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Frauenhausleiterin Claudia Arpa: »Bis Frauen Gewalt melden, ist es oft ein langer Leidensweg« Ausgabe 50 | Mittwoch, 14. Dezember 2022

Claudia Arpa (55), Leiterin des Wolfsberger Frauenhauses, spricht mit den Unterkärntner Nachrichten über häusliche Gewalt, wie das Frauenhaus Betroffenen hilft, wie man aufgenommen wird und warum es Frauen oft sehr schwer fällt, ihre Peiniger zu verlassen.

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Wie viele Frauen wohnen derzeit im Wolfsberger Frauenhaus? 
Bei uns wohnen derzeit sechs Frauen und drei Kinder. Insgesamt haben wir sieben Plätze für Frauen zur Verfügung. Die Dunkelziffer von Frauen, die von Gewalt betroffen sind, ist aber leider sehr hoch, weil sich Frauen oft schämen, wenn ihnen Gewalt angetan wird. Der Leidensweg von Frauen ist sehr lange, bis sie erlebte Gewalt endlich melden.

Wie sieht der Aufnahmeprozess im Frauenhaus aus?
Zu uns kann jede Frau kommen, die von Gewalt betroffen ist. Und damit meine ich jede Form der Gewalt, nicht nur physische, sondern auch psychische Gewalt. Frauen, die von Gewalt betroffen sind, können sich auch ohne Anzeige bei der Polizei bei uns melden. Wenn eine Frau zu uns kommt und sagt, sie braucht einen Unterschlupf, weil sie von Gewalt betroffen ist, dann finden wir schon etwas. Abgewiesen wird im Wolfsberger Frauenhaus niemand.

Wir machen zunächst eine Gefährdungseinschätzung und schauen uns an, was die Frau braucht. Eines dürfen wir aber nicht machen, und zwar Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Das muss die Frau selbst tun, aber wir begleiten sie bei den Behördenwegen natürlich. Man muss aber ehrlich sagen, dass eine Anzeige viele Frauen abschreckt. Rund 50 Prozent der Frauen, die bei uns sind, haben ihren Peiniger nicht angezeigt.

Wie schaut der Alltag im Frauenhaus aus?
Zur Zeit haben wir sehr viele berufstätige Frauen, die natürlich auch während ihres Aufenthalts bei uns ihrem Beruf nachgehen. Wir unterstützen die Frauen auch bei der Jobsuche oder der Suche nach einer neuen Wohnung, helfen bei Behördenwegen und unterstützen die Frauen mit Spenden beim Siedeln.

Wir versuchen auch, wenn die Frauen Kinder mit ins Frauenhaus gebracht haben, für die Kleinen einen Kinderbetreuungsplatz zu finden. 

Wie lange ist die durchschnittliche Verbleibdauer im Frauenhaus?
Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt einige Frauen, die bleiben ein ganzes Jahr – länger dürfen wir die Frauen nicht im Frauenhaus behalten. Andere wiederum verlassen uns bereits nach ein paar Tagen wieder.

Was passiert mit Frauen, die ein Jahr im Frauenhaus sind. Wie geht es mit ihnen danach weiter?
Nach dem Jahr unterstützen wir die Frauen bei der Wohnungssuche und der Arbeitsplatzsuche. 

Das ist derzeit eine sehr große Herausforderung, denn die Wohnungspreise bzw. Mieten sind momentan sehr hoch. Wenn man nicht berufstätig ist, ist das schon eine sehr schwierige Situation. Aber wir sind sehr gut vernetzt und konnten noch immer eine Lösung finden. 

Gibt es Frauen, die öfter als einmal ins Frauenhaus kommen? 
Ungefähr ein Drittel kommt öfters zu uns. Man kann immer wieder kommen, wenn man von Gewalt betroffen ist, da gibt es kein Limit. 

Wie sieht eigentlich der typische gewalttätige Mann aus?
Ich würde sagen, 25 Prozent der Täter waren immer schon irgendwie auffällig und haben bereits Straftaten begangen. Dann gibt es die Frauenhasser und schließlich noch die Unauffälligen. Bei denen sieht nach außen hin alles bestens aus, aber in den eigenen vier Wänden kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen. 

Warum können sich so viele Frauen nicht von ihren gewalttätigen Männern trennen?
Das ist eine sehr spannende Frage. Meist ist es so, dass das Paar eine Zeit lang zusammenlebt bzw. verheiratet ist, und dann kommt es zu einem Gewaltvorfall. Etwas später entschuldigt sich der Mann und verspricht, dass er sich gebessert habe. Meist glauben die Frauen das und kehren zurück, aber in den meisten Fällen hat sich nicht wirklich etwas geändert. Das geht oft über Jahre hinweg so. Einen endgültigen Schlussstrich ziehen die Frauen oft erst dann, wenn sie wissen, dass die Kinder versorgt sind, oder es so weit geht, dass sie Angst um ihr Leben haben.

