometern lediglich einen Vorsprung von zwei Sekunden auf Neubauer. Es war eine wirklich knappe Angelegenheit. Wir konnten heuer vier Läufe gewinnen, Neubauer zwei.

Welcher der drei Titel war für Sie der schönste? 
Der Schönste ist immer der erste, den wir im Jahr 2021 gewonnen hatten. 

Was waren Ihre größten Erfolge? 
Das war der Sieg bei der Lavanttal-Rallye vor zwei Jahren. Daheim einmal ganz oben zu stehen, ist etwas ganz Besonders – und das noch dazu zwei Wochen nach der Geburt meiner Tochter Laura.

Sie waren auch bei EM-Läufen dabei. Wie groß ist der Unterschied zwischen der ÖM und EM? 
Die Luft ist dünner. In Österreich gibt es uns und Neubauer, die das gleiche Tempo gehen, bei EM-Läufen sind es 25 und mehr. Wenn bei einem EM-Lauf nicht alles passt, ist man gleich Zehnter oder Fünfzehnter, in Österreich sind wir dann trotzdem zweiter. Und die Wettkämpfe dauern länger. Die Läufe der Österreichischen Meisterschaft gehen über zwei Tag, bei der Europameisterschaft über drei Tage und bei der Weltmeisterschaft sogar über vier Tage. Die Strecken sind gleich, aber es ist länger: ÖM zwei Tage, EM drei Tage und WM vier Tage.

Wie erfolgreich waren die Auftritte bei der EM?
Wir waren bislang bei vier Läufen dabei, konnten in Tschechien den dritten Platz holen und auch sonst Top-Ten-Platzierungen erreicht. Insgesamt gibt es acht Läufe, wir waren bislang bei vier von sieben Rennen dabei. Wir hätten noch die Chance unter die Top-Drei in der Gesamtwertung zu kommen, müssen aber aus finanziellen Gründen auf den letzten EM-Lauf in Ungarn verzichten. Wir sind unter den Top-20-Teams die einzige Mannschaft, die den Rallyesport nicht hauptberuflich macht.

Also kann man vom Rallyesport in Österreich nicht leben?
Nein. Motorsport ist in Österreich keine geförderte Sportart. Wir müssen alles über Sponsoren aufstellen. Die Veranstalter müssen für Sendezeiten in Radio und TV bezahlen. 

Was machen Sie hauptberuflich? 
Ich bin selbstständig und baue Kleinkläranlagen. Ich bin mit meinem Betrieb in Wolfsberg angesiedelt und habe fünf Mitarbeiter. Wir selbst verfügen nicht über die Mittel, unsere Teilnahme am Rallyesport selbst zu finanzieren. 

Wie viel kostet eine Saison und wie finanzieren Sie sie?
Eine Saison für uns kostet zwischen 300.000 und 400.000 Euro. Für einen Lauf bei der Weltmeisterschaft muss man schon mit Kosten von rund 100.000 Euro rechnen. Finanziert wird das alles über Sponsoren.

Wie viele Leute sind Ihrem Team?
Das sind bei jeder Rallye zwischen zehn und zwanzig Personen. Es sind Ingenieure dabei, Mechaniker, Lkw-Fahrer, eine Köchin und andere mehr.

Wie viele Reifen  verbrauchen Sie an einem Rallye-Wochenende?
Bei einem Lauf zur Österreichischen Meisterschaft 16 Stück, bei einem EM-Lauf 20 bis 26, da dieser ja einen Tag länger ist. Ein Reifen kostet 480 Euro netto.

Teuer wird es bei WM-Läufen: Da kosten die Reifen 16.000 Euro, da man gezwungen ist, mit Pirelli-Reifen zu fahren.

Mit was für einem Fahrzeug nehmen Sie an den Wettkämpfen teil?
Wir fahren einen Skoda Fabia RS mit über 340 PS. Der Nettowert des Fahrzeugs liegt bei 310.000 Euro. Es gehört zur Kategorie der Rallye 2-Autos.

Dann gibt es noch die Rallye 1-Autos, das sind WRC-Fahrzeuge, da liegt der Preis bei ca. 1,6 Millionen Euro.

Wie haben sich die aktuellen Krisen wie die Teuerung, Ukraine-Krieg usw. auf den Sport ausgewirkt?
Die Sponsoren, die wir haben, sind von der Krise weitgehend verschont geblieben. Wir haben bei den Rallyes nichts von der Krise gemerkt.

