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Sie heißen Michael. Als Sie bei den Benediktinern eingetreten sind, haben Sie den Namen Anselm angenommen. Warum?
Ich wollte einen typisch benediktinischen Namen wählen. Der hl. Anselm von Canterbury war konsequent, fromm und klug, Eigenschaften, die mir gefallen. Es kommt noch dazu, dass bei den österreichischen Benediktinern der Name relativ selten gewählt wird.
War es schon immer Ihr Wunsch Priester zu werden?
Ja. Ich verspürte schon in jungen Jahren die Sehnsucht, Priester zu werden, Ordensmann wollte ich damals nicht werden. Ansichten ändern sich. Ich habe mein Leben nie mehr als auf »Sichtweite« vorausgeplant. Gabelungen auf dem Lebensweg kann man nicht voraussehen. Dass es mich als Wiener nach Kärnten verschlagen wird, oder dass ich Militärpfarrer werden würde, war nicht absehbar. Das kann man nicht planen, aber man kann sich für diesen Weg entscheiden, das habe ich getan.
Wie kamen Sie zum Bundesheer?
(lacht) Mit dem Einberufungsbefehl. Der kam allerdings nicht an die Adresse, wo ich wohnte. Ich wurde von meinem Vater darauf aufmerksam gemacht, habe das dann klarstellen können und rückte halt beim nächsten Termin ein.
Und dann sind Sie beim Bundesheer geblieben und waren sogar im Ausland, genauer gesagt auf Zypern, im Einsatz. Wie waren Ihre Eindrücke?
Mein Regimentskommandant hat mich motiviert einen Auslandseinsatz zu machen. Ich war bei der UNO-Truppe als Fernmelder in Famagusta eingesetzt. Es war ein tolles Erlebnis. Mit einigen meiner Kameraden bin ich heute noch in Kontakt. Ursprünglich wollte ich nach dem Grundwehrdienst an der Fachhochschule in Eisenstadt ein Studium für Wirtschaft mit Schwerpunkt Zentral- und Osteuropa angehen. Ich hatte, wie schon gesagt, vor, Priester zu werden, wollte aber vorher noch ein wirtschaftliches Studium abschließen. Auf Zypern hat mir der Militärpfarrer dann geraten, sofort nach dem Auslandseinsatz mit dem Priesterstudium zu beginnen.
»Es ist der liebe Gott, der wirkt. Ich hoffe nur, dass ich ihm dabei nicht allzu sehr im Wege stehe«
Anselm Kassin, Militärpfarrer
Und diesen Ratschlag haben Sie dann auch befolgt?
Genau. Als ich zurück nach Österreich kam, begann ich mit der Priesterausbildung und so kam ich über einen Freund auch mit dem Benediktinerstift in St. Paul in Kontakt. Obwohl ich in keinen Orden eintreten wollte, ließ ich mich von ihm dazu überreden, mir das Stift in St. Paul einmal anzuschauen. Und siehe, ich war fasziniert und bin nun seit 20 Jahren in St. Paul.
Welche Aufgabe haben Sie im Benediktinerstift in St. Paul?
Ich bin Hofmeister, also mitverantwortlich für wirtschaftliche Angelegenheiten.
Wie kamen Sie schließlich zur Funktion des Militärpfarrers?
Mein Vorgänger Emmanuel Longin hat mich gefragt und nachdem ich vom Stift St. Paul die Erlaubnis dazu erhielt, begann ich im Oktober 2018 meinen Dienst als Militärpfarrer. Nachdem Emmanuel Longin heuer mit 1. September den Ruhestand antrat, habe ich die Leitung der Militärpfarre Kärnten offiziell übernommen.
Was sind Ihre Aufgaben als Militärpfarrer?
Da zu sein, egal ob für Grundwehrdiener oder Berufssoldaten, ob kameradschaftlich oder dienstlich, ob geistlich oder weltlich. Die wichtigste und zugleich unscheinbarste Aufgabe ist es, für meine Soldaten zu beten.
Was möchten Sie als Militärpfarrer bewirken?
Es ist der liebe Gott, der wirkt. Ich hoffe nur, dass ich ihm dabei nicht allzu sehr im Wege stehe. Gott hat jeden von uns mit einem freien Willen ausgestattet. Meine Aufgabe ist es nicht den Herrgott zu overrulen, sprich: den Menschen vorzuschreiben, was sie machen sollen. Kirche muss einladend sein, sie kann Angebote schaffen.
