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Bei Unfällen der Mitarbeiter kassierte Firma mit: Landesgericht muss klären, ob das rechtens warAusgabe 46 | Mittwoch, 15. November 2023

Früherer Geschäftsführer eines Lavanttaler Unternehmens für Personalleasing steht wegen schweren Betrugs vor Gericht. Vorwurf: Arbeiter sollen 581.390 Euro Versicherungsgeld nicht erhalten haben. Der Angeklagte streitet ab: Das Geld sei der Firma zugestanden.

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Klagenfurt, Lavanttal. War es eine Spekulation mit der Gesundheit der Mitarbeiter? Oder wollte der frühere Geschäftsführer eines Lavanttaler Personalleasing-Unternehmens lediglich jene Kosten, die der Firma durch Krankenstände und Unfälle entstanden, abfedern und den Betroffenen finanzielle Hilfen leisten? Das sind die Fragen, die Richterin Sabine Götz am Landesgericht Klagenfurt klären muss. 

Einem 52-Jährigen wird von Staatsanwalt Julius Heidinger schwerer Betrug sowie der Versuch zur Bestimmung einer Falschaussage vorgeworfen:  581.390 Euro sollen verunfallten Arbeitern vorenthalten worden sein. Den Betrug bestritt der Angeklagte – für ihn gilt die Unschuldsvermutung – bei der ersten Verhandlungsrunde in der Vorwoche am Landesgericht vehement. Den Versuch, einen früheren Mitarbeiter zu einer Falschaussage angestiftet zu haben, gibt er aber zu.

»Die gesamten Summen an die Arbeiter auszuzahlen wurde nie in Betracht gezogen«
Der Angeklagte als Rechtfertigung

Heidinger schilderte den Fall so: 2011 schloss der  damalige Geschäftsführer eine kollektive Unfallversicherung für alle Firmen-Mitarbeiter ab, die am Bau arbeiteten und deren Zahl zwischen 150 und 300 schwankte. Fünf Euro wurden ihnen dafür pro Monat vom Lohn abgezogen, weitere fünf Euro bezahlte das Unternehmen.

Ein Arbeiter sah das nicht ein. Er hatte selbst eine Versicherung und wollte keine zweite. Der Geschäftsführer erklärte ihm, dass er dann bei einem Unfall auch nichts bekommen würde. Der Mann war einverstanden, seine Versicherung lief weiter. Als er 2012 einen schweren Autounfall mit nachfolgender Arbeitsunfähigkeit erlitt, wurden rund 360.000 Euro von der Versicherung fällig – die zur Gänze die Firma einstrich.

Fall zwei betraf einen polnischen Arbeiter, der 2012 nach einem Motorradunfall zu 17,5 Prozent beeinträchtigt war. Die Versicherung zahlte 26.250 Euro, 17.000 Euro erhielt der Arbeiter.

Arbeiter querschnittgelähmt

Der dritte Betroffene, ebenfalls Pole, war nach einem Autounfall querschnittgelähmt. Versicherungssumme: 450.000 Euro. Laut Heidinger besuchte ihn der Geschäftsführer in Polen und erklärte ihm, dass er keine Ansprüche hätte. Weil er dem Lavanttaler aber leid tue, werden ihm 225.000 Euro überweisen. Wie alle anderen unterschrieb auch dieser Arbeiter eine Abfindungserklärung.

Nur: Von den bei der Firma verbliebenen 225.000 Euro behob der damalige Geschäftsführer 44.000 Euro – und behielt sie für sich. Dafür wurde er bereits wegen Abgabenhinterziehung verurteilt. Als die Behebung aufzufliegen drohte, forderte der Angeklagte laut Staatsanwalt den Polen auf, er solle dem Finanzamt sagen, das Geld sei ihm übergeben worden. Der gelähmte Arbeiter machte erst mit, dann nahm er seine Falschaussage zurück.

Heidinger führte aus, die Kosten der Versicherung, von denen das Unternehmen nur die Hälfte übernahm, wurde auf die Arbeiter abgewälzt. Bei Unfällen teilte ihnen der Geschäftsführer mit, sie hätten eigentlich nichts zu bekommen. Aufgrund seines »sozialen Gewissens« zahle er aber die Hälfte aus. 

Entscheidend sei nun, für wen die Versicherung tatsächlich abgeschlossen wurde. Werden die Mitarbeiter so versichert, dass das Unternehmen bei Unfällen begünstigt ist, sei eine schriftliche Zustimmung jedes Einzelnen erforderlich – was hier laut Staatsanwalt nicht geschehen ist. 

Verteidiger hält dagegen

Der Grazer Verteidiger Mario Leistentritt meinte, beim Betrugsvorwurf könne es nur einen Freispruch geben. Denn die im Baugewerbe tätigen Berufsgruppen seien sehr unfallgefährdet, auch privat: Es werde betrunken Auto gefahren oder Motorräder als Freizeitbeschäftigung genutzt. Nach Arbeitsunfällen kam es zu Hubschraubereinsätzen, bei deren Bezahlung die Firma helfen musste.

Das Unternehmen hatte aufgrund von Personalausfällen jährliche Kosten von bis zu 250.000 Euro, weshalb der Geschäftsführer nach einer Versicherung suchte. Weil für Personalleaser aber keine für Krankenstandsfälle angeboten werden, wurde auf die kollektive Unfallversicherung zurückgegriffen, die nur zahlt, wenn körperliche Dauerschäden entstanden sind. Und hier sei es von Beginn an so vorgesehen gewesen, dass die Firma die ausgezahlten Beträge erhält, was auch in den Polizzen vermerkt wurde. Die vom Staatsanwalt angesprochene Zustimmung der Unfallopfer »kann auch nachträglich eingeholt werden«, so Leistentritt. 

Richterin Götz zum Angeklagten: Warum mussten die Mitarbeiter die Beiträge mitzahlen? »Mir ging es um die Polen«, so der 52-Jährige, sie sollten bei Unfällen etwas haben: »Der Steuerberater sagte mir, dass sie die vollen Abgaben zahlen müssten, wenn ich ihnen nach einem Unfall Geld geben würde. Wenn sie aber an den Beiträgen beteiligt werden, kann ich die Versicherungsleistung ohne Abzüge durch die Einkommenssteuer auszahlen.« Das sei auch im Büro in Polen per Aushang mitgeteilt worden. Allerdings: Schriftlich sei die Halbe-halbe-Lösung nie festgelegt worden. Und ihm war es ebenso wichtig, dass auch das Unternehmen Versicherungsgeld erhält, sehr wichtig. Die Unfallversicherung musste für alle Mitarbeiter abgeschlossen werden, einzelne Personen auszuklammern, war laut dem Angeklagten nicht möglich. 

Zuletzt befragte ihn Staatsanwalt Heidinger: Warum wurden nicht die gesamten Versicherungssummen abzüglich der Kosten des Unternehmens ausbezahlt? »Das wurde nie in Betracht gezogen«, so der Angeklagte.

Nach zweieinhalbstündigem Prozess wurde für die Ladung einer Vielzahl von Zeugen vertagt. Im nächsten Jahr wird weiterverhandelt.

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