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St. Stefan. Man hört ihm die Frustration deutlich an. Christian Salzmann, Geschäftsführer der »Frühauf Mühle« im Wolfsberger Ortsteil St. Stefan, sucht seit rund zwei Jahren eine Hilfskraft für unterschiedliche Tätigkeiten – vergeblich. Er sieht die erfolglose Suche auch als Symptom für den Zustand der Gesellschaft und fragt: »Wie soll es bei uns weitergehen?«
Nicht nur die Gastronomie und das Handwerk haben massive Probleme, passende Mitarbeiter zu finden. »Bei uns Bäckern sieht es nicht besser aus«, so Salzmann. Händeringend sucht er seit langem eine Mitarbeiterin: »Es ist eine 20-Stunden-Beschäftigung für drei Tage in der Woche, die Tage könnte sie sich aussuchen. Die Bewerberin sollte, wenn möglich, einen eigenen Pkw besitzen, um beweglich zu sein, und in der Bäckerei und der Mühle mithelfen. Es ist keine schwere Arbeit, Beginn wäre um 7 Uhr. Aber wenn sie an einem Tag erst um 8 Uhr beginnt, wäre das auch möglich. Außerdem zahlen wir 100 Euro über Kollektiv und bieten vieles mehr. Wir versuchen eh alles und wollen den Leuten entgegen kommen. Meine Mutter und ich packen im Betrieb auch selbst jede Arbeit an. Anscheinend gibt es aber niemanden, der uns helfen kann.«
Ausreden
Obwohl: Interessentinnen gab es einige – doch der Erfolg blieb aus. Der Geschäftsführer: »Was ich mir bei diesen Gesprächen anhören musste, ist kaum zu glauben. Da heißt es, eigentlich würden die Leute ja lieber etwas anderen machen, die Matura machen oder als Verkäuferin oder Angestellte arbeiten. Aber jetzt seien sie einmal da. Warum kommen sie, wenn sie nicht bei mir arbeiten möchten? Ich kann diese Ausreden nicht mehr hören, offenbar ist den Leuten alles Geld zu wenig.«
»Heute zählen nur mehr Freiheit und Freizeit. Es muss ein Umdenken geben«
Christian Salzmann, Geschäftsführer
Bei den Bewerbungen habe sich Kurioses gezeigt: »In den Schreiben ist immer von Pünktlichkeit, Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Lernwilligkeit die Rede. Das ist dann aber nicht so und das vermisse ich. In den Bewerbungen gibt es tolle Lebensläufe und schöne Fotos – doch letztlich sind sie geschönt.« Er habe gemerkt, dass viele Kandidatinnen nicht wussten, was sie wollten. Gerne redeten sie sich auch auf ihr Kind aus – und bei Nachfrage heißt es, das Kind ist 13 Jahre alt oder älter. Salzmann: »Meine Mutter ist heute 60 plus. Vor 35 Jahren hatte sie zwei Kinder und einen Betrieb – und hat gearbeitet. Sie tut es immer noch ohne zu jammern. Und heute ist das für andere nicht mehr möglich?«
In Salzmann regt sich ein Gefühl: »Ich glaube, es ist einfach kein Wille vorhanden, die Freizeit hat größeren Stellenwert als die Arbeit und manche denken, beim Stempeln gehe es ihnen auch nicht schlechter. Wozu arbeiten für 200 bis 300 Euro mehr?«
Es sei ein Werteproblem, das sich in der Gesellschaft breit gemacht habe. Salzmann: »Die Arbeit hat nicht mehr den Stellenwert wie vor 20 Jahren, als es den Menschen noch schlechter ging. Heute zählen nur mehr Freiheit und Freizeit. Es muss ein Umdenken geben, denn von nichts kommt nichts.«
Der Geschäftsführer selbst hat früher als Ingenieur gearbeitet, ehe er in den Familienbetrieb wechselte. »Jetzt bin ich Bäcker. Wenn ich das erzähle, sehen mich die Leute groß an. Früher belächelten sie mich, was mich immer amüsiert hat. Sie fragten mich, warum ich mir das antue oder ob ich nichts anderes gelernt hätte. Es geht heute nur noch um Äußerlichkeiten.« Und: Menschen würden sich für ihre Tätigkeiten schämen. »Dabei müssen wir froh sein, dass jemand die Straßen asphaltiert und putzt. Eine Putzfrau ist heute eine unschätzbare Mitarbeiterin. Dass das jemand macht, da verneige ich mich davor. Es hemmt uns, wenn man sich für seine Arbeit geniert. Jede Tätigkeit ist wichtig, wir schaffen es nur gemeinsam.«
Nicht nachvollziehbar
Salzmann kann die Reaktion dieser Menschen nicht nachvollziehen: »Was wollen wir? Wollen wir arbeiten oder absandeln? Es wird gestritten und gestreikt, während es darum geht, dass wir alle bereit sein müssten, etwas zu tun. Es gibt so viele Langzeitarbeitslose, aber niemand will in meinem Betrieb mitarbeiten. Offenbar brennt es zu wenig im Sozialstaat. Das kann doch nicht sein.«
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