Seit 1887 | Das unabhängige Wochenblatt für Unterkärnten

Reisender strandete nachts am Bahnhof St. Paul – Finsternis und kein Bus: ÖBB widersprechen Ausgabe 5 | Mittwoch, 31. Januar 2024

Der St. Pauler Adam Zellnig kam nach einer mehrmonatigen Reise um 21.12 Uhr am neuen Bahnhof an. Der war zwar hell erleuchtet, aber völlig verlassen – und es gab keine Möglichkeit, nach St. Paul zu kommen. Laut Bahn wäre aber 35 Minuten später ein Bus gefahren.

E-Mail

0 Kommentare

Meist gelesen

Unterkärntner Nachrichten Redakteur Horst Kakl Von Horst Kakl kaklno@spamunterkaerntner.at
Der neue Bahnhof in St. Paul, der im Dezember des Vorjahrs eröffnet wurde. Er wird künftig eine wichtige Rolle spielen, jetzt liegt er aber allein zwischen Äckern. Ein Reisender schildert, wie es ihm nach der nächtlichen Ankunft hier ergangen ist: mutterseelenallein, kein Bus, keine Information. Die ÖBB sagen, das sei so nicht richtig. Marco Staubmann

Artikel

St. Paul. Adam Zellnig ist ein vielgereister Mann. Was ihm aber kürzlich am nagelneuen Bahnhof St. Paul widerfahren ist, »habe ich noch nie erlebt«, sagt der 68-jährige Lavanttaler. Um es allerdings schon jetzt anzumerken: Die ÖBB vertreten eine ganze andere Ansicht.

Am Samstag, 20. Jänner, stieg Zellnig um 21.12 Uhr in St. Paul aus dem Zug. »Ich kam aus Marokko und hatte den fertigen Bahnhof zuvor noch nicht gesehen«, sagt er. Er rechnete mit dem üblichen Bild auf Bahnhöfen – zumindest einige weitere Reisende, vor der Türe Möglichkeiten für den Weitertransport. Doch das war ein Irrtum, wie der 68-Jährige beschreibt: »Ich war der Einzige, der mit diesem Zug angekommen ist. Der Bahnhof war hell erleuchtet, allerdings umgeben von Ackerland und völliger Finsternis – und ohne eine Menschenseele.«

»Was soll jemand, der hier fremd ist, tun, wenn er nachts am Bahnhof ankommt?«
Adam Zellnig, St. Pauler Vielreisender

Zellnig lebt in St. Paul, seine Tochter hatte an diesem Tag eine private Verpflichtung und konnte ihn nicht abholen. Der Pensionist, der jedes Jahr mehrere Monate lang die Welt erkundet, übte sich also in Geduld und wartete auf ein Shuttle, das ihn in den etwa 2,5 Kilometer entfernten Ortskern bringen sollte. Vergeblich. 

»Es kam nichts«, sagt der Lavanttaler. »Dann habe ich mich im Bahnhof umgesehen, ob irgendwo Informationen ausgehängt sind, wie man weiterkommen kann, mit einem Shuttle oder einem Taxi. Ich habe nichts gefunden und gedacht: Das gibt es doch nicht.«

Auf Knien

Im Freien entdeckte er einen Plakatständer mit dem Postbus-Fahrplan. Der war erstens so tief angebracht, dass Zellnig auf die Knie gehen musste, um ihn zu lesen, zweitens konnte er darauf keine geeignete Verbindung entdecken. »Auch an den Haltestellen fand ich keine Informationen zu einem Shuttle-Fahrplan«, sagt er. 

Schließlich fügte er sich ins Unvermeidliche, packte seinen Koffer und machte sich zu Fuß auf den Heimweg. Kein angenehmes Unterfangen bei minus 12 Grad.  Speziell dann, wenn man aus Breiten mit 30 Grad plus kommt. Und: »Ich habe geschotterte Nebenwege genutzt, denn auf der dunklen Hauptstraße zu gehen war mir zu gefährlich. Gott sei dank hat mein Koffer große Rollen.« Nach 25 Minuten war Zellnig am Ziel.

»Ich habe gehört, dass es auch anderen so ergangen ist. Die sollen aber mit ihren Koffern 45 Minuten bis nach St. Paul gebraucht haben«, sagt der 68-Jährige, der bereits weite Teile Asiens und andere exotische Erdteile bereist hat.

Laut ihm ist die derzeitige Situation um den neuen St. Pauler Bahnhof »verrückt«: »Da wird diese Anlage mit Millionen-Aufwand gebaut – und rundherum gibt es nichts. Aber man könnte die Fahrgäste doch informieren, wie sie von dort weiterkommen. Wenigstens einen Zettel mit der Nummer eines Taxiunternehmens könnte man aufpicken. Was soll jemand, der hier fremd ist und sich nicht auskennt, tun, wenn er nachts ankommt? Von dort aus sieht man den Ort St. Paul nicht einmal.« 

Immerhin: Der Lavanttaler berichtet von einer auch nachts geöffneten Bahnhofstoilette: »Aber wenn man keine 50-Cent-Münze zum Einwerfen hat, bleibt einem diese Tür verschlossen.«

Die Bahn widerspricht

ÖBB-Sprecher Herbert Hofer widerspricht Zellnig in (fast) allen Punkten. »Wir haben einen perfekten Mobilitätsplan entwickelt: An diesem Tag wäre 35 Minuten später ein Bus nach St. Paul gefahren«, so der Sprecher. Denn jeder ankommende Zug habe binnen vier Minuten einen Busanschluss. »Nur bei diesem einen Zug, der um 21.12 Uhr ankommt, dauert es 35 Minuten, weil auf den Zug aus Klagenfurt, der etwas später eintrifft, gewartet wird«, sagt Hofer.

Um zu prüfen, ob im Bahnhof keine Informationen über den Weitertransport ausgehängt seien, schickte der ÖBB-Sprecher einen Mitarbeiter nach St. Paul. Dann: »Alles in Ordnung, es gibt Pläne für die Postbus-Anbindung. Und auf Kniehöhe befinden sie sich nicht«, so Hofer. Außerdem sei es auch möglich, sich via Internet über die ÖBB-App zu informieren.

Auf die Frage, warum sich nachts kein Personal am Bahnhof befindet, obwohl St. Paul eine wichtige Position im Netz spielt, sagt er: »Jetzt wird dieser Bahnhof mit Nahverkehrszügen bedient, er spielt noch keine große Rolle. Wenn die Züge ab 2025 bis Graz fahren, wird sich das aber ändern. Und mit dem Österreich-Takt ab 2028, wenn der Semmering-Tunnel eröffnet ist, wird dieser Bahnhof sehr wichtig sein.« Hofer sagt auch zu, dass sich »alles weiter verbessern wird. Alles wird eingetaktet, bis zur letzten Meile.«

0 Kommentare Kommentieren

Keine Kommentare gefunden!

Liebe Leserinnen und Leser, in diesem Kommentarbereich prüfen wir alle Beiträge, bevor sie veröffentlicht werden. Ihr Kommentar erscheint, sobald er gesichtet wurde.

Bitte melden Sie sich an, um die Beiträge zu lesen oder zu kommentieren.AnmeldenHier Registrieren