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Knalleffekt: Fortführung der Pflegenahversorgung wurde im St. Andräer Gemeinderat abgelehntAusgabe 49 | Mittwoch, 6. Dezember 2023

Obwohl ein SPÖ-Gemeinderat anbot, die Kosten für die kommenden zwei Jahre selbst zu tragen, lehnten ÖVP, FPÖ und Team Kärnten die Weiterführung des Projekts, das älteren Menschen zugute kommt, ab. Zuhörer verließen darauf empört das Gemeinschaftshaus.

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St. Andrä. Es war eine Partout-Haltung der Parteien, die viele Zuhörer verärgerte: In der Bischofsstadt wird die Pflegenahversorgung eingestellt. ÖVP, FPÖ und Team Kärnten stellten sich in der Gemeinderatssitzung am 29. November gegen die Fortsetzung des Projekts – und das, obwohl SPÖ-Gemeinderat Dieter Hacker zuvor anbot, die Kosten der kommenden beiden Jahre – 30.000 Euro – selbst zu übernehmen. Schwarz und Blau nahmen von diesem Angebot aber keine Notiz. Im Publikum entstand der Eindruck, als wollten die genannten Fraktionen die Pflegenahversorgung, die Bürgermeisterin Maria Knauder (SPÖ) am Herzen lag, um jeden Preis abdrehen – auf Kosten der älteren Bevölkerung. Die verliert nun einen wichtigen Ansprechpartner, auch in St. Paul. 

»Ich bin bereit, die Kosten von 30.000 Euro für zwei Jahre selbst zu bezahlen«
Dieter Hacker, Gemeinderat

Wie berichtet wurde im Dezember 2020 das interkommunale Projekt in St. Andrä und St. Paul  eingeführt. Pflegekoordinatorin Christina Unterberger stand 15 Stunden pro Woche in der Bischofsstadt, fünf Stunden in St. Paul zur Verfügung. Gemeinsam mit einem Team ehrenamtlicher Mitarbeiter, das sie aufgebaut hatte, informierte sie pflegende Angehörige kostenlos über deren Möglichkeiten oder leistete Hilfe bei Ansuchen. Das Ziel: Pflegebedürftige so gut zu versorgen, dass sie weiter daheim leben konnten und nicht in eine Einrichtung übersiedeln mussten. Der Bedarf war gegeben: Unterberger und ihr Team haben in den vergangenen Jahren rund 1.000 Fälle bearbeitet.

In der Sitzung plädierte Gastrednerin Michaela Miklautz von der Landesabteilung 5 – Gesundheit und Pflege leidenschaftlich für die Fortführung des Projekts. »Es kommt ihren Bürgern zugute«, sagte sie, das Land zahle 50 Prozent der Kosten, »es würde St. Andrä für 2024 lediglich 15.000 Euro kosten«, 1.250 Euro pro Monat. 

Doch die Bedeutung wurde von der Opposition anders beurteilt. FPÖ-Gemeinderat Alexander Skledar betonte, er sehe keine Notwendigkeit zur »Schaffung eines Verwaltungspostens«, womit er wohl die Pflegekoordinatorin meinte. Stadtrat Jürgen Ozwirk (FPÖ) meinte: »Es geht hier um eine freiwillige Leistung, die die Gemeinde bezahlt. Aber unsere finanzielle Lage war noch sie so streng: Es geht um den Kanal, um die Straßen – wir sollten auf unsere Kernaufgaben zurückkommen. Wir haben noch immer keinen Rechnungsabschluss, wir haben 600.000 Euro Unwetterschäden.« Man lasse die ältere Bevölkerung nicht im Stich, denn es gebe andere Einrichtungen, die Hilfe anbieten. Ozwirks Schlusssatz: »Wir können dabei nicht mitmachen.«

