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Bernhard Schütz: »Ich behaupte, der Koralmtunnel ist einer der sichersten Tunnel in ganz Europa« Ausgabe 50 | Mittwoch, 10. Dezember 2025

Der ehemalige Bezirksfeuerwehrkommandant und Konsulent beim Koralmtunnel, Bernhard Schütz (72), war auch ein wesentlicher Experten bei der Errichtung des Tunnels, was die Sicherheit für Menschen und Züge betrifft. Hier spricht er über diese Tätigkeiten.

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Unterkärntner Nachrichten Redakteur Michael Swersina Von Michael Swersina m.swersinano@spamunterkaerntner.at
Links: Bernhard Schütz (r.) koordinierte zahlreiche Übungen im Koralm- und Granitztaltunnel. Rechts: Am 1. Dezember erhielt Schütz (r.) das »Große Ehrenzeichen des Landes« überreicht. Zu der hohen Auszeichnung gratulierte ihm auch der Wolfsberger Bezirkshauptmann Georg Fejan recht herzlich.Fotos: Bezirksfeuerwehrkommando, LPD Kärnten/Jannach

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Als  Bezirksfeuerwehrkommandant von 2002 bis 2015 waren Sie von Beginn an in das Sicherheitskonzept des Koralmtunnels eingebunden. Wie kam es dazu?
Mit dem Erkundungsstollen in Mitterpichling begann 2003 die heiße Phase. Zuständig waren damals die Feuerwehren Maria Rojach und St. Andrä. Als Bezirkskommandant war ich natürlich mitten drin. Wir führten Brandversuche durch, testeten, wie weit Atemschutzträger bei völliger Verrauchung vordringen können. Ab 2014 wurden sechs Feuerwehren – St. Paul, Granitztal, St. Georgen, Maria Rojach, St. Andrä und Wolfsberg – für das Tunnelprojekt eingeteilt. Rund 62 Kameraden ließen sich freiwillig auf Sauerstoffkreislaufgeräte ausbilden.

Im Jahr 2011 wurde ich schließlich vom Landesfeuerwehrverband zum Tunnelbeauftragten für den Koralmtunnel bestellt. Meine Aufgabe war die Koordination zwischen ÖBB, den Baufirmen und den Feuerwehren, inklusive der Organisation aller vorgeschriebenen Übungen.

Gab es während der Bauphase ernste Einsätze?
Ja, mehrere. 2008 brannte im Erkundungsstollen ein Radlader, rund sieben bis acht Kilometer tief im Tunnel. Die Arbeiter mussten im Blindflug am brennenden Lader vorbei zum Fluchtauto. Vier kamen mit schwerer Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus. Die Feuerwehr konnte wegen Nullsicht nicht vordringen, der Lader brannte aus.

Oder im Jahr 2019: Da brannte ein Kettenbagger in der Südröhre. Da sind die Rettungskräfte bereits mit dem Rettungszug eingefahren und danach über einen Querschlag zum brennenden Bagger vorgedrungen. Der Brand konnte gelöscht werden.

Gibt es am Bahnhof in St. Paul eine eigene Feuerwehr für den Tunnel?
Im Jahr 2022 wurde die Betriebsfeuerwehr am Bahnhof St. Paul gegründet, und die Feuerwehren erhielten einen Ersatzrettungszug aus dem Arlbergtunnel zum Üben. Vor der Inbetriebnahme gab es damit noch eine große Übung im Granitztaltunnel. Und 2025 kam ein neuer Servicejet für die Feuerwehr.

Wie viele Übungen wurden insgesamt durchgeführt?
Vorgeschrieben waren zwei Großübungen pro Jahr. Aber das war für die Tunnelrealität einfach zu wenig. Deshalb haben wir monatlich mit jeweils drei Feuerwehren geübt – jahrelang. Szenarien reichten von Unfällen, wie unter Baumaschinen eingeklemmten Arbeitern über Brände schwerer Geräte bis zu Sprengsituationen. Alles wurde so realistisch wie möglich dargestellt.

2015 ging die Tunnelvortriebsmaschine in der Nordröhre in Betrieb. Zwölf Feuerwehrleute aus St. Paul wurden sogar zu Lokführern für die Stollenbahn ausgebildet. 

Wie sicher ist der Koralmtunnel aus Ihrer Sicht?
Ich behaupte: Er ist einer der sichersten Tunnel Europas und erfüllt höchste Sicherheitsstandards. Alle 500 Meter gibt es einen Querschlag zwischen den beiden Tunnelröhren, in der Mitte des 33 Kilometer langen Tunnels gibt es  dann auch noch einen rund einen Kilometer langen Evakuierungs- und Rettungsbahnhof. Bei einem Notfall fahren die Rettungszüge aus Kärnten und der Steiermark  ein und evakuieren die Menschen. Das Sicherheitskonzept ist beeindruckend.

