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Berthold Radl : »Meine Familie gibt mir Sinn und Kraft, sie ist ein Hafen der Geborgenheit« Ausgabe 27 | Mittwoch, 1. Juli 2020

Lavanttaler Obst-Geschäftsführer Berthold Radl (58) erzählt, wie ein glückliches Familienleben, eine erfüllende Arbeit, Gesundheit, Freude an Musik und Kulinarik, Reisen und die Schönheit des Lavanttals als Geschenke des Lebens empfunden werden können.

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Unterkärntner Nachrichten Redakteur Michael Swersina Von Michael Swersina m.swersinano@spamunterkaerntner.at
Die Familie Radl: Vorne Berthold und Rosita, hinten die Kinder Maria, Matthias und Christina (v. li). Bild Mitte: Radl mit dem Goldenen Mostkrug der Prämierung Apfelmost.Bild rechts: 2018 konnte sich Berthold Radl einen Lebenswunsch erfüllen: die Besteigung des Großglockners, natürlich mit entsprechender Stärkung. Fotos: KK/privat

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Sie sind seit  36 Jahren der Kapitän der »Lavanttaler Obst Genossenschaft«. Wie sind Sie dazu gekommen?
Ich komme aus einer Familie, die bereits seit über vier Generationen mit dem Obstbau eng verbunden ist. Während meiner Schulzeit an der HAK erzählte mir mein Vater, dass »Lavanttaler Obst« einen Nachfolger für den Geschäftsführer sucht. Dafür war allerdings eine fachliche Ausbildung an der HTL für Obst- und Weinbau in Klosterneuburg erforderlich. Also wechselte ich nach Niederösterreich und maturierte dort auch. Nach dem Bundesheer sammelte ich Erfahrung bei namhaften Getränkeproduzenten wie »Pfanner« in Vorarlberg oder »YO-Fruchtsäfte« in Niederösterreich. Ein Jahr war ich dann auch in Stuttgart bei einem Obstverarbeitungsbetrieb tätig. 1984 habe ich die Lagerhaus-Obstabteilung übertragen bekommen und kehrte ins Lavanttal zurück.

»Lavanttaler Obst« gibt es aber schon länger, oder?
Als »Edelobst-Genossenschaft« wurde sie 1950 gegründet. Damals schufen 15 Lavanttaler Bauern einen Ort, um ihre Obsternte vermarkten zu können. 

Wie hat sich der Verband seither verändert?
Früher hat es gereicht, nur zu produzieren. Heute muss wesentliche Bedeutung auf den Verkauf und die Platzierung am Markt gelegt werden. Netzwerken, Kundennähe, Produktinformation und –qualität sind täglich gefragt. Seit 36 Jahren ist das mein Verantwortungsbereich. Früher war es ein Einmann-Betrieb. Heute sind wir ganzjährig sieben Mitarbeiter und 17 Beschäftigte in der Erntesaison. Massiv vermehrt hat sich damit die Büroarbeit mit Dokumentation und Überprüfungen in allen Arbeitsbereichen.  »Lavanttaler Obst« ist aber nach wie vor eine Abteilung des Lagerhauses Lavanttal.

Warum wurde dann eine eigene Marke gegründet?
Es war verkaufs- und marketingtechnisch sinnvoll, mit einer aussagestarken Wort-Bild-Marke am Markt aufzutreten.

Was genau bietet »Lavanttaler Obst«?
Unser Aufgabenbereich ist hohe Kompetenz rund um Apfel und Birne. Einkauf, Verkauf, Verarbeitung, Dienstleistung und Beratung. Wir legen besonderes Augenmerk auf die Wertschätzung der geernteten Früchte. Meine Mitarbeiter setzen  sehr hohe Standards professionell und gewissenhaft um. Gepflegte Kundenbeziehungen schaffen Vertrauen. Es gibt einen konsequent gegangenen Weg, gemeinsam mit der Geschäftsführung und den Eigentümervertretern des Lagerhauses Lavanttal.

Welche Produkte stehen im Sortiment?
Apfelmost, Apfelweine, Apfel- und Birnensäfte. Wobei wir diese Produkte immer wieder verbessert und neue Angebote geschaffen haben. So gibt es bei uns fertigen Glühmost, der nur noch erhitzt werden muss. Mittlerweile benötigen wird davon fast 100.000 Liter pro Jahr. Auch der Apfel-Zimt-Punsch ohne Alkohol ist ein Renner. Den haben wir mittlerweile  seit zwei Jahren im Sortiment.

Außerdem gibt es die Premiumsäfte, also sortenreine Fruchtsäfte und Apfelweine. Als Mischsaft-Innovationen schufen wir Apfel-Johannisbeer, Apfel-Orange und Apfel-Karottensaft.

Wo findet man Ihre Produkte?
Im Lavanttal eigentlich überall im Lebensmittelhandel. Kärntenweit sind wir auch in den Spar-Märkten sowie bei Merkur, Billa und in ADEG-Supermärkten vertreten vertreten. Daneben auch bei AGM, Metro, Legro, Lagerhaus.

