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Reicht ein Weltfrauentag, um auf die Anliegen der Frauen aufmerksam zu machen?
Marion Schuhai: Definitiv nicht. Die Themen, die an diesem Tag angesprochen werden, sind ja nur ein ganz kleiner Auszug. Eigentlich muss es das ganze Jahr über Maßnahmen geben. Es war sehr schön, Sie, Frau Arpa, als Bundesratspräsidentin zu sehen und wie Sie Ihren Mann gestanden haben.
Claudia Arpa: Es freut mich, dass wir nun mit der neuen Regierung wieder eine Frauenministerin bekommen. Das wurde in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Aber es braucht eine Frau an vorderster Stelle, die auf die Anliegen der Frauen aufmerksam macht, ansonsten gehen diese unter.
Isabella Theuermann: Es ist wichtig, dass eine Frau die Frauen vertritt, die unsere Anliegen versteht. Es kennt ja auch nur eine Frau die Lebensrealitäten von Frauen. Es bringt nichts, wenn Männer Politik machen, die überhaupt kein Verständnis dafür haben, was die Herausforderungen und Probleme im Alltag einer Frau sind.
Nina Bauer: Ich finde, dass nicht nur an einem Tag im Jahr anerkannt werden sollte, was eine Frau alles leistet. Sei es beruflich, mit Kindern im Haushalt oder ohne, oder als Hausfrau. Ein Tag ist zu wenig.
Sprache und Geschlechterrollen
Ein weiteres Thema der Diskussion war der Sprachgebrauch und die Geschlechterrollen in der Gesellschaft. Warum hat beispielsweise Marion Schuhai zuvor formuliert, »Arpa stand ihren Mann« – und nicht: »Arpa stand ihre Frau«?
Marion Schuhai: Das ist so eine Redewendung wie viele andere, die leider immer nur männlich sind. Und das haben wir alle irgendwie verinnerlicht. Diese Wendungen kommen von früher, als immer der Mann in vorderster Reihe stand und die Frau im Hintergrund blieb.
Claudia Arpa: Es ist leider immer noch der Sprachgebrauch, den wir so verwenden. Deswegen denke ich auch, dass es wichtig ist, den Fokus auf eine Sprache zu legen, die nicht wertet und neutral ist. Aber da gibt es noch viel Nachholbedarf.
Gleichstellung in Politik und Wirtschaft
Die Teilnehmerinnen waren sich einig, dass es in der Politik und Wirtschaft noch viel zu tun gibt, um die Gleichstellung von Frauen zu erreichen.
Marion Schuhai: Ich bin der Meinung, dass wir noch weit nachhinken. Männer sind nach wie vor besser vernetzt. Es gibt zwar auch schon Frauennetzwerke, das ist ein Schritt nach vorne. Frauen haben erkannt, dass es nur miteinander geht. Wir müssen uns gegenseitig viel mehr unterstützen, damit viele Frauen noch mehr Selbstvertrauen bekommen und mutiger sind. Wir Frauen müssen lauter sein und gewisse Themen öfter spielen, um die Aufmerksamkeit zu erhalten, die ein Mann meist schneller bekommt.
Isabella Theuermann: Ich glaube, dass Politik generell nicht frauenfreundlich ist. Als Frau wird von einem erwartet, sich in der Politik um »softe« Themen zu kümmern, wie Familie und Kinder. Wenn man etwas schärfer vorgeht, bekommt das gleich einen negativen »Touch«. Was bei Männern als cool angesehen wird, wird bei einer Frau eher negativ interpretiert. Frauen haben neben dem Beruf auch viele andere Dinge zu erledigen: Die Kinderbetreuung liegt nach wie vor bei den Frauen, auch die Pflege von Angehörigen ist oft eine Angelegenheit der Frauen.
Kinderbetreuung und Pension
Ein weiteres Thema der Diskussionsrunde war die Anrechnung der Kinderbetreuung auf die Pension.
