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Stadtwerke-Prozess: Angeklagter ortet „Verschwörung“Ausgabe 14 | Mittwoch, 6. April 2022

Drei Männer müssen sich wegen eines Wolfsberger Bauprojekts vor dem Landesgericht verantworten

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Wolfsberg, Klagenfurt. Staatsanwalt Christian Pirker legte dem Angeklagten „die Rutsche“: Er fragte den 46-jährigen Ex-Mitarbeiter der Wolfsberger Stadtwerke, ob seine Entlassung im Juli 2019 andere Hintergründe gehabt hätte als jene, die nun vor Gericht aufgearbeitet werden. „Ganz sicher“, antwortete der Wolfsberger, und berichtete, nach seiner Ansicht hätte man ihn und seinen früheren Kollegen (47), der nun ebenfalls auf der Anklagebank sitzt, loswerden wollen. Federführend sei ein Mann gewesen, der noch heute einen hohen Posten bei den Stadtwerken bekleidet. Der habe die Absicht gehabt, den 47-jährigen Angeklagten durch einen Mitarbeiter eines externen Unternehmens zu ersetzen, der die jetzt vor Gericht verhandelte Baustelle im Auftrag der Stadtwerke auszuschreiben, zu kontrollieren und abzurechnen hatte. „Uns wollten S´ nicht, dafür wollten S´ einen, der diesem Stadtwerke-Mitarbeiter hörig ist“, so der 46-Jährige. Der angebliche „Plan“ ist übrigens misslungen: Der Externe gewann zwar später eine Ausschreibung des frei gewordenen Postens, ein Beirat der Wolfsberger Stadtwerke verhinderte aber seine Aufnahme. Richter Uwe Dumpelnik nahm die Aussage zur Kenntnis.

"Uns wollten S´ nicht, dafür wollten S´ einen, der diesem Stadtwerke-Mitarbeiter hörig ist"
Der Erstangeklagte

Am Landesgericht Klagenfurt begann am 6. April die Aufarbeitung der „Stadtwerke-Affäre“: Im Mittelpunkt des Prozesses standen zwei frühere Mitarbeiter der Wolfsberger Stadtwerke und der Geschäftsführer (54) eines Bauunternehmens. Dem 46-Jährigen wird neben Untreue auch Urkundenfälschung und Fälschung eines Beweismittels vorgeworfen. Sein früherer Kollege muss sich wegen Untreue verantworten, dem Geschäftsführer soll Beitrag zur Untreue geleistet haben. Alle Angeklagten bekannten sich vor dem Schöffensenat nicht schuldig, für sie gilt die Unschuldsvermutung.

2019 erhoben die Wolfsberger Stadtwerke den Vorwurf, es sei bei drei Bauprojekten zu Unregelmäßigkeiten gekommen, die einen Schaden von rund 600.000 Euro hinterlassen hätten. Nach einer mehr als zweijährigen Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft blieb ein Projekt übrig: Die Erneuerung des Abwasserkanals in der "Sajovitzsiedlung" in St. Michael, die 2016 begann. Die drei Männer „sollen durch nicht ordnungsgemäße Abwicklung einen Schaden von 128.506,18 Euro strafrechtlich zu verantworten haben“, heißt es in der Anklage. Staatsanwalt Pirker warf den Ex-Stadtwerke-Mitarbeiter Überschreitung der Kompetenzen vor. Ein Baulos, das ursprünglich 294.000 Euro kosten sollte, schlug am Ende mit 1,4 Millionen Euro zu Buche. Ursache war, dass neben dem eigentlich geplanten Bau einer Wasserleitung letztlich auch der Kanal erneuert wurde. Der Schaden entstand, weil die Kosten überhöht waren, es keine Ausschreibung gab und eine mögliche Förderung nicht in Anspruch genommen wurde. Er sprach von einer Schadenssumme von 253.000 Euro, deren Höhe sich durch den Wegfall der möglichen Förderung ergibt.

