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Klagenfurt, Lavanttal. Es war ein juristischer »Warnschuss« für die beiden Jugendlichen – und an die junge Generation generell: Vor dem Landesgericht Klagenfurt mussten sich zwei Lavanttaler, 14 und 16 Jahre alt, wegen Nötigung und gefährlicher Drohung verantworten. Kein Lercherl, denn die Strafdrohung beträgt bei diesen Delikten bis zu einem, bzw. bis zu drei Jahren Gefängnis. Entsprechend kleinlaut traten die Burschen vor Richter Uwe Dumpelnik.
Laut Anklageschrift wurden ihnen vorgeworfen, im März einen Zwölfjährigen traktiert zu haben. Der sei gezwungen worden, Schuhe zu küssen – »als Nötigungsmittel soll neben körperlicher Gewalt ein Messer verwendet worden sein«, hieß es in der Verhandlungsankündigung.
»Was machen wir jetzt mit Ihnen? Gefängnis?«
Richter Uwe Dumpelnik zum 14-jährigen Angeklagten
Im Prozess ging Dumpelnik behutsam mit den Angeklagten um. Erst nahm er sich mit sanfter Stimme den 14-Jährigen vor. Der schmächtig wirkende Bub gab alles zu und meinte, es wäre nicht richtig gewesen, was er getan habe. »Warum haben Sie das Messer herausgeholt?« fragte der Richter. »Ich habe mit provoziert gefühlt«, lautete die Antwort. Darauf Dumpelnik: »Das geht nicht, da müssen wir etwas tun, ihr müsst verstehen, dass das falsch ist.«
Danach war der 16-Jährige an der Reihe: Kein Leichtgewicht, von Größe und Körperbau ein Erwachsener, in seinem Gebaren aber linkisch und kindlich. Nichtsdestotrotz versuchte er, sich in ein mustergültiges Bild zu rücken und seine Begegnung mit dem zwölfjährigen Opfer als »Bereinigungsgespräch« darzustellen: »Ich wollte mit ihm reden und ging mit ihm einen Weg entlang.« Als andere Jugendliche hinter ihnen Lärm veranstalteten, habe er sie zum Aufhören aufgefordert: »Ich habe gerufen, da wohnen Leute, die wollen ihre Ruhe haben.« Währenddessen sei der Zwölfjährige verschwunden.
Ein Messer? Nein, nie, ein Messer habe er im Gespräch keineswegs gezogen, sagte der 16-Jährige – und blieb auch auf eindringliche Nachfrage des Richters dabei. Immerhin sei er von der Polizei durchsucht worden – ein Messer wurde nicht gefunden. Dumpelnik machte ihn darauf aufmerksam, dass mehrere Zeugen das Gegenteil ausgesagt hätten. Darauf holte der Bursche einen klappbaren Kamm aus der Tasche, ließ ihn aufschnappen und meinte: »Vielleicht haben sie gedacht, mein Kamm ist ein Messer.«
Dumpelnik befragte auch den Zwölfjährigen. Der schilderte, wie der 16-Jährige während des Gehen seine Bauchtasche geöffnet und ein Messer hervorgeholt habe. »Ich habe ihn gebeten, es wegzutun«, so der Zeuge, worauf der Angeklagte den Gegenstand tatsächlich wieder verschwinden ließ. Der Richter forderte den Burschen auf, nochmals seinen Kamm zu zeigen, der Zwölfjährige starrte darauf, ohne dem Besitzer in die Augen zu sehen. »Nein«, sagte er, »ich erkenne den Kamm nicht wieder.« Der Gegenstand, den der 16-Jährige im März gezogen hätte, sei länger gewesen ... Als die Befragung beendet war, verließen er und seine Mutter schnell den Saal.
Gemeinnützige Arbeit
Dumpelnik wandte sich nun zur Urteilsfindung an den 14-Jährigen: »Was machen wir mit Ihnen? Gefängnis?« »Das wollen wir nicht«, antwortete rasch dessen Verteidigerin, als der Angeklagte sprachlos blieb. Der Richter bot ihm darauf eine Diversion an: 30 Stunden gemeinnützige Arbeit binnen sechs Monaten. Wenn er sie ableistet, wird das Verfahren eingestellt, eine Vorstrafe, die die Lehrstellensuche und sein weiteres Leben belasten würde, bliebe ihm erspart. Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft stimmten zu. »Diese Chance gibt es nur einmal«, mahnte Dumpelnik, »tut die Messer weg, das brauchen wir nicht.«
Der 16-Jährige erhielt einen Freispruch. »Ich glaube Ihnen, dass es kein Messer, sondern ein Kamm war«, begründete der Richter die Entscheidung, »aber auch der Zeuge war glaubhaft. Entscheidend ist, dass Sie den Gegenstand nicht gegen den Zwölfjährigen gerichtet und ihn weggesteckt haben, als er sie dazu aufforderte. Wenn Sie das nicht getan hätten, hätte ich Sie verurteilt.« Nach einer weiteren eindringlichen Warnung, der 16-Jährige sei jetzt polizeibekannt und dürfe sich nichts mehr erlauben, endete die Verhandlung. Der Freispruch ist rechtskräftig.
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