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Laut dem Alpenverein haben Sie als erster Lavanttaler den Mount Everest bezwungen und waren auf dem Gipfel auf 8.848 Metern Höhe. Was ist das für ein Gefühl?
Ich habe es erst viel später realisiert. Der Aufstieg vom letzten Zwischenlager und der anschließende Abstieg zu Camp 2 haben fast 24 Stunden gedauert. Erst nach und nach habe ich verarbeiten können, was ich eigentlich gemacht habe. Dass ich wohl der erste Lavanttaler am Gipfel war, habe ich erst zuhause erfahren.
War es immer schon Ihr Traum, den Mount Everest zu erklimmen?
Nein, eigentlich nicht. Ich habe mich aber immer mehr damit befasst, und dann hat es sich ergeben, dass ich im November des Vorjahrs beschlossen habe, es zu versuchen. Ich bin heuer im Jänner 60 Jahre alt geworden, und zu meinem 60er wollte ich schließlich auf den Mount Everest. 2019 wollte ich mit einer Gruppe den Cho-Oyu, einen Nebenberg des Mount Everest mit rund 8.200 Metern Höhe, besteigen. Auf 7.000 Metern mussten wir aufgrund eines Todesfalls durch einen Sturz in eine Gletscherspalte abbrechen.
Wie haben Sie sich auf die Besteigung des Everest vorbereitet?
Auf zwei Arten. Ich bin von Maildorf mit einem 25 Kilo schweren Rucksack und schweren Bergschuhen 14 Mal auf die Koralpe gewandert. Parallel dazu habe ich den Sauerstoffmangel simuliert. Mittels Generator wird in einer Art Zelt, das über den Oberkörper gestülpt wird, der Sauerstoff schrittweise auf bis zu 40 Prozent reduziert. Damit lässt sich die Höhenluft simulieren und es war schließlich auch ausschlaggebend dafür, dass der Aufstieg in nur wenigen Tagen möglich war.
Was waren dabei die größten Herausforderungen?
Es gab beim Aufstieg keine Probleme. Man wird von einer Gruppe internationaler Leute begleitet, die teilweise sehr langsam gegangen sind. Das hat mich etwas gebremst, denn ich wäre sicher ein höheres Tempo gegangen, aber vermutlich auch schneller müde geworden. Bis zum Südgipfel habe ich zwei Liter Sauerstoff pro Minute verbraucht, danach drei Liter pro Minute. Wir mussten nur einmal den Sauerstoff wechseln, hätten viel mehr mitgehabt, der aber nicht benötigt wurde.
Bei Ihrem Aufstieg haben Sie auch Leichen von Personen gesehen, die es nicht geschafft haben. Was löst das in einem aus?
Wir haben zwei Leichen beim Aufstieg gesehen, an einer sind wir unmittelbar vorbeigegangen. Der Bergsteiger ist vermutlich an Sauerstoffknappheit verstorben. Wenn die Sherpas für den Abtransport nicht bezahlt werden, bleiben die Körper liegen, und wenn du an der Stelle abrutscht, liegst du direkt neben der Leiche. Da realisiert man, dass es nicht ungefährlich ist, was man gerade macht. Man darf nur nicht in Panik geraten. Aber es ist natürlich auch nervlich nicht die angenehmste Situation.
Wie lange waren Sie am Gipfel und was ging Ihnen am höchsten Punkt der Welt durch den Kopf?
Ich war maximal 20 Minuten oben. Wir hatten enormes Glück mit dem Wetter. Es hatte nur minus 18 Grad und der Wind betrug 30 km/h. Oben angekommen habe ich sofort Richtung Tibet geschaut, leider aber nur hervorstehende Bergspitzen und Wolken gesehen. Richtung Nepal habe ich auf das Camp 2 gesehen, wo wir bei unserem Aufstieg Halt gemacht haben.
Haben Sie ein Andenken an den Gipfel mitgenommen?
Ich wollte einen Stein mitnehmen, habe aber in der Euphorie total darauf vergessen.
Gab es beim Abstieg Komplikationen?
