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Wie fasten Sie persönlich?
Interessanterweise wird man durch Fasten, also durch Verzicht, nicht ärmer oder trauriger, sondern viel mehr beschenkt und innerlich frei. Ich versuche das ganze Jahr über jeden Freitag auf Fleisch zu verzichten, weil Jesus am Karfreitag gelitten hat und für uns gestorben ist. In der Fastenzeit verzichte ich auch auf Veranstaltungen, die mit dem katholischen Charakter dieser Zeit wenig zu tun haben, und suche mehr Raum für Gott in meinem Leben, vor allem im Gebet. Ich versuche auch, den Konsum von Handy und Internet zu reduzieren sowie beim Autofahren auf das Radio zu verzichten.
Welche Bedeutung hat die Fastenzeit für Sie?
Es ist sicher keine Zeit für eine Diät aus gesundheitlichen Gründen. Der Verzicht auf irgendetwas, was man gerne hat, ist Ausdruck unserer Liebe zu Gott, und das ist die richtige Motivation zum Fasten. Die Fastenzeit ist für mich eine Gelegenheit, sich auf das Wesentliche im Leben zu konzentrieren und zu schauen, wo mein Leben durch die Oberflächlichkeit den Glanz verloren hat. Es ist immer eine schöne, fruchtbringende Zeit, vor allem für die Vertiefung im Glauben und der Gottesbeziehung. Ich denke, jeder Mensch, der so etwas versucht, kann nur profitieren.
Wie ist das kirchliche Fasten eigentlich entstanden?
In jeder Religion gibt es eine Phase des Verzichts. Ich erinnere mich an eine meiner Reisen nach Jordanien, wo Touristen vergeblich Geschäfte gesucht haben, die Alkohol verkaufen, und im Hotel alkoholische Getränke bestellen wollten. Da aber Ramadan war, haben sie nichts bekommen. Viele Touristen waren enttäuscht, das war aber den Verkäufern völlig egal. So entschlossen und konsequent sind Muslime. Das Fasten in der katholischen Kirche geht auf Jesus Christus zurück, der in der Wüste 40 Tage verbracht und gefastet hat – eine gute Motivation für Christen, Jesus nachzufolgen und ihm ähnlich zu werden.
Hat das religiöse Fasten in der heutigen Zeit an Bedeutung gewonnen oder verloren?
Ich sehe einerseits Menschen, die im Überfluss versinken und wirklich glauben, dass man das irdische Leben voll genießen muss, weil es danach nichts mehr gibt. Viele leben sehr oberflächlich und bauen nur auf die eigenen Kräften, die begrenzt sind. Ich sehe aber auch immer mehr Menschen, die ihr Leben und die Situation in der Gesellschaft tief reflektieren und die Erfüllung und den Sinn bei Gott finden. Und das wünsche ich jedem – weg von der Oberfläche Richtung Gott, um die wahre Schönheit und geistige Dimension des Lebens neu zu entdecken.
Fasten eher ältere oder jüngere Menschen?
Ich denke beide Generationen. Ich kenne einige junge Menschen in Wolfsberg, die Orientierung und Halt suchen, die zu Hause keine christlichen Wurzeln bekommen haben und sich bewusst für Jesus entscheiden, weil er die Antwort auf alle ihre Fragen ist.
Für wen bzw. was beten Sie vor dem Einschlafen?
Jeder Geistliche darf das Stundengebet, also die von der Kirche vorgesehenen Gebete, mehrmals am Tag beten. Das ist eine wunderbare Erfahrung, weil diese Texte die ganze Weltkirche verbinden. Das, was ich am Abend bete, beten Priester, Diakone und Ordensleute auf der ganzen Welt, und das Gebet nennt man Komplet.
Bevor ich schlafen gehe, segne ich alle mir in Wolfsberg und St. Margarethen anvertrauten Menschen ohne Unterschied, auch aus der Kirche Ausgetretene.
Seit Jahren treten immer mehr Menschen aus der katholischen Kirche aus. Im Vorjahr gab es sogar einen Rekord an Austritten in Österreich. Woran liegt diese Entwicklung?
Die Kirche wächst weltweit. Auf der ganzen Welt gibt es 1,36 Milliarden Menschen, die römisch-katholisch sind, und 2,5 Milliarden Christen. Das ist die Statistik, an der ich mich orientiere.
Wie kann man gegensteuern und was machen Sie in Wolfsberg?
