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Beim Tätowieren sind Farben ab sofort tabu: Das sagen Lavanttaler Nadelkünstler zur neuen RegelAusgabe 2 | Mittwoch, 12. Januar 2022

Schwarz-grau ist die neue Tätowierwelt, seit die EU mit 4. Jänner viele Farben verboten hat. Die heimischen Studio-Betreiber sind wenig begeistert und warten ab. Sie glauben aber, dass künftig vermehrt illegal in Kellern gestochen wird – was böse enden kann.

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Lavanttal. Seit Dienstag, 4. Jänner, ist die Welt des Tätowierens nicht mehr dieselbe: Sie ist vorwiegend grau geworden. Denn an diesem Tag trat die Reach-Verordnung der EU in Kraft, wobei Reach für »Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals« steht, zu Deutsch »Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien«. Das Resultat: Die meisten bunten Tattoo-Farben dürfen in ihrer jetzigen Zusammensetzung nicht mehr verwendet werden. Etliche davon haben laut Meinung der EU das Potenzial, gesundheitsgefährdend zu sein oder ihre Auswirkungen sind nicht genügend erforscht.

Übrig geblieben sind Schwarz sowie »Blau 15:3« und »Grün7« – die beiden letzteren deshalb, weil es für sie noch keine Alternativen gibt. Ab 2023 dürfen die Nadeln aber auch nicht mehr in die bisherigen grünen und blauen Farbtöpfe getaucht werden.  

»Es gibt genug Leute, die ohne Berechtigung daheim im Keller tätowieren«
Klaus »Muno« Weinlinger, »Baroque Ink«

Betroffen vom Verbot sind sehr viele Menschen: In Österreich hat bereits jeder vierte Bürger zumindest eine Tätowierung – und jeden Tag werden es mehr. Dazu hat in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Tätowierstudios eröffnet, in denen das nunmehr verhängte »Farbverbot« zu Unsicherheit führt.

Die Unterkärntner Nachrichten haben sich bei den Lavanttaler Nadelkünstlern umgehört, was sie zur neuen Bestimmung sagen.

»Schwachsinn«

»Das ist eine Förderung der Schwarzarbeit«, sagt Klaus »Muno« Weinlinger vom Studio »Baroque Ink« in Wolfsberg. »Es gibt genug Leute, die ohne Berechtigung daheim im Keller tätowieren – und die jetzt natürlich mit den Farben weitermachen werden. Sie werden wohl mehr Zulauf bekommen.« Die Verordnung bezeichnet er als »Schwachsinn, denn es gibt vielfach keinen Beweis, dass die Farben schädlich sind. Trotzdem wurden sie verboten.« Die Studios seien derzeit doppelt betroffen: »Ständig gibt es Lockdowns. Und wenn wir wieder geöffnet haben dürfen, können wir nicht arbeiten, weil wir keine Farben haben.« Trotzdem: Wenn von ihm ein Kunde jetzt ein farbiges Tattoo möchte, lehnt Weinlinger ab. Über seine berufliche Zukunft macht er sich noch keine Sorgen: »Ich mache vieles in Schwarz-Grau und bin für die kommenden zwei, drei Monate ausgebucht. Denjenigen, die farbige Tätowierung wollen, sage ich, sie müssen warten, bis es wieder erlaubte Farben gibt.«

Dass die in Kürze erhältlich sein werden, glaubt Daniel Maruschek von der »Någlhittn« in Prebl. Er sagt: »Das Thema wird jetzt von den Medien aufgebauscht. Die Hersteller wissen aber vom Verbot schon länger und haben die neuen Farben bereits im Keller. Ich rechne damit, dass sie noch in diesem Monat zu haben sein werden.« Dazu sei das Tätowiergeschäft mittlerweile ein großer Wirtschaftszweig, »da steckt viel Steuergeld drin, das lässt sich der Staat nicht entgehen«. Und: Auch er steche großteils schwarz-graue Motive, die Arbeit werde ihm also auch so nicht ausgehen ...

Farbe kommt in den Keller

Nicht viel von der neuen EU-Regelung hält Anja Schart vom Tattoo-Studio »Rock die Nådl« in St. Stefan: »Ich habe Farbe im Wert von hunderten Euro und darf sie nicht einmal mehr im Geschäft als Deko stehen haben. Jetzt deponiere ich sie im Keller und warte ab, ob sie sich nach der laufenden Prüfung nicht doch als regelkonform erweist.« Alle Kunden, die jetzt eine Farbtätowierung wollen, wird sie auf später vertrösten – wenn es wieder Farbe geben wird. Schart: »Wenn man sie jetzt verwenden würde, drohen enorme Strafen, es könnte auch Probleme mit der Gewerbeberechtigung geben.« Doch auch sie ist bis Mitte des Jahres ausgebucht – jetzt eben mit schwarz-grauen Motiven. 

Die »Rock die Nådl«-Betreiberin weiß ebenfalls von »einigen«, die im Tal illegal tätowieren: »Die lachen sich jetzt ins Fäustchen, denn denen ist das Farbverbot egal. Die nehmen, was sie bekommen und was billig ist. Wir hingegen müssen schriftlich festhalten, womit wir arbeiten, und haben das im Bedarfsfall auch nachzuweisen. Einige Leute, die jetzt nicht auf neue Farben warten wollen, werden wohl zu Schwarztätowierern gehen.« Davor warnt Schart: »Die haben keine Ausbildung und wissen nichts von der notwendigen Hygiene. Ich hatte schon oft mit deren Kunden zu tun, denn ihnen wurde Pfusch gestochen, der letztlich teurer kommt als der Gang in ein offizielles Studio: Entweder für die Überarbeitung oder fürs Weglasern.«

Das sagt auch Michael Grassler von »Kernöl-Ink« in St. Andrä: »Es ist zu erwarten, dass Kunden für gewünschte Tätowierungen in den Schwarzmarkt ausweichen werden, wo keine Einhaltung der Hygienevorgaben gewährleistet ist.« Und weiter: »Bezüglich der Pigmente Blau 15:3 und Grün 7 sollte noch ergänzt werden, dass sie seit über zehn Jahren in Tätowiermitteln eingesetzt werden, ohne das Auffälligkeiten bekannt sind. Bei einem Verbot kämen möglicherweise weniger gut untersuchte Stoffe als Ersatz zum Einsatz.«

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