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Seit 1. Juli sind Sie Präsidentin des Bundesrats. Wie fühlt sich das an?
Dem Bundesrat vorzustehen ist eine große Ehre, aber auch mit viel Verantwortung verbunden. Es ist eine unabhängige, parteiübergreifende Funktion, die ein gerechtes Maß erfordert. Als Mutter dreier Kinder und als Vizebürgermeisterin habe ich gelernt, ausgleichend zu wirken und dieses Maß zu setzen – eine Rolle, die mir jetzt im Bundesrat durchaus liegt und die mir Freude macht.
Wie ist die Leitung Ihrer ersten Sitzung geglückt?
Erfreulicherweise sehr gut, es war aber auch herausfordernd. Einer Sitzung geht viel Arbeit voraus und zusätzlich muss im Protokoll alles seine Ordnung haben. Dank unserer hervorragenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wir es gemeinsam gut geschafft.
Sie wurden vom Kärntner Landtag in den Bundesrat entsandt. Wie unterscheidet sich für Sie die Arbeit in diesen beiden Gremien?
Zum einen befinden wir uns legislativ auf einer anderen, der nationalen Ebene. Wir beschäftigen uns im Bundesrat mit der gesamten Bandbreite der Bundesgesetzgebung. Andererseits denken wir aus dem Landtag kommend die Sicht der Länder und ihre Interessen auch immer mit. Es ist somit das gelebte Prinzip des Föderalismus, wie es auch Hans Kelsen (Anm.: 1881 – 1973, »Vater der Verfassung« Österreichs nach dem Ersten Weltkrieg) in unserer Verfassung vorgesehen hat.
»Dem Bundesrat vorzustehen ist eine Ehre, aber auch mit viel Verantwortung verbunden«
Claudia Arpa, Bundesratspräsidentin
Bisher blickten Sie aus dem Landtag auf die österreichische Politik. Hat die Arbeit in Wien Ihre Sichtweise im vergangenen Monat bereits verändert?
Ich würde nicht sagen verändert, sondern erweitert und ergänzt. Ich bin mit meiner Region, dem Lavanttal und Kärnten sehr verbunden. Die Arbeit im Bundesrat als Präsidentin besteht ja nicht nur aus den Sitzungen, sondern umfasst auch viele offizielle Termine. Die damit verbundenen Begegnungen erweitern natürlich auch die eigene Sichtweise.
Wer die live übertragenen Parlamentssitzungen mitverfolgt, sieht, dass es manchmal mit der Disziplin der Abgeordneten im Hohen Haus nicht zum Besten steht. Wie ist die Lage im Bundesrat?
Wir haben im Bundesrat einen wertschätzenden Umgang. Verschiedene Meinungen zu vertreten ist notwendig, Differenzen halten Demokratie auch lebendig. Meine Aufgabe ist es, die Balance zwischen Kontroverse und Wertschätzung zu halten. Dieser Umgang hat im Bundesrat eine Tradition, die ich weiterführen möchte.
Ihr Arbeitsplatz ist nun in der Bundeshauptstadt, Sie sind aber auch Vizebürgermeisterin von Frantschach-St. Gertraud. Pendeln Sie oder haben Sie Ihren Wohnsitz während der Woche nach Wien verlegt?
Ich pendle nach Wien. Nur wenn Sitzungen bis spät in die Nacht dauern oder Termine nahe beieinander liegen, bleibe ich in Wien.
Sind Terminkollisionen bei Ihren Ämtern als Präsidentin des Bundesrats und als Vizebürgermeisterin zu befürchten, wie es von der Wolfsberger FPÖ-Stadträtin und Bundesrätin Isabella Theuermann zu hören war?
Absolut nicht. Wir haben die Sitzungen im Gemeinderat während der Präsidentschaft frühzeitig geplant, damit die Gemeindearbeit in keiner Weise leidet.
Wie funktioniert jetzt der Kontakt zu Günther Vallant, dem Bürgermeister von Frantschach-St. Gertraud?
Wir sind im ständigen Austausch und stimmen uns ab. Günther Vallant unterstützt meine Tätigkeit im Bundesrat und als Präsidentin sehr. Nicht zuletzt bin ich auch Botschafterin für die eigene Gemeinde Frantschach-St. Gertraud und das Lavanttal.
Worauf legen Sie den Fokus Ihrer Präsidentschaft im Bundesrat?
Wir widmen uns dem Schwerpunkt »Kindern Perspektiven geben«. In Zeiten der Teuerung ist es unsere wichtigste Aufgabe, uns Familien mit Kindern zuzuwenden. Damit Kinder gleichberechtigt und chancengerecht aufwachsen können, müssen wir auch die Einkommensunterschiede in unserem Land verringern. Was in der Kindheit erlebt wird, wirkt in alle künftigen Lebensbereiche junger Erwachsener hinein. Wir haben daher in den nächsten Monaten viel vor, um das Bewusstsein über alle Parteigrenzen hinweg zu schärfen.
Gibt es Reformbedarf im Bundesrat?