Claudia Arpa: Kindererziehung muss einen ganz anderen Stellenwert bekommen. Ich denke, dieses Thema wurde in der Vergangenheit ein wenig vernachlässigt. Ich hoffe, dass die SPÖ nun in der Regierung wieder ein wenig Druck machen wird.
Isabella Theuermann: Frauen haben eine Pensionslücke von 41 Prozent bzw. 800 Euro im Monat weniger als Männer. Wir brauchen eine finanzielle Wertschätzung der Familienbetreuung, Frauen müssen selbst entscheiden können, ob sie beim Kind bleiben oder arbeiten gehen.
Vollzeitbeschäftigung und Kinder
Die Teilnehmerinnen diskutierten auch die Herausforderungen, die Frauen mit einer Vollzeitbeschäftigung bei der Kinderbetreuung haben.
Nina Bauer: Da ist natürlich die Kinderbetreuung der öffentlichen Hand gefordert. Derzeit sind die Öffnungszeiten einfach nicht so flexibel, wie es für eine vollzeitbeschäftigte Frau notwendig wäre. In vielen Kindergärten ist eine Nachmittagsbetreuung mittlerweile sehr schwierig zu bekommen. Und dann kommen noch die Kosten für die Betreuung hinzu. Da muss man sich schon überlegen: Zahlt es sich überhaupt aus, Vollzeit arbeiten zu gehen?
Isabella Theuermann: Dazu müsste auch dafür gesorgt werden, dass es eine flächendeckende Kinderbetreuung mit familienfreundlichen Öffnungszeiten gibt.
Persönliche Erfahrungen
Die Teilnehmerinnen teilten auch ihre persönlichen Erfahrungen und Herausforderungen im Hinblick auf Gleichstellung aus.
Nina Bauer: Vor allem als Selbstständige war es während der Schwangerschaft und in der Karenz schwierig. Wenn man eine Betriebshilfe bekommt, was nicht immer möglich ist, weiß man ja nie, wie diese den Betrieb führt, ob dadurch Kunden verloren gehen usw. Mein Glück war, dass die Betriebshilfe eine Angestellte von mir war und wir das dadurch recht gut managen konnten.
Marion Schuhai: Man braucht schon breite Schultern und auch viel Selbstbewusstsein. Man darf keine Schwäche zeigen. Hat man als Frau einen schlechten Tag, heißt es gleich, es liegt an den Hormonen, und man ist sehr angreifbar. Das würden Männer untereinander nicht machen.
Isabella Theuermann: Mich stört es, dass ich seit vier Jahren als Stadträtin kein Büro habe. Die Begründung war, so wie ich Politik betreibe, hätte ich keines verdient. So nach dem Motto: Entweder du bist brav oder du bekommst nichts.
Claudia Arpa: Am Anfang meines politischen Daseins wurde ich immer wieder gefragt: »Kannst du das überhaupt?« Das finde ich sehr spannend, denn ich glaube nicht, dass man die gleiche Frage auch Männern stellt. Und so geht es immer noch vielen Frauen in Männerdomänen.
Netzwerke und Unterstützung
Ein weiteres Thema war die Vernetzung von Frauen und die Unterstützung untereinander.
Nina Bauer: Ich denke, vielen Frauen fehlt dafür einfach die Zeit. Ich zum Beispiel muss meinen Betrieb führen und habe noch Kinder zu Hause. Ich schaffe es vielleicht einmal im Jahr, mich mit Freundinnen auf einen Kaffee zu treffen.
Isabella Theuermann: Wann und wo treffen sich die Männer? Am Abend bei einem Bier. Frauen sind dann meist mit Hausarbeit und Kinderbetreuung beschäftigt. Es gibt aber auch viel Neid unter Frauen. Marion, wenn wir beide zusammen auf einem Foto sind, heißt es von manchen Leuten schon: »Warum verstehst du dich mit der, die ist ja bei einer anderen Partei.« Dabei muss zusammengearbeitet werden – auch über Parteigrenzen hinweg.