Gemeinderat Matthias Furian (SPÖ) hielt dagegen: »Geben wir älteren Menschen ein Zeichen, dass wir für sie da sind, dass sie daheim in Würde altern können. 1.250 Euro pro Monat – was ist das? Ich bitte euch, überlegt wie ihr abstimmt. Trefft die richtige Entscheidung.« Darauf wieder Ozwirk: »Wir haben uns das wirklich überlegt. Wir können nur Dinge machen, für die die Gemeinde zuständig ist.« 1.250 Euro seien nicht viel, aber »es ist nur eine Anschubfinanzierung, es ist eine Kostenfalle«. Die Gemeinde zahle bereits zwei Millionen Euro für Gesundheitsbelange, die Pflegenahversorgung sei nicht zukunftsweisend, nicht nachhaltig. »Wir bleiben beim Nein«, so Ozwirk.

Stadträtin Ina Hobel (SPÖ) warf dem FPÖ-Stadtrat darauf vor, er wolle um 100.000 Euro einen Klettergarten in St. Andrä hinstellen, »aber über 1.250 Euro regt er sich auf.« 

Danach trat Gemeinderat Hacker, zugleich Kärntner Vizepräsident des Pensionistenverbands PVÖ, ans Rednerpult: »Ein würdevolles Altern zu ermöglichen ist unsere Pflicht. Ich bin bereit, die Kosten von 30.000 Euro für zwei Jahre selbst zu bezahlen.« Ein Raunen ging durch die Zuhörer, darunter viele Ehrenamtliche, die sich in der Pflegenahversorgung engagieren. 

»Ignoranz und Inkompetenz«

Auch Bürgermeisterin Knauder wollte nicht aufgeben. Sie zeigte sich erstaunt, dass das Projekt als »Verwaltungsjob« abgetan werde und wies darauf hin, dass bei einem Nein auch St. Paul betroffen wäre. Dazu gebe es im LKH Wolfsberg einen Aufnahmestopp für soziale Fälle. Sie warf den Gegnern »Ignoranz und Inkompetenz« vor und schloss: »Wir geben auch einen Euro pro Bürger für das Tierheim aus.«

Schließlich erklärte sich auch ÖVP-Bürgermeister Maximilian Peter als einziger Vertreter seiner Fraktion – kurz: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Koordination der Ehrenamtlichen nicht mehr möglich ist – wir lehnen ab.«

Bei der Abstimmung votierten alle 14 Gemeinderäte von ÖVP, FPÖ und Team Kärnten für die Ablehnung der Fortsetzung des Pflegenahversorgung, 13 SPÖ-Mandatare waren dagegen. Das Projekt ist Geschichte ... Danach standen etliche Zuhörer auf und verließen erbost das Gemeinschaftshaus in Fischering, wo die Sitzung stattfand. »Nie wieder einen Gemeinderat«, sagte eine Betroffene.

Ein weiteres Vorhaben, das anfangs nicht unumstritten war, wurde dafür einstimmig abgesegnet: Der Neubau eines Rüsthauses für die FF Jakling. Wie berichtet, ist der wegen eines Wasserschadens, der das jetzige Gebäude nahezu unbenutzbar gemacht hat, dringend notwendig. Er soll mit einem neuen Modell erfolgen: Ein Wohnbauträger errichtet das Rüsthaus samt mehreren Wohnungen. Nachdem Stadtrat Ozwirk Kritik am Vorgehen und den Kosten des Grundkaufs geübt hatte, die die Bürgermeisterin zurückwies, fielen folgende Beschlüsse: Das Projekt wird entwickelt, 758 Quadratmeter werden für den neuen Standort – am bisherigen ist eine Neuerrichtung aus Platzmangel nicht möglich – um 60.640 Euro angekauft. Laut Vizebürgermeister Andreas Fleck (SPÖ) trägt Landesrat Daniel Fellner 50.000 Euro zum Kauf bei.

Ebenfalls einstimmig wurde eine Petition zur Wiederbelebung der Lavanttal-Bahn verabschiedet.

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