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Sigi Kulterer: »Viele glauben, nach dem Studium sind sie Künstler – aber keiner kauft dir ein Bild ab«Ausgabe 02 | Mittwoch, 12. Januar 2022

Maler Sigi Kulterer (66) wurde kürzlich in New York für seine Arbeit mit einem internationalen Kunstpreis ausgezeichnet. Im Gespräch mit den Unterkärntner Nachrichten spricht er über seinen Werdegang, seine schwierige Kindheit und wohltätige Workshops.

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Unterkärntner Nachrichten Redakteur Philipp Tripolt Von Philipp Tripolt tripoltno@spamunterkaerntner.at
Kulterer wuchs in der Nähe von Millstatt auf, bevor er in St. Nikolai bei Ruden sesshaft wurde. Mit seinem Bild »Childhood Memories« wurde er in New York mit dem »Premio Internazionale Città di New York« ausgezeichnet. In dem Bild verarbeitete er als eine Art Selbsttherapie, wie er verrät, seine schwierige Kindheit. Foto: KK

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Wie sah Ihr beruflicher Werdegang aus?
Ich bin in Millstatt aufgewachsen und habe dort die Volksschule und anschließend das Gymnasium in Spittal besucht. Danach habe ich mich an der Kunstakademie in Wien inskribiert. Die habe ich allerdings nur zwei Jahre besucht und dann den Hut drauf geschmissen. Meine Mutter wollte, dass ich etwas mache, bei dem ich Geld verdiene. Also habe ich bei einer Versicherung zu arbeiten begonnen und mich nebenher auf die Malerei konzentriert. 1980 hatte ich meine erste Ausstellung in Spittal.

Der Weg zum Künstler als Hauptberuf war also nicht einfach?
Bis man davon leben kann, dauert es gut 20 Jahre. Ich habe zwischendurch immer etwas machen müssen, um an Geld zu kommen. Ich bin zum Beispiel nach Tirol gegangen, um als Kellner zu arbeiten oder habe bei einer Malerfirma im Akkord gearbeitet. Aber diese Tätigkeiten habe ich nie lange, immer nur ein paar Monate, gemacht. Eben dafür, um mich über Wasser halten zu können.
Seit ungefähr 15 Jahren kann ich davon leben. 80 Prozent der Leute, die damals mit mir studiert haben, haben mit der Kunst aufgehört. Viele glauben, wenn sie mit der Kunstakademie fertig sind, sind sie Künstler – aber kein Mensch kauft dir ein Bild ab.

Seit wann sind Sie als freischaffender Künstler tätig bzw. wie kam es dazu?
Seit meinem 32. Lebensjahr. Das war mein letztes Jahr bei der Versicherung. Ich habe Anzug und Krawatte abgelegt und nie mehr angezogen. Ich habe damals zwar gut verdient, aber das war mir egal. Es war nicht meine Berufung, deshalb habe ich mich voll und ganz der Malerei gewidmet.

Wie haben Sie zur Malerei gefunden? Wie waren Ihre Anfänge?
Die Anfänge waren schwierig. Ich habe alles Mögliche versucht, habe eine Malgruppe gebildet, Malprojekte mit Kindern und Erwachsenen durchgeführt und hatte nebenbei meine Ausstellungen – damals ausschließlich regional oder maximal national.

Welche Themen behandeln Sie in Ihren Werken?
Im Mittelpunkt meiner Arbeiten stehen in erster Linie existenzialistische Fragen, wie die menschliche Daseinsbewältigung und das zunehmende Konfliktpotenzial mit der Umwelt. Was die Technik betrifft, entstehen alle Bilder in Mischtechnik mit Tusche Tinte, Acryl, zum Teil mit echtem Rost, grüner Patina usw. Was die Themen betrifft, habe ich am Anfang versucht, zwischenmenschliche Beziehungen zwischen Mann und Frau aufzuarbeiten. Seit 20 Jahren ist die Umwelt mein Hauptthema. Für mich war das immer schon ein großes Problem. Und das Thema Umwelt ist heute aktueller denn je. Ich bin auf einer Alm als Bauernbub aufgewachsen, der sich die Landschaft angesehen und sie genossen hat. Deshalb habe ich es in Wien auch nicht ausgehalten. Ich wollte zurück aufs Land.

Wie stellen Sie diese Thematiken dar?
Wer sich meine Bilder ansieht, erkennt angedeutete Landschaften, die durch Umwelteinflüsse, wie Wasser, Sturm oder Erdbeben, zerstört werden. Allerdings ist mir wichtig, dass die Bilder nicht unansehnlich sind, sodass sie niemand aufhängt. Es ist immer etwas Helles in meinen Bildern, quasi ein Lichtblick. Damit soll Hoffnung vermittelt werden.

Ihre aktuelle Serie heißt »Dantes göttliche Komödie«. Wieso der Name und was zeigen die Bilder der Serie?
Die Serie behandelt das Buch von Dante Alighieri. Die Bilder stellen Zyklen daraus dar, vor allem die Hölle, da tobe ich mich aus. Ich versuche, in der Serie 20 bis 30 Bilder zu malen.