Unser Angebot ist sehr breit und vielfältig. An erster Stelle stehen natürlich Gott und das Gebet, vor allem die tägliche Anbetung in der Stille in unserer Hauskapelle, die viele Menschen jeden Tag besuchen. Gottesdienste und Gebetsinitiativen werden unterschiedlich musikalisch gestaltet – von Klassik bis zur Lobpreis-Band. Die Gemeinschaft wird als eine herzliche Familie erfahrbar – Kinderferienwoche, Pfarrkaffee, Valentinstag mit Sektempfang, Pfarrball, Bildungsangebote und viel mehr. Eine wichtige Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen, ist auch die Kunst: Unser kulturelles Angebot mit Ausstellungen und Konzerten sowie dem Turmatelier ist sehr vielfältig. Unsere Kühlschränke für Bedürftige helfen täglich vielen Menschen in Not. Auch Lebensmittelpakete werden verteilt – nicht nur zu Weihnachten. Wir versuchen, je nach Möglichkeiten und personellen Ressourcen, eine von der herzlichen Offensive inspirierte Seelsorge zu gestalten, und die Menschen, die es in Anspruch nehmen, sind sehr dankbar und begeistert.
Wie stehen die Wolfsberger zu Gott?
Ich kenne nur ganz wenige Menschen im Lavanttal, die mit Gott nichts zu tun haben wollen. Viel mehr sind überzeugt, dass es Gott gibt, und pflegen nicht nur Traditionen oder Bräuche, sondern haben ein persönliches Gebetsleben und schenken das als Orientierung ihren Kindern weiter. Nach der Corona-Zeit merke ich auch deutlich, dass viele Menschen die Gemeinschaft brauchen, und es ist schön, immer wieder ganz neue Gesichter in der Pfarre zu sehen.
Freikirchen erleben Zuspruch. Was ist für Sie wichtiger: Der christliche Glaube an Gott oder die Lehre der katholischen Kirche?
Meine persönliche Meinung: Jeder, der Jesus nicht nur als Emotion oder Gefühl betrachten will und ihn wirklich kennengelernt hat, weil er sich mit seiner ganzen Lehre im Evangelium ernsthaft beschäftigt, wird früher oder später den Weg zur römisch-katholischen Kirche finden. Für mich gibt es keine »Amtslehre«, sondern nur die Lehre Jesu.
Ist Glaube ohne Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft möglich?
Ich denke, wer an Jesus glaubt, braucht Gemeinschaft, Austausch, Vorbilder, Ermutigung, Stärkung und Begleitung. Glaube braucht auch Rituale, mit denen er gefeiert und gelebt wird. Man kann sich selbst eine Religion konstruieren und in einer Illusion leben. Die Frage ist aber, ob das die innere Erfüllung schenkt. Ich bin sehr dankbar für meinen christlichen Glauben und die Zugehörigkeit, die mir sehr viel Kraft schenkt.
Sie sind ja auch bekennender WAC-Fan. Wird es der WAC noch in die Meistergruppe schaffen?
Lassen wir uns überraschen. Natürlich bin ich voller Hoffnung.
Glauben Sie, dass Ihre religiöse Unterstützung dem WAC hilft?
Nicht nur die religiöse, sondern jede Art der Unterstützung hilft. Es ist schön zu sehen, wie treue Fans zu 100 Prozent zu ihrem Verein stehen – auch in den Phasen, in denen nicht alles optimal läuft. Ich erinnere mich an unsere Messe im Petersdom mit 200 WAC-Fans. Ich spüre noch heute den Gemeinschaftsgeist und die volle Begeisterung nach dem Unentschieden gegen AS Roma.
Haben Sie sich etwas einfallen lassen, wenn der WAC die Meistergruppe erreicht?
Natürlich, wie immer werde ich Gott im kurzen Gebet danken. Dankbarkeit Gott gegenüber ist meiner Meinung nach ganz wichtig, wenn nicht das allerwichtigste im Leben.
// Zur Person
Christoph Kranicki stammt aus Skarszewy (Polen), einem Ort 45 Kilometer südlich von Danzig. Nach dem Magister- und Doktoratsstudium in Danzig und der Weihe zum Diakon kam er 2013 ins Priesterseminar nach Graz. Neben der Vorbereitung zur Priesterweihe machte er die ersten Schritte in der Seelsorge in der Pfarre St. Marein. Am 21. Juni 2015 wurde Kranicki im Klagenfurter Dom vom damaligen Diözesanbischof Alois Schwarz zum Priester geweiht. Danach kam er ins Lavanttal, wo er von 2015 bis 2018 als Kaplan tätig war. Am 1. Dezember 2018 trat Kranicki die Nachfolge von Engelbert Hofer als Provisor der Pfarre Wolfsberg an, am 2. Jänner 2022 wurde er zum Stadtpfarrer ernannt.
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