Die Wiener Anwältin Petra Laback, die die beiden früheren Stadtwerke-Bediensteten vertritt, wies die Anschuldigungen zurück und sah den oben erwähnten Mitarbeiter einer externen Firma, der das Los im Auftrag der Stadtwerke abzuwickeln und die Rechnungen zu kontrollieren hatte, in der Pflicht. Die Vergabe ohne Ausschreibung war laut ihr durch das Bundesvergabegesetz gedeckt. Laback Resümee: „Am Ende des Tages gibt es keinen Schaden.“

"Die Angeklagten sollen durch nicht ordnungsgemäße Abwicklung einen Schaden von 128.506,18 Euro strafrechtlich zu verantworten haben“,
heißt es in der Anklage

Auch Lukas Kollmann, Verteidiger des Geschäftsführers, ortete keine Schuld bei seinem Mandanten. Der hätte gar keine Möglichkeit gehabt, überhöhte Rechnungen zu stellen, da die Beträge vor der Auszahlung durch die Stadtwerke von der externen Firma kontrolliert worden seien. „Heute ist man sich auch nicht einig, ob es einen Schaden, wo es einen Schaden gab“, so Kollmann. Der Geschäftsführer hätte ein Angebot gestellt, das angenommen wurde, er habe gearbeitet, korrekt verrechnet – „und jetzt sitzt er hier“.

Zuerst wurde der 46-jährige Erstangeklagte einvernommen. Er schilderte seinen Werdegang bei den Stadtwerken und berichtete von einem „Steuervermeidungskonzept“, aufgrund dessen vermehrt Reparaturen durchgeführt werden sollten. In der Sajovitzsiedlung – einem der ersten großen Projekte dazu – habe man nach einer Befahrung des Kanals mit einer Videokamera große Schäden entdeckt, die sofortiges Handeln notwendig machten. Da bereits der Bau der Wasserleitung in die Wege geleitet war, sollte die Kanalsanierung  zugleich erfolgen, was letztlich 70.000 bis 90.000 Euro sparen sollte. Das externe Unternehmen, das auch Gefahr in Verzug festgestellt hatte, schlug vor, jenes Unternehmen damit zu betrauen, das auch die Wasserleitung verlegt. „Ich bin Jurist“, so der Angeklagte, „ich habe keine technische Ausbildung. Mir wäre es nicht möglich gewesen, ein Schadensbild festzustellen“, weshalb er sich auf die externe Firma und deren Mitarbeiter verließ. Ein Blick ins Bundesvergabegesetz zeigte dazu die Möglichkeit auf, den Auftrag ohne Vergabe zu erteilen: „Das ist einem Direktvergabeverfahren de facto gleichgestellt.“ Er betonte, die gesamte Baustelle wurde „ordnungsgemäß abgearbeitet“.

Was sich in seinen Aussagen auch zeigte: Die Wolfsberger Stadtwerke verfügten nicht über Mitarbeiter, die für solche Bauaufgaben die nötigen Kompetenzen besaßen. Der Erstangeklagte: „Ich habe nicht gewusst, wie viel Asphalt oder eine Tonne Schotter kostet.“ Und später: „Es gab kein befähigtes Personal zur Planung oder Abarbeitung.“ Alle Aufgaben wie Überwachung der Baustellen, deren Abrechnung, auch ihre Veranlassung lag in den Händen des externen Unternehmens. Selbst die – nicht beantragte ­– Förderung sollte außerhalb der Stadtwerke in die Wege geleite werden. Auf die Frage des Richters, warum dem Angeklagten als hochrangigem Mitarbeiter nicht aufgefallen sei, dass keine Förderung beantragt worden war, gab der eine ausweichende Antwort.

Ein Sachverständiger äußerte leise Zweifel an der tatsächlichen Dringlichkeit der Kanalerneuerung. Der Angeklagte verwies einmal mehr auf den Mitarbeiter der externen Firma, der dringenden Handlungsbedarf vermittelt hätte …

Der Prozess wird am Donnerstag, 7. April, fortgesetzt. Tags darauf sollen die Urteile fallen.

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