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Johann Weber: »Spannungen in der Politik sind normal und dürfen nicht überbewertet werden«Ausgabe 2 | Mittwoch, 8. Januar 2025

Der ehemalige ÖVP-Nationalrat und Lavanttaler Bezirksparteichef Johann Weber (60) spricht mit den Unterkärntner Nachrichten über die Koalitionsverhandlungen mit den Freiheitlichen, warum es zur Wende in der ÖVP kam und seine persönlichen politischen Perspektiven.

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Wie beurteilen Sie die derzeitige politische Lage in Österreich? Welche Herausforderungen sehen Sie für die ÖVP in der aktuellen Situation?
Die letzten Jahre waren aufgrund der vielfältigen Krisen – Corona, Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, Energiekrise, Teuerung und der allgemein weltweit schwierigen Wirtschaftssituation –  sehr fordernd. Jetzt gilt es wieder Ruhe und Vertrauen in die Politik und somit in die Bevölkerung zu bringen, und dazu gehört auch die Budgetkonsolidierung. 

Eine Koalition mit der FPÖ war im Wahlkampf ein No-Go. Warum hat die ÖVP ihre Haltung gegenüber der FPÖ geändert und ist nun bereit, mit ihr zu verhandeln? Was hat diesen Sinneswandel ausgelöst?
Die Situation nach dem Scheitern der Gespräche mit der SPÖ hat sich geändert. Wir brauchen eine breite stabile Regierung und dürfen nicht weiter zu viel Zeit verlieren. Es gibt sehr viel zu tun. 

Was erwarten Sie sich von einer möglichen Zusammenarbeit zwischen der ÖVP und der FPÖ?
Wo ein Wille, da ein Weg. ÖVP und FPÖ haben auf Bundesebene 2017 bis 2019 zusammengearbeitet. Inhaltlich gibt es viele gemeinsame Schnittmengen, und daher sollte ein Koalitionsabkommen doch schnell möglich werden. Die Zeit läuft und drängt. 

Welche Schnittmengen in den politischen Zielen gibt es und was sind die größten Differenzen?
In Bereichen der Wirtschafts-, Steuer- und Standortpolitik, bei Asyl und Migration, Sozialpolitik, Familien- und Bildungspolitik, Wohnungs- und Umweltfragen sowie Justiz gibt es viele Gemeinsamkeiten. Differenzen sehe ich in der Europa- und Außenpolitik, beim Thema Sky Shield, Neutralität und im Russlandverständnis sowie hinsichtlich der Nichtabgrenzung von der Rechtsextremen-Szene durch die FPÖ. 

Wie sehen Sie die künftige Rolle der ÖVP innerhalb der Regierung?
Hier sind die nächsten Tage und Wochen abzuwarten. Wird es Koalitionsverhandlungen geben und wenn ja, was wird dabei ausverhandelt werden? 

Der  Abgang von Bundeskanzler Karl Nehammer hat für viel Gesprächsstoff gesorgt. Wie bewerten Sie den Rücktritt? War es die richtige Entscheidung?
Politik ist kurzlebig und lebt von Veränderungen. Entscheidungen muss man respektieren und akzeptieren. Karl Nehammer hat in keiner einfachen Zeit Verantwortung übernommen und Österreich, so ehrlich muss man sein, gut durch die letzten Jahre geführt. Es wäre sicherlich noch einiges besser machbar gewesen, dazu fehlte aber der Wille und die Bereitschaft der übrigen Parteien im Parlament. Es hätte viel mehr ein Miteinander und nicht ein ständiges Gegeneinander gebraucht. 

Inwieweit hat der Rücktritt von Nehammer die ÖVP als Partei geschwächt oder gestärkt? Wie beurteilen Sie die Idee einer Koalition zwischen der ÖVP und der FPÖ auf Bundesebene? Welche Bedenken haben Sie bezüglich einer solchen Zusammenarbeit?
Wie bereits zuvor gesagt: Politik ist kurzlebig und lebt von Veränderung, und die Antworten liefert die Zeit. Karl Nehammer ist sich und seiner tiefsten Überzeugung treu geblieben. Er hat die Konsequenzen gezogen. Ich zolle ihm für seine Arbeit für Österreich großen Respekt. Der Wähler hat immer recht. Das ist keine leere Floskel. Die sich aus den Wahlen ergebenden möglichen Mehrheiten entscheiden in einer Demokratie. 