Es gab keine große Unsicherheit. Gefährlich sind allerdings die anderen Aufsteiger. Der Grat ist teilweise sehr schmal, und wenn man an einer anderen Person vorbei muss, muss man das Sicherungsseil loslassen. Wenn du abrutscht, bist du schneller im Camp 2 als du möchtest.
Beschreiben Sie kurz den Verlauf der Reise.
Ich bin am 25. April in Wien abgeflogen und war am 26. April in Kathmandu in Nepal. Unsere Gruppe bestand aus insgesamt zwölf Personen, und bereits am nächsten Tag um fünf Uhr morgens trafen wir uns in der Lobby des Hotels. Eine halbe Stunde später ging es mit dem Helikopter in den Ort Kothe und von dort auf den Berg Mera Peak, der als Akklimatisationsberg genutzt wird. Auf über 6.000 Metern Höhe haben wir drei Nächte geschlafen, daran muss man sich erst gewöhnen. Aber die Akklimatisierung hat sehr gut funktioniert, niemand hat beim späteren Aufstieg Kopfschmerzen oder andere Beschwerden bekommen.
Danach ging es mit dem Heli ins Basislager, das Everest Base Camp, auf 5.300 Metern Höhe. Hier absolvierten alle Teilnehmer einen zweitägigen Kurs im Steileisklettern, bei dem wir das senkrechte Aufsteigen und Abseilen auf Eis geübt haben. Das konnte vorher keiner wirklich. Auch das Leiterklettern über Gletscherspalten wurde hier geübt. Zwei Tage später gingen wir um Mitternacht Richtung Camp 1.
Warum um Mitternacht?
Man kann nur gehen, wenn es am kältesten ist, da dann das Risiko für Eisstürze am geringsten ist. Natürlich kann auch in der Nacht etwas passieren, das kann man nicht berechnen. Eisbruch ist weit gefährlicher als er medial dargestellt wird. Wenn du rechts und links Wände hast und der Eisbruch dich von oben erwischt, bist du chancenlos.
Wie ging es mit dem Aufstieg weiter?
Nachdem wir Camp 1 auf 6.100 Metern erreicht hatten, gab es einen Erholungstag. Anschließend ging es zu Camp 2 auf 6.400 Meter im sogenannten Tal der Stille. Das Tal ist von drei Achttausendern umgeben, deswegen gibt es dort kaum Wind, es ist sehr warm und still. Dann blickst du auf die Wand vor dir und weißt, dass du dort hinauf gehen wirst. Camp 3 auf 7.300 Metern befindet sich in der Lohtsewand. Es ist ein eigenartiges Lager mit wenig Platz. Wenn du in der Nacht aufs Klo musst, dann geht das nur mit Eispickel und Steigeisen. Um drei Uhr morgens gingen wir zu Camp 4 auf 8.000 Meter, um 21 Uhr weiter Richtung Gipfel. Ich schätze, an diesem Tag waren rund 100 Personen unterwegs zur Spitze. Nach der ersten Etappe bis zum »Balcony« auf 8.400 Meter scheiden die ersten Geher aus. Bei der zweiten Etappe über den Südgipfel und den »Hilary Step« sieht man, was man aus den Medien kennt. Da habe ich das erste Mal realisiert, dass mich nichts mehr abhält. Vorher sieht man nur Felsen und Eis, aber ab diesem Zeitpunkt weißt du, dass du fast oben bist. Am 13. Mai kurz nach 7 Uhr morgens war ich dann am Gipfel – es war ein erhebendes Gefühl. Am Donnerstag, 19. Mai, war ich wieder in Österreich und einen Tag später wieder im Büro. Ich hatte leichten Schwindel und denke, dass der vom Jetlag ausging.
Werden Sie in Zukunft einen weiteren Achttausender besteigen?
Höhenmäßig lässt es sich ja nicht mehr steigern, aber in drei Jahren möchte ich im Karakorum-Gebirge in Pakistan den Broad Peak erklimmen. Aber aktuell sind mir die Unsicherheiten in Pakistan durch die Taliban noch zu groß.
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