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»Täglich liest man von grauenhaften Irritationen auf der Welt – Kultur ist ein wichtiges Regulativ«Ausgabe 28 | Mittwoch, 10. Juli 2024

Franz Bachhiesl (75) stand zehn Jahre lang der Christine Lavant Gesellschaft als Präsident vor. Jetzt hat er auf sein Amt verzichtet. Warum er sich dazu entschloss, welches Resümee er aus den Jahren zieht und wie er sich jetzt beschäftigen wird, sagt er im Interview.

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Bei der Jahreshauptversammlung der Christine Lavant Gesellschaft (CLG) am vergangenen Freitag haben Sie Ihren Rücktritt als Präsident erklärt. Welche Gefühle begleiteten die Entscheidung?
Einerseits ist es für mich eine Erleichterung, dass ich die Bürde des Amts ablegen konnte, anderseits blicke ich mit etwas Wehmut auf viele schöne Jahre zurück, in denen ich der Christine Lavant Gesellschaft vorstehen durfte. Aber wie heißt es: Alles ist vergänglich.

Warum hören Sie auf?
Auf Grund meines fortgeschrittenen Alters und auch gewisser gesundheitlicher Probleme kam ich zur Erkenntnis, dass jetzt ein guter Zeitpunkt war. Die Aufstellung der Christine-Lavant-Skulptur und das Konzert anlässlich des 30-jährigen Bestands der CLG waren für mich ein sehr schöner Abschluss.

Sie standen der CLG zehn Jahre lang als Präsident vor. Was waren die Höhepunkte dieser Zeit?
Als neugewählter Obmann der CLG war mein erster größerer Auftritt bei den Feierlichkeiten anlässlich des 100. Geburtstags von Christine Lavant 2015 in St. Stefan. Nach einem Festakt gab es eine beeindruckende Lesung, bei der die Schauspielerin Brigitte Karner Lavant und der unvergessliche Burgschauspieler Peter Simonischek Rilke rezitierten. Der bis auf den letzten Platz gefüllte Saal im Haus der Musik bildete eine wunderbare Kulisse. Dementsprechend waren auch die Einnahmen, die wir damals gut gebrauchen konnten.

Ein Jahr später ist es mir gelungen, ein Ensemble des Wiener Volkstheaters mit einer Bühnenfassung der Lavant-Erzählung »Das Wechselbälgchen« nach Wolfsberg zu holen. Nie zuvor und auch nicht danach gab es einen Auftritt des Volkstheaters außerhalb von Wien.

Wie lautet Ihr Resümee Ihres Präsidentenamts?
Mit den Mitgliedern des Vorstands ist es mir gelungen, die Gesellschaft gut aufzustellen und weiterzuentwickeln. So wie sich durch unsere Arbeit der Bekanntheitsgrad von Christine Lavant steigerte, wurde zugleich auch eine entsprechende Sichtbarmachung der Christine Lavant Gesellschaft erreicht. Die derzeitige finanzielle Ausstattung wird es auch in Zukunft erlauben, den bisherigen erfolgreichen Weg fortzusetzen.

Hochkultur, wie Sie sie den Lavanttalern ermöglichten, hat in der breiten Bevölkerung keinen leichten Stand. Wie viele Menschen konnten Sie zu den CLG-Veranstaltungen locken?
Grundsätzlich finde ich, dass Kultur in allen Ausprägungen und deren Pflege gerade in Zeiten wie diesen, in denen man täglich von grauenhaften Irritationen auf der ganzen Welt liest und hört, ein wichtiges Regulativ darstellt. Ich finde, dass es im Lavanttal und darüber hinaus sehr wohl viele Menschen gibt, die unser Angebot gerne annehmen. Dies zeigt auch der St. Pauler Kultursommer, der mit einem reichhaltigen Programm sehr viele Besucher anlockt. Um nicht mit den anderen Kulturinitiativen, die vorwiegend im Sommer Veranstaltungen organisieren, zu kollidieren, haben wir unsere Aktivitäten über das restliche Jahr verteilt. Immerhin konnten wir in der Zeit meiner Präsidentschaft bei unseren Veranstaltungen im In-und Ausland etwa 8.000 Besucher begrüßen.

Ist der Umgang mit Künstlern manchmal auch schwierig?
Mitunter schon, aber es sind eher Kleinigkeiten, die manchmal zu Diskussionen führen. Zumeist ist es der Zustand der Bühne, die Bühnenbeleuchtung, die Tontechnik oder auch die fehlende Infrastruktur wie zum Beispiel Umkleideräume mit Schminktisch. Wir mussten oft improvisieren.

Was war Ihr schönstes Erlebnis mit einem Künstler?
Jede Akquisition und das folgende Zusammensein mit fast allen Künstlerinnen und Künstlern war ein Erlebnis. Eine besondere Geschichte verbindet mich mit »Rosenheim Cop« Michi Mohr alias Max Müller. Ich habe versucht, über die Buchhandlung Heyn in Klagenfurt den Kontakt zum Schauspieler und Opernsänger herzustellen, was erst misslang. Nachdem ich monatelang nichts mehr gehört hatte, dachte ich nicht mehr an einen Erfolg. Eines Tages erhielt ich einen Anruf mit der Eröffnung: »Servus Franz, da spricht der Max Müller!« Das folgende halbstündige Gespräch vermittelte mir den Eindruck, als würden wir uns schon eine Ewigkeit kennen. Auf meine Frage, ob er sich vorstellen könne, bei uns Lavant zu rezitieren und zu singen, stimmte er sofort zu. Als ich die Gage ansprach, antwortete er: »Ich bin ein sozialer Mensch, ich brauch nicht viel.« Die Veranstaltung war ein  riesiger Erfolg! Rund 400 Personen waren von den Darbietungen begeistert, unzählige Fans ergatterten nach der Vorstellung ein Foto mit Max. Nun sind wir wirklich Freunde geworden.