Nina Bauer: Das kenne ich auch. Wenn ich mit einer anderen Frisörin unterwegs bin, werde ich auch gefragt, warum ich mit meiner Konkurrenz zusammen bin. Aber es ist doch schön, sich mit Leuten aus der selben Branche auszutauschen, und es ist auch sehr hilfreich.
Claudia Arpa: Das mit dem Bier am Abend stimmt so nicht ganz. Oft gehen sie auch am Vormittag auf einen Kaffee. Ich hatte bereits einige Positionen, wäre aber nie auf die Idee gekommen, am Vormittag einen Kaffee trinken zu gehen. Wahrscheinlich sind die Männer besser beim Delegieren. Aber zurück zu den Netzwerken. Man sollte für unsere Netzwerke auch Männer ins Boot holen. Man braucht ja auch die männliche Sichtweise.
Marion Schuhai: Auch der Zeitfaktor spielt eine Rolle. Ich habe vor drei Jahren in der Politik angefangen, aber um Netzwerke aufzubauen, braucht es viel Zeit. Man muss ständig bei Veranstaltungen sein, um Kontakte aufzubauen. Wichtig ist auch, mit dem politischen Mitbewerber zusammenarbeiten.
Gewalt an Frauen
Ein weiteres wichtiges Thema der Diskussion war die Gewalt an Frauen.
Marion Schuhai: Die Gewalt an Frauen hat in den vergangenen Jahren gewaltig zugenommen. Ich denke, das hat es so in der Vergangenheit nicht gegeben.
Claudia Arpa: Gewalt an Frauen hat es schon immer gegeben, aber es wurde nicht so öffentlich gemacht und blieb meist in den eigenen vier Wänden. Sie erfolgt meist dort, wo der sicherste Ort sein sollte, zu Hause. Wir müssen die Menschen früher sensibilisieren, es geht um Respekt gegenüber Frauen. Viele Frauen würden gerne anders leben, aber das geht oftmals nicht. Dafür gibt unterschiedliche Gründe: Erziehung, der Status, finanzielle Abhängigkeit. Manchmal schieben sich auch Frauen selbst die Schuld zu, dass der Mann gewalttätig wurde.
Nina Bauer: Ich denke, dass viele Frauen auch Angst davor haben, was ihnen der Mann antun könnte, wenn sie einfach gehen.
Marion Schuhai: Es hat aber auch etwas mit der Erziehung zu tun. Es fängt nicht von heute auf morgen an, sondern wächst im Laufe der Jahre.
Nina Bauer: Das stimmt sicher. Daher erziehe ich meinen Sohn dementsprechend. Er hilft mit sechs Jahren bereits im Haushalt mit und kann auch schon kochen. Die Erziehung ist ein ganz wichtiger Aspekt, um gegenüber Frauen den nötigen Respekt zu zeigen.
Isabella Theuermann: Jetzt haben wir den vierten Femizid in Österreich in diesem Jahr. Ich denke, das ist auch ein Migrationsproblem. Wir haben viele Menschen mit Migrationshintergrund und dazu die unkontrollierte Zuwanderung. Warum kommen so viele Männer, die keinen Respekt vor Frauen haben bzw. in deren Kultur ein völlig anderes Frauenbild herrscht als bei uns? Da muss auch dagegen vorgegangen werden.
// Info
Isabella Theuermann ist Bundesrätin und Stadträtin der FPÖ.
Claudia Arpa ist SPÖ-Bundesrätin und Vizebürgermeisterin in Frantschach-St. Gertraud.
Marion Schuhai ist Gemeinderätin der Wolfsberger ÖVP.
Nina Bauern ist selbstständige Frisörin mit ihrem St. Andräer Betrieb »Street Glamour e.U.«
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