Wie passt eigentlich Priester und Bundesheer zusammen. Soldaten müssen ja auch in den Krieg ziehen und töten?
Das Bundesheer hat die Aufgabe Österreich zu schützen und als ultima ratio »mit der Waffe zu verteidigen«, wie es in der Angelobungsformel heißt. Österreichische Soldaten ziehen nicht in den Krieg.
Sie sind auch noch Bezirksfeuerwehrkurat. Stehen Sie bei der FF St. Paul auch aktiv im Dienst als Feuerwehrmann?
Ich bin seit 2008 bei der Freiwilligen Feuerwehr in St. Paul. 2009 wurde ich zum Bezirksfeuerwehrkurat ernannt und seitdem übe ich dieses Amt aus. Bei Einsätzen der St. Pauler Kameraden bin ich aus zeitlichen Gründen meist nicht dabei. Einsatzmäßig liegt mein Schwerpunkt beim KAT-Zug 5. Der KAT-Zug wurde vor sechs Jahren ins Leben gerufen und ich habe mitgeholfen, ihn aufzubauen. Es gilt aber, permanent Abläufe zu optimieren, Feedback an das Landesfeuerwehrkommando zu geben, Übungen zu planen uvm.
Da sind Sie sicher sehr eingespannt ?
Als Bezirksfeuerwehrkurat hat man viele Verpflichtungen. Da sind die üblichen Festakte, zahlreiche Segnungen. Die Kameraden treten auch an mich heran, wenn die Hochzeit oder eine Taufe anstehen. Aber auch Stressverarbeitung nach belastenden Einsätzen und die Begleitung bei Todesfällen von Kameraden und Begräbnisse gehören zu meinen Aufgaben.
Und als Militärpfarrer gibt es sicherlich auch zahlreiche Veranstaltungen, die Sie besuchen müssen, oder?
Ja, natürlich. Durch die Coronazeit wurden die Veranstaltungen zwar eingeschränkt, es ist aber trotzdem aufwendiger geworden. Die Angelobungen werden derzeit zum Beispiel in den jeweiligen Kasernen durchgeführt, wodurch es mehr Angelobungstermine gibt. Auch die Arbeit mit den Rekruten gestaltet sich anders. Es gibt kleinere Gruppengrößen, wodurch Lehrveranstaltungen öfter durchgeführt werden müssen. Außerdem meldeten sich in der »Lockdown-Phase« der Coronazeit mehr Menschen, die das Bedürfnis hatten, mit jemandem, der ihnen zuhört, zu sprechen.
Immer mehr Menschen haben in den vergangenen Jahren die Katholische Kirche verlassen. Wie könnte man den Trend umkehren?
Das hat viele Ursachen. Auf meiner Ebene als Pfarrer kann ich »der Kirche« ein konkretes Gesicht geben und Menschen auf dem Weg ihrer Gottsuche begleiten.
Wie ist Ihr Verhältnis zu den Freikirchen, von denen es auch in Österreich immer mehr gibt?
Die Menschen zu Christus zu führen, ist und kann nie ein Fehler sein. Und wenn genau dies das Ziel der Freikirchen ist, dann kann es auch nicht verkehrt sein.
Sie leben seit 20 Jahren im Lavanttal. Was schätzen Sie daran?
Man braucht nur aus dem Fenster zu schauen und dann sieht man es. Die wunderschöne Landschaft und auch die Menschen, die hier im Lavanttal leben, machen das »Paradies« aus.
Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?
Die Feuerwehr ist meine Freizeit, es heißt nicht umsonst: »Unsere Freizeit für Ihre Sicherheit«. Es ist einfach meine Leidenschaft und dafür wende ich gerne Zeit auf.
Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft?
Ehrlich gesagt nein. Sich etwas zu wünschen hat für mich die Bedeutung: Die Hände in den Schoss zu legen und zu warten, dass da etwas in Erfüllung geht, ohne dass ich etwas dazu beitrage. Ich denke, wenn man etwas möchte, dann muss man aufstehen und dafür arbeiten. In diesem Sinne habe ich Vorhaben, die ich gerne umsetzen will, aber keinen Wunsch.
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