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Rudolf Likar: »Wir haben genug Betten, aber das fehlende Pflegepersonal ist unsere Achillesferse«Ausgabe 46 | Mittwoch, 17. November 2021

In seinem Vortrag berichtete der Kärntner Mediziner über die aktuelle Corona-Situation. Er spricht sich klar gegen einen Lockdown aus und gab Einblick in die aktuelle Lage in den Spitälern. Laut ihm gelte es, eine Durchimpfungsrate von 80 Prozent zu erreichen.

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Wolfsberg. Corona beschäftigt die Gesellschaft so stark wie nie zuvor. Das Diskussionspotenzial zwischen Geimpften und Ungeimpften steigt immer weiter. Um die Bürger über die aktuelle Situation in Kärnten zu informieren, veranstaltete die Team Santé Barbara Apotheke am vergangenen Mittwoch, 10. November, im Lehrsaal des Roten Kreuzes in Wolfsberg einen Vortrag mit anschließender Diskussionsrunde zum Thema »Ende der Pandemie?!«. Als Vortragender stand Primar Rudolf Likar, Vorstand der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt und am LKH Wolfsberg den Besuchern Rede und Antwort.

Unter Einhaltung der 2G-Regel begrüßte Thomas Kunauer die Teilnehmer: »Es ist ein heißes Thema, die gesellschaftliche Spaltung wird immer größer. Wenn es um die persönliche Gesundheit geht, fahren sich die Meinungen fest.« Primar Likar begann mit einer Aussage, die vielen im Hinterkopf schlummerte, aber niemand hören will: »Covid-19 ist eine ernstzunehmende Erkrankung und sie können sich sicher sein, dass die nächste Variante kommt.«

Für Likar ist der einzige Weg aus der Pandemie die Erhöhung der Durchimpfungsrate. »In Spanien sind 80 Prozent der Bevölkerung vollimmunisiert. Die Inzidenz liegt dort bei 32. In Portugal sind ebenfalls rund 80 Prozent vollimmunisiert, die Inzidenz liegt bei knapp 70. Beide Länder sind damit weit weg von einer Inzidenz von 600, wie wir sie in Österreich heute haben«, erklärte der Intensivmediziner.

20 Tage auf der Intensivstation
Ein großes Problem ist für Likar die Situation auf den Kärntner Intensivstationen: »Ein Covid-Patient befindet sich durchschnittlich 20 Tage auf der Intensivstation, ein Nicht-Covid-Patient fünf Tage. In Klagenfurt gab es heute noch ein freies Intensivbett. Die persönliche Freiheit hört da auf, wo das Grundrecht des anderen geschädigt wird.«

Die Situation auf den Kärntner Intensivstationen sah laut dem Primar wie folgt aus: 80 Prozent der Covid-Patenten sind ungeimpft, die Sterberate liegt bei 30 Prozent. »Jeder dritte Patient verlässt die Intensiv über die Pathologie. Jeder hat das Recht sich nicht zu impfen, aber dann hat er auch das Recht zu sterben«, so Likar. Zur Impfung hat er eine klare Meinung: »Es sollte längst bekannt sein, dass man sich auch mit der Impfung infizieren kann, aber schwere Verläufe lassen sich vermeiden. Aber natürlich kann eine Impfung nur greifen, wenn ich ein gutes Immunsystem habe.«

2G für die Gastro
Über Menschen, die sich jetzt impfen lassen, nur um in einen Gastro-Betrieb gehen zu können, hat Likar eine klare Meinung: »Plötzlich ist die Bereitschaft zum Impfen da, aber wenn die Intelligenz vom Alkohol abhängt, haben wir ein Problem.«

Für den Mediziner wird die aktuelle Situation noch über den Winter weitergehen: »Es wurde versäumt in die Gemeinden zu gehen und das Thema Impfen von unten aufzuziehen. Die Wissenschaft ist natürlich hinten nach, aber man muss ihr auch die Chance geben zu lernen. Wir haben jetzt keine großen Infektionsherde mehr in Pflegeheimen, wie es früher der Fall war. Wir wissen, dass wir jetzt eine dritte Impfung für die Immunisierung brauchen, vielleicht wird es eine vierte Impfung benötigen, das wissen wir noch nicht. Aber die Wissenschaft reagiert rechtzeitig.«

»Dass wir Operationen verschieben müssen, belastet mich, aber einen Ungeimpften nicht«
Rudolf Likar, Intensivmediziner

Für Likar gehe es darum, das eigene Immunsystem zu stärken. »Gesundheit ist nicht nur körperliches, sondern auch psychisches und soziales Wohlbefinden. Richtige Ernährung, ausreichend schlafen, Vitamine und Bewegung gehören dazu. Das machen aber viele nicht. Nur darüber spricht keiner, das werfe ich der Regierung vor.« Ein weiterer Lockdown kommt für den Mediziner nicht in Frage: »Ich bin absolut gegen einen weiteren Lockdown. Der fördert nur die Aggressionen der Menschen.«

Als Intensivkoordinator muss Likar täglich Patienten quer durch Kärnten verlegen um Kapazitäten zu schaffen: »Sie können mir glauben, das ist sehr belastend.«

Gesellschaft der Narzissten
»Wir sind leider eine Gesellschaft der Narzissten und nicht der Solidarität. Wenn ihr auf der Intensivstation sein würdet, würde euch das sehr traurig stimmen«, so Likar zu den Zuhörern. Seiner Meinung nach helfe es auch nicht, täglich die Fall-Zahlen zu veröffentlichen: »Die Leute glauben, sie sind nicht krank obwohl sie nicht geimpft sind, aber dass wir Patienten mit einer Herz-OP nicht operieren können, weil wir keinen Platz haben, belastet mich, aber einen Ungeimpften nicht.«

»Wir schaffen das nicht mehr«
Zur Situation in den Spitälern meinte Likar: »Wir haben in Kärnten ein gutes Versorgungssystem. Aber die Leute sollen nicht bei den ersten Symptomen ins Krankenhaus kommen. Wir schaffen das nicht mehr. Wir haben zwar genug Betten, aber das fehlende Pflegepersonal ist unsere Achillesferse.« Seine abschließende Botschaft: »Wenigstens die Hochrisikogruppen sollten sich impfen lassen. Adipositas zieht sich wie ein roter Faden durch die Stationen.«

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