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Sechs Stolpersteine erinnern an jüdische Opfer aus Wolfsberg während der Zeit des NS-RegimesAusgabe 45 | Mittwoch, 10. November 2021

Über 65.000 österreichische Juden wurden unter der Herrschaft des NS-Regimes getötet, zigtausende aus ihrer Heimat vertrieben. Darunter waren auch sechs Wolfsberger, denen nun mittels Stolpersteinen vor ihrem ehemaligen Wohnhaus gedacht wird.

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Unterkärntner Nachrichten Redakteur Michael Swersina Von Michael Swersina m.swersinano@spamunterkaerntner.at
Harry Koller, der Präsident der Landesgruppe Kärnten der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft mit Stadtrat Christian Stückler, Uri Ovseyevitz-Roth mit Gattin Tania (von links) bei der Verlegung der Stolpersteine vor dem Haus Nummer 11 in der Wiener Straße. UN/much

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Wolfsberg. Stolpersteine sind eine persönliche Form des Erinnerns an die Opfer der NS-Zeit. Die Messing-Oberseiten der Stolpersteine tragen Namen und Lebensdaten der Opfer und die Inschrift ›Hier wohnte‹ oder ›Hier arbeitete‹. Sie werden vor den letzten freiwilligen Wohn- oder Wirkungsstätten der Opfer in das Gehsteigpflaster eingelassen. 

Seit Dienstag, 9. November, gibt es auch in der Bezirkshauptstadt sechs Stolpersteine, die an Adolf und Emma Gross, Lotte Roth, Anny Junek sowie Hermine und Hans Singer erinnern. Sie alle lebten oder arbeiteten im Haus Nr. 11 in der Wiener Straße und wurden während der Nazi-Herrschaft ermordet, deportiert oder haben es geschafft vor den Tyrannen zu flüchten.

Bei der Verlegung der Stolpersteine waren auch Nachfahren der Familien anwesend, Uri Ovseyevitz-Roth, der Urenkel von Lotte Roth war für die Zeremonie sogar extra aus Mexiko angereist. 

Endlich verlegt

Die lange Geschichte nimmt ein rühmliches Ende: Es war in der Gemeinderatssitzung am 14. Februar 2019, als die Wolfsberger Grünen, Susanne Dohr und Reinhard Stückler, den Antrag einbrachten »Stolpersteine«, die an das Schicksal jener Wolfsberger erinnern sollen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, vertrieben oder ermordet wurden. Ursprünglich hätten die Steine im November 2019 verlegt werden sollen, aber der deutsche Künstler Gunter Demnig hatte sie bis dahin nicht produziert. Also sollten die Steine im Frühjahr 2020 verlegt werden, was dann aber wegen des Ausbruchs der Corona-Pandemie wieder verschoben werden musste.

Am Dienstag, 9. November, war es nun so weit und die sechs Steine wurden in der Wiener Straße 11 verlegt. Dort, im Haus Nummer 11, lebten einst Adolf und Emma Gross, Lotte Roth, Anny Junek, Hermine und Hans Singer. Die Familie Gross betrieb einen Gemischtwarenhandel, der für wenig Geld in die Hände eines NS-Sympathisanten wanderte. Die Familie floh in die Tschechoslowakei, die Eltern Emma und Adolf kamen 1942 im KZ Auschwitz um. 

Auch Hans und Hermine Singer ergriffen die Flucht. Hermine starb im März 1944 in Mauritius, Hans schaffte es nach Palästina.

Anny Junek geb. Gross lebte ebenfalls in dem Haus. Sie floh 1942, wurde aber von den Behörden aufgegriffen und 1942 nach Bergen-Belsen deportiert, überlebte den Krieg  und lebte danach zum Teil bei ihrem Sohn in San Francisco und zum Teil bei ihrer Tochter in Israel. Sie verstarb am 11. Juli 2016.

Lotte Roth wurde 1938 vertrieben, ihr gelang die Flucht nach New York, wo sie am 18. April 1998 nach langer Krankheit verstarb. 

Würdige Zeremonie

Harry Koller (SPÖ), der Präsident des Landesverbands Kärnten der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft freute sich, dass er zur  Verlegung der Stolpersteine Nachkommen der Familien begrüßen konnte. Er blickte in seiner Ansprache auf die dunkle Zeit zurück und erzählte: »65.000 Juden sind gestorben, drei davon kamen aus Wolfsberg, viele wurden vertrieben, drei davon aus Wolfsberg.« Stadtrat Christian Stückler, der den erkrankten Bürgermeister Hannes Primus vertrat, dankte Susanne Dohr (Grüne) dafür, dass sie die Initiative ergriffen hatte, um die Stolpersteine zu ermöglichen.

Uri Ovseyevith-Roth, der Enkel von Lotte Roth, kam aus Mexiko für die Verlegung der Stolpersteine und meinte in seiner Rede: »Es ist eine Ehre und ein Privileg hier sein zu dürfen«, meinte er zu Beginn einer berührenden Ansprache. Weiter sagte er: »Ich komme nach Wolfsberg, um mich persönlich für die Ehrung meiner Vorfahren zu bedanken. Nun gibt es einen würdigen Platz, wo meine Großeltern ruhen und den weitere Generationen besuchen können.«

Musikalisch umrahmt wurde die Feier von einem Ensemble der Musikschule Wolfsberg.

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