Welche Ziele haben Sie noch?   
Eigentlich wäre jetzt der beste Zeitpunkt zum Aufhören, wir haben drei Staatsmeistertitel. Aber es läuft derzeit sehr gut, da möchte man natürlich weitermachen.

Für meine Firma und Tochter wäre es natürlich schön aufzuhören, andererseits sind Simon und ich derzeit so gut unterwegs, dass es schwierig ist, die Karriere zu beenden.

Es kommen immer wieder weitere Erfolge hinzu. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie lange ich das noch machen werden.

Hatten Sie in Ihrer Karriere Unfälle mit schwereren Verletzungen?
Nein, Gott sei Dank nicht. Natürlich gab es immer wieder einmal  einen Ausritt, aber die haben wir einigermaßen gut überstanden.  Die Autos sind mittlerweile sehr gut und sicher gebaut. Bei der Ungarn-Rallye haben wir einen Baum mit rund 100 km/h mitgenommen und konnten selbst ohne Verletzungen aussteigen.

Waren Sie schon immer vom Rallyesport fasziniert?
Ausschlaggebend dafür war mein Onkel, der mich schon als kleiner Bub immer zu den Rallyes mitgenommen hat. Und dann war da noch Gerhard Leeb (Anm.: langjähriger Obmann des Motorsportclubs Wolfsberg), der ganz in der Nähe von mir wohnt. Ich habe damals oft Schule geschwänzt und Gerhard bei seinen Rallyes geholfen. Später bin ich durch seinen Sohn Marcus zum Rallyefahren gekommen.

Wie wird man Co-Pilot? Braucht man dafür einen eigenen Führerschein?
Man benötigt eine gültige Rennfahrerlizenz. Ich verfüge über eine C-Lizenz, das würde mich  dazu berichtigen, eigentlich alles außer Formel 1 zu fahren.

Was fasziniert Sie am Rallyesport eigentlich?
Einfach alles. Die gesamte Technik bei den Fahrzeugen, die Weiterentwicklung der Fahrzeuge usw. Sehr spannend ist es auch zu versuchen, die perfekte Abstimmung für das Fahrzeug zu finden. Das gelingt zwar nie, ist aber immer sehr herausfordernd. Und auch die Abwechslung bei den Rallyes fasziniert mit. Auch wenn eine Sonderprüfung zwei Mal gefahren wird, ist es nie das selbe. Es ist immer wieder eine neue Herausforderung.

Sie sind mit den Rallyes ziemlich eingespannt, sind zudem noch selbstständig und haben eine Frau und Tochter. Wie bringen Sie das alles unter einen Hut?
Wenn man wenig schläft, geht das schon. Ich bin ein Kurz-Schläfer. Und dass ich viel unterwegs bin, ist kein Problem. Meine Frau hat mich so kennengelernt und ist selbst vom Rallyesport begeistert. Sie ist sehr tolerant. Und auch unserer Tochter macht es immer sehr viel Spaß, bei den Rennen dabei zu sein. Meine Frau und meine Tochter kommen auch öfters zu den Rallyes mit.

Übrigens mache ich zur Zeit noch die HTL-Abendmatura, die Prüfung ist im Frühjahr, dann habe ich noch ein wenig mehr Zeit.

Sind Sie selbst bereits am Steuer gesessen? 
Nein. Als ich jung war, hätte ich es gerne gemacht, hatte aber keine Gelegenheit dazu. Heute würde ich es mir nicht mehr zutrauen.

Was macht einen guten Co-Piloten aus?
Er darf nie die Nerven wegschmeißen, auch wenn er sich denkt, dass sich die nächste Kurve nicht ausgehen wird. Der Fahrer darf Zweifel beim Co-Piloten niemals  merken. Man muss seine Arbeit einfach weitermachen. Ein Co-Pilot muss sehr belastbar sein, denn man steht das ganze Rennwochenende unter Dauerstrom, man muss alles im Griff haben und das vermitteln, auch wenn es innerlich oft anders aussieht.

Welches Auto fahren Sie eigentlich privat? 
Ford Focus RS 2,5 Liter Turbo.

Wenn Ihre Frau Auto fährt und sie am Beifahrersitz Platz nehmen: Spielen Sie dann auch Co-Pilot?
Ich bin ganz ruhig und lasse sie fahren, wie sie will. Ich war vor langer Zeit drei Jahre Fahrlehrer, mich kann nichts erschüttern.

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