Die FPÖ wird oft für ihre populistische Rhetorik und ihr Verhältnis zur EU kritisiert. Sehen Sie diese Punkte als problematisch für eine mögliche Zusammenarbeit mit der ÖVP?
Es gibt einen Unterschied ob man in Opposition oder in Verantwortung stehend ist. Auch hier wird die Zeit zeigen, wie verantwortungsvolle Politik aussieht.

Glauben Sie, dass die FPÖ in der Regierung für die ÖVP ein stabiler Partner sein könnte oder eher ein Risikofaktor für die politische Stabilität des Landes?
Jede stabile Partnerschaft hängt von der Bereitschaft des gemeinsamen Miteinander und der Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen ab.

In der Vergangenheit gab es immer wieder Spannungen zwischen den beiden Parteien. Was müsste nach geschehen, damit eine ÖVP-FPÖ-Koalition dauerhaft tragfähig wäre?
Spannungen sind in der Politik normal und dürfen nicht überbewertet werden. Es muss gelingen, eine Politik auf gegenseitiger Augenhöhe, getragen von Respekt und Wertschätzung, zu machen  – immer an den Sorgen, Ängsten und Wünschen der Bürger im Land orientiert.

Wie sehen Sie die Zukunft der ÖVP nach Nehammers Rücktritt? Gibt es konkrete Namen oder Personen, die Ihrer Meinung nach die Partei in eine neue Richtung führen könnten?
Die ÖVP hat genug Erfahrung und viele Personen, die die Partei jederzeit erfolgreich führen können.

Welche Reformen wären Ihrer Meinung nach nötig, damit die ÖVP wieder als moderne, zukunftsfähige Volkspartei wahrgenommen wird?
Wir machen und machten in der Vergangenheit vieles richtig. Eines unserer Probleme ist und war die Kommunikation mit den Bürgern. Hier möchte ich auch die Medien in der Gesamtheit in die Pflicht nehmen und sie auffordern, auch mehr über Positives zu berichten. 

Die ÖVP ist die einzige Partei, in der schon aufgrund ihrer Struktur alle Teile der Bevölkerung abgebildet sind: Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Landwirte, Pensionisten, Junge und als besonderer Schwerpunkt Frauen. Das zeichnet eine echte Volkspartei aus.

Viele werfen der ÖVP vor, in den vergangenen Jahren ihre Position als Volkspartei geändert zu haben. Wie stehen Sie zu diesen Vorwürfen?
Wir als Volkspartei stehen zu unseren christlich-sozialen Werten, wo Leistung, Sicherheit und die Familie im Mittelpunkt stehen. Die Familie ist die wichtigste Keimzelle jeder Gemeinschaft bzw. jeden Staates. Sicherheit muss jederzeit gewährleistet sein, und Leistung bzw. die Erbringung von Leistung muss sich lohnen. Der, der arbeitet und fleißig ist, darf nicht bestraft werden. 

Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen: Sehen Sie eine Chance, selbst in Zukunft wieder ein Nationalratsmandat zu übernehmen oder haben Sie andere politische Ambitionen?
Der Wähler hat am 29. September 2024 entschieden. Das Ergebnis ist natürlich zu akzeptieren. Alles Weitere liegt nicht in meinen Händen.

Wie schätzen Sie Ihre eigenen politischen Perspektiven innerhalb der ÖVP ein? Gibt es derzeit Überlegungen, wie Sie sich selbst politisch weiterentwickeln könnten?
Ich darf seit 22. Juni 2017 Bezirksparteiobmann der ÖVP sein. Das erfüllt mich mit großer Demut. Gerne setzte ich mich für die Interessen der Menschen im Lavanttal ein und freue mich auf die nächsten Jahre in dieser Funktion.

// Zur Person
Johann Weber wurde am 9. Mai 1965 in Wolfsberg geboren. Nach der Pflichtschule besuchte er die LFS St. Andrä, absolvierte die Höhere Lehranstalt für Land- und Forstwirtschaft in Raumberg/Gumpenstein (Stmk.) und die Land- und forstwirtschaftliche berufspädagogische Hochschule in Ober St. Veit. Seit 1998 ist Weber Lehrer an der LFS St. Andrä.

Er war 2003/2004 Mitglied des Gemeinderats der Stadtgemeinde Wolfsberg und 2004 Stadtrat. Danach gab es eine politische Pause. Seit 2015 ist er erneut Mitglied des Wolfsberger Gemeinderats, im Juni 2017 wurde zum ÖVP-Bezirksparteiobmann gewählt. Von April 2018 bis Oktober 2019 war Weber im Kärntner Landtag vertreten. Nach der Nationalratswahl 2019 wechselte Weber in den Nationalrat, wo er bis zur Wahl 2024 ein Mandat innehatte. 

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