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Wolfsberg: Der Löffel des Generalfeldmarschalls – Museum im Lavanthaus zeigt die Geschichte des Camps 373Ausgabe 20 | Mittwoch, 18. Mai 2022

Die britischen Besatzer modelten das deutsche Kriegsgefangenenlager Stalag XVIII A nach Kriegsende zum Camp für jene um, die dem Nazi-Regime gedient hatten, darunter auch »Prominente«. Das Museum verdeutlicht die Ereignisse mit anschaulichem Material.

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Wolfsberg. Der hölzerne Löffel von Generalfeldmarschall Albert Kesselring, der Gefangenenrock des Villacher Kreisleiters Peter Piron, die Geschichte der Geburt des Kindes von Odilo Globočnik, SS-Gruppenführer und Kriegsverbrecher. All diese Dinge und mehr werden in der Sonderausstellung »Schicksalswende – Das Interniertenlager Camp 373 in Wolfsberg«, die am 6. Mai im Museum im Lavanthaus eröffnet wurde, gezeigt bzw. berichtet.

Das Areal wurde während des Zweiten Weltkriegs unter der Bezeichnung Kriegsgefangenenlager Stalag XVIII A geführt – und nach Kriegsende von der britischen Besatzungsmacht weiter genutzt. Jetzt allerdings unter der Bezeichnung »Camp 373«, in dem keine Kriegsgefangenen der Alliierten mehr einsaßen, sondern Personen aus Kärnten und der Steiermark, die zum Funktionieren des Nazi-Regimes beigetragen hatten: Funktionäre der Nazipartei NSDAP, Kriegsverbrecher, SS-Angehörige, Polizeibeamte, aber auch Mitläufer oder Generäle der deutschen Wehrmacht, deren Verbrechen bereits bewiesen waren. Letztere mussten in einem speziellen Bereich, dem sogenannten »Bunker« einziehen, wo sie von den anderen Internierten getrennt waren. 

Auch Frauen waren interniert

Betroffen waren nicht nur Männer. Frauen wurden im »A-Block« untergebracht, einem Barackenbereich mit Platz für 100 Personen. Unter ihnen auch Lore Globočnik, die ihren Mann Odilo, weltweit berüchtigt als Mitorganisator des Holocausts, im Oktober 1944 geheiratet hatte. In Wolfsberg brachte sie am 21. Jänner 1946 einen Sohn zur Welt. Sein Vater war zu diesem Zeitpunkt bereits tot: Er hatte sich am 31. Mai 1945 in Paternion nach seiner Gefangennahme durch die Briten selbst gerichtet ...

»Es geht uns nicht darum, jemanden anzuklagen, wir wollen Fakten zeigen«
Christine Ragger, Museumsleiterin

Doch nicht alle hatten dieses »Kaliber«: Museumsleiterin Christine Ragger: »Es gab damals den ›Automatic Arrest‹: Interniert wurden Personen aufgrund ihrer Funktionen, die sie im Regime ausübten, nicht wegen ihrer Taten.« Viele Insassen waren nicht verurteilt: Eine belastende Situation, da sie nicht wussten, wann sie das Lager wieder verlassen würden. Ragger, ihrem Mitarbeiter Daniel Strassnig und dem Historiker Alexander Verdnik, die die Ausstellung gemeinsam erarbeitet haben, geht es nicht darum, jemanden anzuklagen.

»Wir wollen Fakten zeigen und neutral darstellen, was in den drei Jahren bis zur Auflösung des Camps im April 1948 passiert ist«, sagt die Leiterin. Dazu wurden Dinge aus dem persönlichen Leben der Internierten, die den Betrachter zum Staunen bringen, gesammelt: Es gibt nicht nur den Esslöffel Kesselrings zu sehen, der wegen der Duldung der Erschießung von 335  unbeteiligten italienische Zivilisten, die als Geiseln genommen worden waren, selbst zum Tod durch Erschießen verurteilt, später aber begnadigt worden war.  Auch der Rock des Kreisleiters Piron ist ausgestellt, auf dessen Rücken die weißen Buchstaben »PW« (»Prisoner of War«, Kriegsgefangener) prangen, was als Beispiel dienen mag, wie schnell sich manchmal die Verhältnisse ändern können ...

Einblick ins Lagerleben

Wie es sich im Camp 373 lebte, wird anhand einer Reihe von Aquarellen dargestellt, die Alltagsszenen zeigen: Viele befassen sich mit Gartenarbeit, die zur Ergänzung der Nahrung betrieben wurde. Auch von den Insassen gefertigtes Spielzeug – Figuren, ein Krokodil, eine Lokomotive, aber auch ein Bergekran – liegt in einer Vitrine, kunstvoll gearbeitet für die eigenen Kinder, die wohl schmerzlich vermisst wurden. Die Internierten hatten für eigene handwerkliche Arbeit jede Menge Zeit: Es gab keinen Arbeitszwang, Tätigkeiten wurden freiwillig ausgeführt. 

Nach dem Wecken um 7.15 Uhr, so berichtet einer, widmete er sich mit zehn Laufrunden um den Block der eigenen Fitness. Ein anderer ersucht in einem erhalten gebliebenen Kassiber (einem heimlich nach draußen geschmuggelten Schreiben) seine Frau, für ihn ein Entlassungsgesuch zu schreiben. Trotzdem kamen mit der mangelnden Freiheit viele nicht zurecht: Das Tagebuch der zuständigen britischen Einheit 373, nach der das Camp wohl auch benannt war, listete immer wieder Selbstmorde auf. Der einzige Privatbereich, der zur Verfügung stand, war das eigene Bett: Wer mit dem darin Liegenden sprechen wollte, musste erst an den Holzrahmen klopfen ...

// INFO

Schicksalswende – Das Interniertenlager Camp 373 in Wolfsberg
Museum im Lavanthaus
St. Michaeler Straße 2, Wolfsberg.
Mittwoch bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr.
www.museum-lavanthaus.at
Tel.: 04352/537-333

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