Darüber hinaus vertreiben auch rund zehn Getränkegroßhändler unsere Säfte und Weine, und sie werden in über 100 Gastronomiebetrieben und Hotels angeboten.

Sie nehmen regelmäßig an Produktbewertungen teil. Welche Auszeichnungen haben Sie erhalten ?
Im Laufe der Jahre erhielten wir über 600 Auszeichnungen für unserer Produkte – darunter einen Alpe-Adria-Sieg bei Fruchtsaft, einen Landessieg für Apfelmost und den Goldenen Mostkrug. Die größte Auszeichnung sind für mich aber die regelmäßigen Bestellungen und das Vertrauen unserer Kunden.

Wie viele Tonnen Obst verarbeiten  Sie pro Jahr?
Das ist ganz unterschiedlich, denn die Ernte fällt ja nicht jedes Jahr gleich aus. Je nach Ernte zwischen 500.000 und drei Millionen Kilogramm. Wir haben einen Tankraum mit einem Volumen von 1,3 Millionen Liter. Und die größte Obstpresse Kärntens steht bei uns im Betrieb in St. Thomas.

Und ab wann läuft diese auf Hochtouren?
Es beginnt meist Anfang September mit den ersten Äpfeln und läuft bis Allerheiligen. Dann sind auch die Früchte aus Lagen um 1.000 Metern Seehöhe reif.

Welche Pläne gibt es für die Zukunft?
Wir wollen die hohen Standards und die Qualität bei der Produktion halten und weiterhin intensiv an der Kundenbindung arbeiten. Wir werden auch die gesellschaftlichen Veränderungen am Markt beobachten und darauf reagieren. Also beispielsweise schauen, ob die Packungsgrößen noch passen. Fix ist: Wir werden bei Glasflaschen bleiben. Außerdem wollen wir verstärkt ins Bewusstsein rücken, dass es bei uns im Lavanttal noch alte Streuobst-Sorten gibt, die sonst kaum noch zu finden sind. Das sind wahre Schätze. 

Der Klimawandel stellt für den Obstbau eine große Herausforderung dar. Wie haben Sie die Veränderungen gespürt?
Die Veränderungen in unserer Umwelt spüren wir enorm. Besonders in den vergangenen fünf bis zehn Jahren gab es vermehrt warme Winter, frühen Vegetationsbeginn und damit frühe Obstblüte. Das bedeutet hohe und lange Risikozeit für Frostschäden in den Obstkulturen und damit die Zerstörung einer Jahresernte. Auch die hohen Herbsttemperaturen verlangen eine sehr rasche Verarbeitung der Früchte, um Qualitätsminderung und Verderb zu verhindern. Es gilt vorbereitet zu sein und schnell das Richtige zu tun.

In diesem Jahr kommt die Coronakrise erschwerend hinzu. Was bedeutet das für die Genossenschaft?
Corona hat geschäftlich eine große Unsicherheit gebracht. Aber rückwirkend gesehen sind wir ohne Schaden durch diese Zeit gekommen. Es gingen keine Arbeitsplätze verloren und es gab kaum Umsatzeinbußen. Man hat gemerkt, dass in Krisenzeiten Qualität und handwerkliches Können besonders gefragt sind.

Und wie hat sich die Coronakrise auf Sie privat ausgewirkt?
Im privaten Bereich galt es, bewusst vorsichtig zu handeln, um gesund zu bleiben. Die Einschränkungen mit Mund-Nasen-Schutz und in der Reisefreiheit (wir haben zwei Enkelkinder in Dänemark) empfand ich als sehr herausfordernd.

Erzählen Sie uns ein wenig über Ihre Familie.
Ich empfinde es als großes Glück, die richtige Frau im Leben gefunden zu haben. Ich bin stolz auf unsere drei Kinder und ihre Partner, die beruflich in Dänemark, Wien und St. Veit sind. Das ist manchmal schwer, weil man sich selten sieht – besonders unsere Enkel Elias und Samuel in Dänemark. Aber manchmal auch schön, weil die Ferne es besonders und intensiv macht. Familie gibt mir Sinn und Kraft, sie ist ein Hafen, der einem Geborgenheit gibt. Zu Hause bewirtschaften wir einen Hof mit vielen Obstbäumen. Schnapsbrennen ist eine große Leidenschaft von mir. Ich liebe die Arbeit im Wald, bin irrsinnig gerne in den Bergen. Sie geben mir Ziele, Ruhe, Entspannung und Befriedigung. Ich tauche sehr gerne ein in Musik und Museen und tanze, leider nur mehr viel zu selten. Ich liebe es zu singen – besonders wenn meine Frau mit der zweiten Stimme einfällt. Und Reisen gibt mir einen enormen Blick auf andere Menschen und deren Lebensweise.

Was bedeutet das Lavanttal für Sie?
Das Lavanttal ist ein Ort, den ich als Jugendlicher früh und für viele Jahre verlassen habe, zu dem ich aber mit großer Freude zurückkehrte. Ich schätze die dörfliche Struktur und die Welt und Menschen um mich herum. Ich freue mich auf den Morgen,  schätze die Sicherheit des Tages und die Ruhe des Abends. Hier bin ich mit meiner Familie zu Hause.

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