Wie oft sind Sie bereits mit dem Zug durch den Koralmtunnel gefahren?
Zahllose Male mit dem Ersatzrettungszug, bei Übungen, bei Begehungen. Und natürlich bin ich am 12. Dezember (Anm.: siehe auch S. 11) bei der ersten offiziellen Fahrt mit den Führungskräften der Feuerwehren dabei.

Die Koralmbahn ist eine Hochleistungsbahn, Züge sollen mit bis zu 250 km/h durch den Tunnel fahren. Waren Sie schon bei einer Fahrt mit dieser Geschwindigkeit dabei?  
Nein. Aber bei einer Entfluchtungsübung sind wir bereits mit rund 190 km/h im Tunnel gefahren. Man spürt dabei von der Geschwindigkeit im Zug eigentlich überhaupt nichts, es gibt kein Rütteln, keine Übergänge. Der Zug gleitet einfach dahin.

Werden Sie die Koralmbahn privat nutzen?
Auf jeden Fall. Ich fahre ja auch jetzt schon sehr oft mit dem Zug, zum Beispiel mit dem Fahrrad nach Oberkärnten, um dort Radtouren zu unternehmen. Und nach Graz werde ich künftig sicher mit der Bahn fahren – mit der Seniorenkarte ist das ja auch ein sehr attraktives Angebot.

Wie sind Sie zur Feuerwehr gekommen?
Das war mir in die Wiege gelegt. Ich bin 1953 im Feuerwehrhaus in St. Andrä zur Welt gekommen – meine Eltern haben dort gewohnt, mit noch zwei weiteren Familien, und alle waren Feuerwehrleute. Für mich war das normaler Alltag: Einsatzsirenen, Uniformen, Geräte. Mit 16 bin ich dann offiziell der FF St. Andrä beigetreten. Ich war Mechaniker und wurde Maschinist. In meiner Feuerwehrlaufbahn habe ich zahlreiche Leistungsbewerbe gewonnen und sehr viele Lehrgänge an der Landesfeuerwehrschule absolviert. 1986 wurde ich Stellvertreter des Kommandanten in St. Andrä, Anfang der 1990er Jahre Kommandant und später auch Gemeindefeuerwehrkommandant. Schließlich kam der Schritt zum Bezirksfeuerwehrkommandanten – zuerst als Stellvertreter, ab 1996 dann als Kommandant.

Hauptberuflich hatten Sie eine lange Karriere bei der Polizei. Wie verlief dieser Weg?
1973 begann ich die Ausbildung an der Gendarmerieschule in Krumpendorf, meine erste Dienststelle war Kühnsdorf. Von 1980 bis 1982 war ich beim Gendarmerieeinsatzkommando Cobra, eine prägende Zeit. Mit der Eröffnung der Autobahn im Lavanttal kam ich 1982 zur Autobahngendarmerie. Der Stützpunkt war damals in Auerling bei Preitenegg. Damals war die A2 lediglich bis Bad St. Leonhard befahrbar, wir überwachten zusätzlich zur Autobahn die B78 und B70. Der Talübergang Lavant war noch Schmalspurautobahn, und in diesem Bereich gab es viele schwere Unfälle. Einer davon hat sich eingebrannt: Ein Kleinbus mit neun Personen fuhr auf einen Lkw auf – fünf Tote. Solche Einsätze vergisst man nicht. Später, als es den Lückenschluss bei der Autobahn gab, kam ich in die neue Dienststelle in Wolfsberg. Dort blieb ich bis zu meiner Pension nach 40 Dienstjahren im Jahr 2013.

Gab es besondere Vorfälle bei der Polizei, die Ihnen bis heute nahegehen?
Ein Fall war besonders skurril: Ein Mann behauptete, er sei vom Talübergang Lavant gesprungen  und habe überlebt. Angeblich habe der Schnee den Aufprall gedämpft. Er war nur leicht verletzt. Wir haben das überprüft, aber ehrlich gesagt: Ich kann mir kaum vorstellen, dass man das überlebt. Bewiesen wurde das Gegenteil allerdings nie. Brückenspringer gab es leider regelmäßig – Männer wie Frauen. Überlebt hat sonst niemand.

// Zur Person

Bernhard Schütz war von 2002 bis 2015 Bezirksfeuerwehrkommandant des Lavanttals. Hauptberuflich war Schütz 40 Jahre lang bei der Gendarmerie bzw. der Polizei tätig, unter anderem bei der Cobra und der Autobahnpolizei.
Der heute 72-Jährige ist verheiratet und hat vier Kinder sowie fünf Enkelkinder. 
In seiner Freizeit ist er begeisterte Radfahrer und Motorradfahrer.

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