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Tragische Familiengeschichte in BuchformAusgabe | Mittwoch, 5. Juni 2019

Anna Wurm-Olip (75) aus Srejach wurde 1943 im Strafgefangenenlager Aichach in Deutschland geboren. Nun hat sie ihre tragische Familiengeschichte zu Papier gebracht. Das Buch wird am 15. Juni präsentiert.

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St. Kanzian. Nur knapp 1,2 Kilo wog Anna Wurm-Olip bei ihrer Geburt, ihre Mutter zu diesem Zeitpunkt nur mehr 40 Kilo. Es war der 14. Juli 1943, als Wurm-Olip im Strafgefangenenlager Aichach das Licht der Welt erblickte und sofort als »nicht lebensfähig« abgestempelt und in einem Pappkarton abgelegt wurde. Diese Geschichte hörte die heute 75-Jährige als Jugendliche oft, wenn ihre Mutter mit ihren Schwestern darüber sprach. So fing Wurm-Olip bereits vor 60 Jahren mit der Ahnenforschung an und erarbeitete sich außerdem eine umfangreiche Chronik über ihren Heimatort Ebriach in der Gemeinde Eisenkappel-Vellach.

Familiengeschichte im Krieg

Ihre Eltern waren Kärntner Slowenen und kamen von Zell-Pfarre nach Ebriach, wo sie einen Bauernhof bewirtschafteten. Mit ihren sieben Kindern lebten sie dort, bis ihnen vorgeworfen wurde, mit den Partisanen zu kooperieren, was aber nicht stimmte. »Meine Eltern mussten ihnen Essen geben, wenn sie nachts an die Fenster klopften. Sonst hätten sie sie erschossen«, erklärt Wurm-Olip. Ihre Eltern kamen nach Klagenfurt, die Kinder blieben alleine am Hof zurück, der jüngste war gerade einmal fünf Jahre alt. Der Vater wurde, weil er sich vor Gericht vor den Anschuldigungen verteidigte, von der Gendarmerie so brutal zusammengeschlagen, dass er daraufhin verstarb.

Medizinische Versuche 

Die Mutter wurde, obwohl sie mit Anna schwanger war, ins Strafgefangenenlager Aichach in Nordbayern deportiert. Als »nicht lebensfähiges« Baby wurden an Anna dort medizinische Versuche von der SS durchgeführt. Narben an ihren Armen hat Wurm-Olip heute noch davon. »Frauen, die in Aichach Kinder zur Welt brachten, wussten, dass diese dort nicht lebend herauskommen würden. Kinder waren nicht erwünscht«, so Wurm-Olip. Nicht umsonst trägt ihr Buch den Titel »Mein Leben begann an einem Ort des Todes«. Dem Mut ihrer Tante und einer Freundin hat Wurm-Olip es zu verdanken, dass sie aus dem Strafgefangenenlager geschmuggelt werden konnte. Sie schafften es mit dem Baby zurück nach Unterkärnten, wo sie bei einer anderen Tante in Ferlach bis zum Kriegsende aufgepäppelt wurde.

Nach dem Krieg kam auch ihre Mutter nach einem sechswöchigen Fußmarsch zurück auf den Bauernhof in Ebriach. Heute leben von den einst acht Geschwistern noch drei und der Bauernhof befindet sich nach wie vor in Familienbesitz.

Wurm-Olips Werdegang

Das »nicht lebensfähige« Baby Anna Wurm-Olip absolvierte die Matura und arbeitete als Volksschullehrerin. Seit über 50 Jahren ist sie mit Willibald verheiratet, der eine Fleischerei in Bad Eisenkappel betrieb, in der sie bis zur Pension mitarbeitete. Heute genießen sie die Zeit mit ihren drei Enkeln.

Warum das Buch gerade jetzt erscheint? »Vor 20 oder 30 Jahren hätte ich mich noch nicht getraut, es zu veröffentlichen. Man hat früher über Themen wie Aussiedlung nicht gesprochen«, sagt Wurm-Olip, »außerdem war früher der Sprachenkonflikt noch wesentlich präsenter.« Ihr Buch ist ihre Autobiografie und soll der Aufklärung dienen: »Die Jugend darf die Gräuel der NS-Zeit nicht vergessen.« Das Buch erscheint in einer zweisprachigen Ausgabe und ist mit Bildmaterial aus Wurm-Olips persönlichem Archiv ergänzt. Auch selbst verfasste Gedichte kommen darin vor.

Erstmals präsentiert wird die Autobiografie am 15. Juni im Bildungshaus Sodalitas in Tainach (Details siehe Info-Box). Weitere Lesungen, wie etwa in Wurm-Olips Heimatort Ebriach, sind geplant.

Buchpräsentation »Mein Leben begann an einem Ort des Todes«

Wann: Samstag, 15. Juni 2019.

Wo: Bildungshaus Sodalitas in Tainach.

Beginn: 19.30 Uhr.

Gesangliche Umrahmung: Männerchor Vinko Poljanec.

Das Buch ist erhältlich bei der Lesung, in den Posojilnica Banken in Eberndorf und Bad Eisenkappel und in der Bücherei Hermagoras in Klagenfurt.

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