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Wolfsberg. Um Erlaubnis hat er niemanden gebeten. »Man darf nicht viel fragen, sondern muss einfach machen.« Das sagt der 66-jährige Holger Schilling, als er auf dem Grünstreifen vor dem XXXLutz-Markt in Wolfsberg den kleinen Baum aufrichtet. Der liegt seit Wochen umgeknickt neben der Packer Straße, »und keiner schert sich darum«, so Schilling.
Der gebürtige Deutsche, der bereits seit 2008 im Lavanttal lebt, besitzt eine enge Bindung zur Natur. So hat der Forstingenieur bei der Errichtung des zertifizierten »klimafitten Waldes« der Landwirtschaftlichen Fachschule Buchhof (LFS) die forstliche Betreuung des Projekts übernommen. Auch beim »Klima-Arboretum« unterstützte Schilling die Landwirtschaftliche Fachschule.
»Es zipfte mich an«
Auch darum »zipfte es mich jedes Mal, wenn ich vorbeifuhr, an«, wie er sagt, dass sich niemand um das Bäumchen kümmerte. Es liegt schon seit etwa zwei Monaten in der Wiese, denn die Blätter und Äste haben sich mittlerweile gegen den Himmel ausgerichtet. Knapp über dem Boden entwickelte die Pflanze einen Nottrieb, um irgendwie weiterleben zu können. »Ich habe gewartet, dass etwas geschieht«, sagt Schilling, »aber das war nicht der Fall. Jetzt habe ich mich entschlossen, es selbst zu machen – als einer, der seiner Umgebung verpflichtet ist. Ich erkläre mich für zuständig.«
»Jetzt habe ich mich entschlossen, es selbst zu machen. Ich erkläre mich für zuständig«
Holger Schilling, Forstingenieur
Also rückt der 66-Jährige, der den Stroneggerhof in Rieding betreibt, in der Vorwoche mit Gartenschere und einer kleinen Axt aus, um dem Baum zu helfen. Ohne große Umstände befreit er den Stamm von den Plastikbändern, die ihn an das ebenfalls umgefallene Haltegerüst »fesselten«. Währen der Redakteur der Unterkärntner Nachrichten Fotos schießt, klopft Schilling einen kleinen Pfahl in den Boden, biegt den Stamm gerade und befestigte ihn mit dem mitgebrachten Pflanzenband an der neuen Stütze. Nach fünf Minuten Arbeit ist der Baum gerettet. »Er wird wieder eine Krone bilden«, meint Schilling, während er das alte Gerüst zur Seite räumt: »Ich werde auf ihn weiter ein Auge haben und – falls es nötig ist – für einen stärkeren Halt sorgen. Denn ich bin Teil dieser Gemeinde und Teil dieser Welt. Man soll hinschauen und anpacken.«
Der junge Baum ist übrigens nicht von selbst umgefallen, er wurde umgetreten. Auf den Unbekannten, der für diesen Vandalismusakt verantwortlich ist, ist der Forstingenieur schlecht zu sprechen. »Jemand hat hier seinen Frust abgeladen, völlig sinnlos«, kommentiert der 66-Jährige – und der Zorn darüber ist ihm anzuhören.
Keine Rettung mehr
Für den Baum daneben kommt dagegen jeder Rettungsversuch zu spät: Auch er wurde »Opfer« eines Wutausbruchs, der Stamm ist in zwei Teile gebrochen, die Pflanze hat alle Blätter verloren und ist tot. Der Anblick des gebliebenen »leeren Besens« ist nicht schön.
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