Gibt es Männer,  die ins Frauenhaus kommen und fordern, ihre Frauen zu sehen? Das komm
t immer wieder vor. Aber meistens rufen die Männer an. Sollte ein Mann tatsächlich vorbeikommen und seine Frau sehen wollen, dann hängt es davon ab, ob es irgendwelche behördlichen Vorgaben gibt, wie wir weiter vorgehen. Besteht eine Wegweisung bzw. ein Betretungsverbot, dann müssen wir den Mann abweisen. Ansonsten besprechen wir die Situation mit der Frau. 

Während der Corona-Pandemie bzw. der Lockdowns wurde ein Anstieg bei häuslicher Gewalt erwartet. Im Lavanttal gab es im ersten Lockdown aber sogar einen Rückgang. Woran lag das? 
Es war während der Lockdowns eigentlich immer ruhiger, und wenn es dann wieder Lockerungen gab, gingen die Zahlen nach oben. Ich denke, die Pandemie hat viele Menschen gestresst und gebunden, sodass es für viele einfach keine Möglichkeiten gab, wegzugehen. Mütter mussten sich um das Home-Schooling usw. kümmern, außerdem war die Situation am Arbeitsmarkt sehr schwierig. Vielen Frauen fehlten auch die Ressourcen, um ihren Partner zu verlassen. Den Partner zu verlassen kostet sehr viel Energie, und für viele Frauen war das während der Pandemie einfach nicht möglich.

Und es war eine unsichere Zeit. Niemand wusste, wie es weitergeht. Kommt das Virus wieder, wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt usw. 

Wie sieht die Situation aktuell aus?  
In diesem Jahr hatten wir wirklich eine sehr hohe Auslastung. Die meiste Zeit über waren wir voll. Wenn wir keine freien Plätze mehr hatten, mussten wir die Frauen in ein anderes Frauenhaus überweisen. 

Wie viele Frauenhäuser gibt es in Kärnten?
Es gibt bei uns in Kärnten derzeit  vier Frauenhäuser. Das in Wolfsberg, dazu je eines in Klagenfurt, Villach und Spittal.  

Aus welchen Gründen  ziehen Frauen in ein Frauenhaus?
Dafür gibt es unterschiedliche Gründe, denn Gewalt ist sehr vielfältig. Wenn ich mich als Frau nicht mehr frei bewegen kann, dann ist das schon eine Art Gewalt.

Psychische Gewalt kommt sehr oft vor. Auch Geld ist oft ein Problem. Vor allem, wenn eine Frau kein eigenes Einkommen hat und vom Mann kontrolliert wird bzw. keine finanziellen Ressourcen erhält.  

Ein häufiges Problem ist auch, dass der Mann eine Sucht hat, wie zum Beispiel Alkohol oder Drogen. Und auch in Mehrpersonenhaushalten kann es öfters zu Stress mit den Eltern bzw. Schwiegereltern kommen.

Es ist aber oft sehr schwer zu sagen, wann Gewalt beginnt, denn oft fällt es den Frauen gar nicht auf. Es ist schon eine Art der Gewalt, wenn der Mann das Handy der Frau kontrolliert. In diesem Bereich müssten die Menschen noch viel mehr sensibilisiert werden. 

Woher kommen Frauen im Wolfsberger Frauenhaus? 
Grundsätzlich aus dem ganzen Tal. Manchmal kommen aber auch Frauen aus Völkermarkt, Klagenfurt oder Villach zu uns. Das ist hauptsächlich dann der Fall, wenn sich die Frau komplett verändern möchte. 

Wie viele Mitarbeiter gibt es im Frauenhaus?
Wir haben 20 Mitarbeiter. Das Frauenhaus wird rund um die Uhr betreut. Wir sind 24 Stunden am Tag erreichbar und es ist auch immer jemand vor Ort anwesend. 

Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?
Wir müssen uns auch viel mehr mit dem Täter auseinandersetzen. Derzeit geht es meist nur um die Opfer. Aber das Ganze ist eine Einheit: Mann, Frau, Kind bzw. Kinder. Täterarbeit gewinnt zwar mittlerweile immer mehr an Bedeutung, muss aber noch erweitert werden. Das Ungleichgewicht, dass Frauen noch immer nicht an allen Sachen teilhaben können, muss endlich beseitigt werden. Und das Männer Frauen als ihr Eigentum ansehen. 

Zwischen 25. November und 10. Dezember fand die UN-Kampagne »Orange The World« statt, die seit 1991 auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam macht. Nahm das Frauenhaus daran teil?
Wir waren ein Teil der Soroptimisten, die im Rahmen der Kampagne am Hohen Platz die Mariensäule in oranges Licht gehüllt haben. 

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