»Eine besondere Geschichte verbindet mich mit ›Rosenheim Cop‹ Max Müller«
Franz Bachhiesl, scheidender CLG-Präsident

Wie war es Ihnen möglich, stets die finanziellen Mittel für kulturell hochrangige Veranstaltungen und Künstler aufzubringen?
Ohne Zuwendungen des Landes Kärnten, der Stadtgemeinde Wolfsberg, der Sponsoren, den Beiträgen unserer treuen Mitglieder und auch den lukrierten Eintrittsgeldern wäre es uns nicht möglich gewesen, Veranstaltungen in dieser Größenordnung und Qualität zu organisieren. Ich habe bei den Verhandlungen mit fast allen Künstlern und Institutionen dargelegt, dass unsere Mittel begrenzt sind und dass alle Vorstandsmitglieder der CLG ehrenamtlich und unentgeltlich arbeiten. So konnten wir auch große Künstlerpersönlichkeiten zu für uns erträglichen Gagen engagieren. Dabei war es mir immer wichtig, dass auch einheimische Akteure und Nachwuchskünstler ordentlich bezahlt werden.

Das Präsidentenamt der CLG war zeitintensiv. Wie werden Sie Ihre Zeit in Zukunft nutzen?
Ja, ich habe sehr viel Zeit ins »Projekt Lavant« investiert. Ich war beruflich und auch privat in vielen Ländern der Erde, insbesondere in den USA, unterwegs. Vor einigen Monaten waren wir zwei Mal im Oman, und da sind meine Frau und ich zur Erkenntnis gekommen, dass wir künftig Langstrecken auf ein Minimum reduzieren werden. Aber es gibt viele schöne Plätze in Europa, die wir noch nicht kennen und erkunden wollen. Italien und Kroatien bieten sich an, aber auch zu Hause gibt es viel zu tun. Außerdem habe ich festgestellt, dass man sich auch bei der Hausarbeit und Parkpflege gut entspannen kann. Auch eine Doktorarbeit über Christine Lavant wäre eine Überlegung wert!

Nach vielen Jahren ist es gelungen, die Bronzestatue Lavants beim Haus der Musik in St. Stefan zu enthüllen. Sehen Sie das als Ihr »Erbe« an die Lavanttaler an?
Nein, keinesfalls! Die Skulptur wurde von einem ehemaligen Mitglied der CLG bei der Künstlerin Hortensia beauftragt. Nach der Fertigstellung im Jahre 2017 konnte erst keine Finanzierung erreicht werden. Nach intensiven Bemühungen der Künstlerfamilie konnte das Projekt nun mit finanzieller Hilfe des Ministeriums für Kunst und Kultur, dem Land Kärnten und der Stadt Wolfsberg realisiert werden. Aber auch die CLG hat sich mit einem namhaften Betrag beteiligt. Die Intention der Gesellschaft, die Person Christine Lavant bekannter zu machen, erreicht durch die Aufstellung der Skulptur eine neue, nachhaltige Dimension.

Bei diesem Anlass haben Sie das Ehrenzeichen des Landes Kärnten in Gold von LH Peter Kaiser und LR Daniel Fellner erhalten. Was bedeutet es Ihnen?
Nach der Überreichung der Goldenen Ehrennadel der Stadt Wolfsberg im Jahr 2018 ist die Verleihung des Ehrenzeichens des Landes für mich eine weitere sichtbare Anerkennung meiner jahrelangen ehrenamtlichen und unentgeltlichen Tätigkeit in den Diensten der Dichterin Christine Lavant. Natürlich freue ich mich sehr über die hohe Auszeichnung!

Wie hat sich die Mitgliederzahl der CLG während Ihrer Amtszeit entwickelt?
Als ich meine Funktion antrat, hatten wir etwa 50 zahlende Mitglieder. Erfreulicherweise hat sich der Stand der Mitglieder auf rund 150 Personen erhöht, wobei anzumerken ist, dass nicht alle Mitglieder regelmäßig den Mitgliedsbeitrag bezahlen. Bezüglich des Beitrags möchte ich auch sagen, dass er sich in der Höhe von 30 Euro pro Jahr während meiner zehnjährigen Präsidentschaft nicht verändert hat. Erinnern darf ich auch, dass wir in der Zeit der Pandemie auf Zuschüsse des Landes und der Stadt verzichtet haben.

Was fasziniert Sie persönlich an Christine Lavant?
Nachdem ich mich im Zuge meines Germanistikstudiums mit ihrem literarischen Werk auseinandergesetzt hatte, wurde mir bewusst, welchen Stellenwert sie einnimmt. Besonders als Lyrikerin gehört sie zu den großen Dichterpersönlichkeiten im gesamten deutschen Sprachraum. Ihre stark biografische Prosa gefällt mir, weil sie viele dialektale Termini beinhaltet, die auch bei uns im Dorfleben zu dieser Zeit gebräuchlich waren. Ihre Erzählungen reflektieren auch sehr umfangreich meine eigene Kindheit und Jugendzeit.

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