Aus der Serie durften Sie kürzlich fünf Werke in der White Space Chelsea Gallery in New York präsentieren. Eine besondere Ehre?
Ich arbeiten mit drei verschiedenen Kunstagenturen zusammen. Die Agentur in Hamburg kümmert sich um den deutschsprachigen Raum, die Agentur in Bratislava um den Osten, bis Riga und St. Petersburg, wo ich schon ausgestellt habe. Die größte Agentur befindet sich in Rom. Sie hat mich auch nach New York geschickt. Natürlich verdienen die Agenturen alle mit, aber alleine würde ich zu diesen Ausstellungen nicht kommen. Die Agenturen kennen mich und meine Arbeit und wissen deshalb auch schon, wo sie mich hinschicken können bzw. wo man Geld verdienen kann. Mir selbst bleibt im Endeffekt aber nicht viel. Es ist wie bei den Milchbauern, denen von ihrer verkauften Milch auch nicht viel bleibt.

Für Ihr Bild »Childhood Memories« wurden Sie mit dem internationalen Kunstpreis »Premio Internazionale Città di New York« ausgezeichnet. Was zeigt das Bild?
In dem Bild habe ich meine Kindheit, die nicht so rosig verlaufen ist, verarbeitet. Ich wurde 1955 als Besatzungskind geboren. Meine Mutter war in Salzburg und hat dort einen amerikanischen Soldaten kennengelernt, der irgendwann wieder zurück musste. Ich bin als »wildes Kind« auf der Emberger Alm aufgewachsen. Als ich 50 Jahre alt war, habe ich begonnen, über das Internet zu recherchieren und meinen Vater schließlich kennengelernt. Wir haben uns nie persönlich getroffen, konnten aber zumindest telefonieren.

Sie waren mit Ihren Werken schon bei vielen internationalen Ausstellungen auf der Welt.
Wenn es möglich ist, bin ich natürlich persönlich dabei. In New York war das coronabedingt leider nicht möglich. Mailand war etwas ganz besonderes, da dort 1.000 Leute bei der Vernissage waren. Sehr interessant war auch Barcelona. Und in Hamburg konnte ich bei der Biennale den Publikumspreis gewinnen, was auch nicht schlecht war. International auszustellen ist sehr interessant, weil man sich mit anderen Künstlern messen kann. In New York waren zum Beispiel 60 Künstler aus 60 Ländern dabei.

Landeshauptmann Peter Kaiser sagte kürzlich, dass Personen wie Sie »eine kunstvolle, kreative Visitenkarte des Landes« sind. Ehrt Sie das besonders?
Natürlich, das macht mich sehr stolz. Ich bin nicht der Typ, der so etwas nach außen trägt, aber innerlich bin ich sehr stolz. Ich habe erreicht, was ich mir nie gedacht hätte.

Sie sind Mitglied der Berufsvereinigung Bildender Künstler Österreichs und Mitglied des Salzburger Kunstvereins.
Das sind Sachen, die für mich nicht mehr so positiv sind. Bis jetzt hat mir von denen keiner gratuliert. Es kommt mir vor, dass immer die gleichen Leute ausstellen. Es ist schwierig, denn ein gewisser Neid ist, wie in jeder anderen Branche, vorhanden.

Als Dozent waren Sie schon in vielen Ländern unterwegs. Wie kam es dazu?
Ich hatte im Jahr 2000 eine Malgruppe, und mit dieser Gruppe habe ich angefangen, nach Frankreich zu fahren und dort zu unterrichten. Bei den nächsten Malen waren dann andere Teilnehmern aus der ganzen Welt mit dabei. Ich hatte auch das Glück, drei Mal, jeweils über den Winter, in Kairo zu unterrichten. Mit der ägyptischen Revolution, die im Rahmen des »Arabischen Frühlings« 2011 stattfinden, war das Unterrichten in Kairo für mich vorbei, sonst würde ich das vermutlich heute noch machen.

Ihre Workshops mit beeinträchtigten Menschen in Kärnten haben Tradition.
Die Workshops sind mir sehr wichtig. Sie werden einmal im Jahr an unterschiedlichen Standorten in Kooperation mit verschiedenen Vereinen veranstaltet. Ich versuche dort, mit krebskranken Kindern oder beeinträchtigten älteren Menschen Bilder zu malen, sie auszustellen und anschließend zu verkaufen. Der Erlös der Verkäufe kommt dann dem jeweiligen Verein zugute.

Sehen Sie die Kunst als Beruf an oder ist es eine Leidenschaft, die Sie zum Beruf gemacht haben?
Es ist eine Art Selbsttherapie. Zuerst für meine schwere  Kindheit, und aktuell leide ich an einer schweren Lungenkrankheit. Das versuche ich, mit den Bildern aufzuarbeiten.

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