Es gibt durchaus ein paar Verbesserungsmöglichkeiten, die wir andenken sollten. Dem Bundesrat könnte beispielsweise ein Korrekturrecht oder ein Teileinspruchsrecht eingeräumt werden. Damit können legistische Fehler schon im Gesetzwerdungsprozess korrigiert und damit nicht unnötig verzögert werden.
Haben Sie als Präsidentin Spielraum im Hinblick auf Reformen?
Reformprozesse anzustoßen, liegt an uns allen. Wir müssen parteiübergreifend Konsens finden und dann eine Mehrheit für Reformen gewinnen. Das ist mit viel Überzeugungsarbeit verbunden, die ich als Präsidentin natürlich auch leisten werde.
Sie haben angekündigt, als Bundesratspräsidentin Augenmerk auf die Koralmbahn zu legen. Was planen Sie?
Die Koralmbahn ist eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte unserer Zeit. Die damit verbundenen Chancen, die Veränderung unserer Mobilität, Wirtschaft und Umwelt beschäftigen uns von der kleinsten Gemeinde bis zur Bundesebene. Unsere Regionen rücken damit näher zueinander und es gilt, die Vorteile für Kärnten und das Lavanttal zu nutzen.
Erstmals ist die Spitze des Bundesrats ausschließlich mit Frauen besetzt: Neben Ihnen fungieren Margit Göll (ÖVP) und Doris Hahn (SPÖ) als Vizepräsidentinnen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?
Diese Premiere ist ein wirklich erfreuliches Ereignis und wir arbeiten sehr gut zusammen. Wir sind uns außerdem einig, dass wir auch in Zukunft viele Präsidentinnen an der Spitze des Bundesrats haben und daher jedes politische Engagement von Frauen unterstützen und fördern möchten.
Immer wieder wird die Auflösung des Bundesrats gefordert. Wie halten sie argumentativ dagegen?
Die Abschaffung des Bundesrates wäre nicht nur ein grober Eingriff in unsere Verfassung, sondern auch eine Schwächung der Demokratie. Österreich ist ein Bundesstaat, in dem Föderalismus als erfolgreiches Prinzip real existiert und auch parlamentarisch abgebildet sein muss.
Haben Sie sich politische Ziele für die Zeit nach dem Bundesrat gesetzt? Anders gefragt: Welche Funktion würde Sie reizen?
Vieles in meinem Leben ist nicht nach Plan verlaufen und ich hätte mir nicht erwartet, dass ich dem Bundesrat vorstehen werde. Ich halte es daher weiter so, mich vom Leben überraschen zu lassen und bin sehr zufrieden und dankbar, dass ich diese Funktion ausüben darf.
Sie sind seit 2019 Geschäftsführerin des Frauenhauses Lavanttal, wegen Ihrer Aufgabe im Bundesrat derzeit aber karenziert. Ist Ihnen die Trennung von dieser Aufgabe schwergefallen?
Ich bin derzeit für die Zeit als Präsidentin karenziert, aber das Anliegen, für Frauen einzutreten, ist ja geblieben. Wir haben erst kürzlich eine Bund-Länder-Vereinbarung verabschiedet, die wichtige Notunterkünfte für Frauen sichert.
Sie sind auch Vorsitzende der SPÖ Frauen im Bezirk Wolfsberg. Üben Sie diese Funktion derzeit weiter aus?
Ja, unbedingt. Frauenpolitik ist mir nicht nur beruflich, sondern als Person ein Anliegen. Wir müssen unsere Agenden vom Lavanttal auch auf Bundesebene tragen.
Sie sind geborene Feldkirchnerin. Wie verschlug es Sie ins Lavanttal?
Wir sind mit meinem Mann aus beruflichen Gründen ins Lavanttal gezogen. Jetzt ist es mein Zuhause, in dem ich seit vielen Jahren Land und Leute ins Herz geschlossen habe.
Wenn Sie sich in Wien aufhalten: Was fehlt Ihnen am Lavanttal am meisten?
Ich bin zwar nie so lange in Wien, dass ich Kärnten vermisse, aber die Natur und Landschaft, meine Familie und Freunde im Lavanttal würden mir fehlen.
Mag. Claudia Arpa, geboren 1967 in Feldkirchen.
Beruf: Sozialmanagerin mit Ausbildung im Umweltschutz, Pflege- und Altenheimen, Studienabschluss an der TU Graz. Seit 2019 Geschäftsführerin des Frauenhaus Lavanttal, aufgrund ihrer Tätigkeit im Bundesrat derzeit karenziert.
Politik: Seit 2015 für die SPÖ im Gemeinderat Frantschach-St. Gertraud, ab 2016 auch im Gemeindevorstand vertreten, seit 2021 Vizebürgermeisterin der Gemeinde. Von 2018 bis heuer war Arpa Abgeordnete zum Kärntner Landtag, seit April ist sie Abgeordnete zum Bundesrat. Am 1. Juli trat sie das Amt der Präsidentin des Bundesrats an.
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