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Prozess nach Messerstich in Unterbauch: Opfer verärgerte den Richter, Täter kommt in AnstaltAusgabe 44 | Mittwoch, 28. Oktober 2020

Wolfsberger hatte Nachbarn im Vorjahr schwer verletzt. Am Landesgericht konnte der 56-Jährige nicht sagen, was ihm passiert war – Korsakow-Syndrom. Die Geschworenen stimmten gegen Mordversuch und erkannten auf absichtliche schwere Körperverletzung.

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Wolfsberg, Klagenfurt. Man soll über Opfer nichts Schlechtes schreiben. Aber der Auftritt, den ein 56-Jähriger am Landesgericht Klagenfurt aufs Parkett legte, hatte Kabarettcharakter – wenn auch unfreiwilligen. Denn der Wolfsberger, der im Vorjahr in einem Gebäude in der Herbertstraße niedergestochen und schwer verletzt worden war, leidet aufgrund jahrelangen Alkoholmissbrauchs am Korsakow-Syndrom. Das heißt, sein Gedächtnis funktioniert nicht mehr und er ist sich nicht immer bewusst, wo er sich gerade befindet.

So auch am Freitag, 23. Oktober, vor Richter Gerhard Pöllinger-Sorré und den Geschworenen. Dort wurde zum zweiten Mal gegen einen 45-jährigen Pensionisten aus der Bezirkshauptstadt verhandelt, der des versuchten Mordes beschuldigt war. Er hatte seinem damaligen Nachbarn, jenem genannten 56-Jährigen, am Morgen des 3. April 2019 ein Messer in den Unterbauch gerammt. Das Opfer hatte die an den Pensionisten adressierte Waffe kurz vorher noch selbst von einem Postmitarbeiter in Empfang genommen und dem Angeklagten übergeben.

Nur: An all das scheint sich der Mann nicht zu erinnern. Zwei Polizisten geleiteten den 56-Jährigen, der bei der ersten Verhandlung nicht aufgetaucht war, zum Landesgericht, wo er, beide Hände in den Taschen, in den Saal marschierte. »Hände aus dem Sack«, donnerte Pöllinger-Sorré. Nachdem sich das Opfer ungezwungen auf den Zeugensessel drapiert hatte, als säße er am Stammtisch, begannen die Probleme. »Kennen Sie Herrn X?«, fragt der Richter und nannte den Namen des Angeklagten. »Was für einen X?«, erwiderte der Zeuge. »Der hinter Ihnen sitzt«, sagte Pöllinger-Sorré, hörbar genervt. »Ja, der hat mir reingestochen«, so die Antwort. Es waren seine letzten einigermaßen vernünftigen Worte. Der Mann war weder mit gutem Zureden noch mit Drohungen, eine Ordnungsstrafe auszusprechen, zu einer brauchbaren Aussage zu bewegen.

Die Befragung wurde schließlich abgebrochen, der gerichtspsychiatrische Gutachter Peter Hofmann erläuterte den bedenklichen Gesundheitszustand des Zeugen, der sich nie wieder bessern werde. Während dieser Ausführungen starrte der 56-Jährige teilnahmslos zu Boden und rieb den Handrücken an seinem Hosenbein. Nachdem er entlassen worden war, verließ er taumelnd das Gericht.

Der Richter verlas das Protokoll der Aussage, die der Mann nach der Tat vor der Polizei gemacht hatte. Demnach sei der Angeklagte an jenem Morgen mit dem eben erhaltenen Messer auf ihn zugekommen. Als das spätere Opfer ihn aufforderte, es wegzulegen, kam es zum Gerangel und dem sieben Zentimeter tiefen Messerstich, der mehrere kleinere Arterien im Bauchraum öffnete. 

Im ersten Prozess hatte der Angeklagte – wie berichtet – eine andere Version zum Besten gegeben. Er habe in seinem Zimmer Radionachrichten hören wollen. Als sein Nachbar ihn dabei störte, sei es zu Handgreiflichkeiten und zum Messerstich gekommen, mit dem er sich nur habe »wehren« wollen. Ein Unfall, ein »blödes Unglück«.

Auch Tötungsdelikt möglich

Wieder wurde Hofmann das Wort erteilt. Er erläuterte den Geschworenen, dass der Angeklagte nach einem vor Jahrzehnten erlittenen Schädel-Hirn-Trauma an Schizophrenie, Epilepsie und Schäden aufgrund seines Alkoholismus’ leide. 27 Mal sei er nach Aggressivitäten in die Psychiatrie eingewiesen worden. Bei der jetzigen Tat, bei der der Wolfsberger rund 1,7 Promille im Blut hatte, sei er nicht zurechnungsfähig gewesen. Hofmann empfahl die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher: »Sonst wird er wieder strafbare Handlungen mit schweren Folgen setzen, auch ein Tötungsdelikt ist möglich.«

Staatsanwältin Doris Kugler sprach in ihrem Schlussplädoyer von einem Mordversuch, der mit »erdrückenden Beweisen« untermauert sei. Der 45-Jährige habe »ohne Vorwarnung« zugestochen – »und wer in den Unterbauch sticht, nimmt den Tod des Opfers billigend in Kauf«. Sie forderte die Einweisung des Mannes. 

Dessen Verteidiger Markus Steinacher bestritt den Mordversuch und sprach von fahrlässiger Körperverletzung: »Mein Mandant ist kein versuchter Mörder, sondern ein schwerkranker Mann. Ich bitte um ein mildes Urteil.« Auch der Angeklagte sagte in seinem Schlusswort: »Es war siha ka vasuchta Mord!«

Die Geschworenen schlossen sich dem an: Mit fünf zu drei Stimmen stimmten sie gegen Mordversuch und erkannten einstimmig auf absichtliche schwere Körperverletzung. Richter Pöllinger-Sorré verkündete die Einweisung des Wolfsbergers in eine Anstalt. Der erklärte sich einverstanden, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab. Damit hatte die Entscheidung keine Rechtskraft.

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