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Einzige Zuflucht für Herdenschutzhunde ist voll »ausgebucht«: Halter wollen ihre Tiere nicht mehr Ausgabe 34 | Mittwoch, 23. August 2023

Sissy Lippitz und ihre Familie betreiben den Verein »Secure Base«, der in Hintergumitsch Hunde dieser Rasse betreut – als einziger in Österreich. Das Unwetter hinterließ große Schäden, täglich gibt es Anfragen, ob Tiere untergebracht werden können – vergebens.

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Frantschach-St. Gertraud. Gleich an zwei Fronten müssen zurzeit Sissy und Konrad Lippitz kämpfen. Die Betreiber des Vereins »Secure Base« betreuen auf ihrem Anwesen in Hintergumitsch in der Gemeinde Frantschach-St. Gertraud zurzeit 19 Herdenschutzhunde – und sind damit an der Grenze ihrer Kapazität. Trotzdem gibt es täglich Anfragen, ob sie nicht weitere Tiere aufnehmen könnten.

Dazu hat das Unwetter, das zu Beginn des Monats schwere Schäden im Lavanttal anrichtete, auch ihr Gelände stark in Mitleidenschaft gezogen: Auf der einzigen Zufahrtsstraße ist das Bankett abgebrochen, fallende Bäume beschädigten Zäune, ein Hang setzte sich in Bewegung.

»Herdenschutzhunde brauchen eine Lobby. Die Leute sollen sie nicht nach Österreich bringen«
Sissy Lippitz, Verein »Secure Base«

Sissy Lippitz: »Das Unwetter hat auch uns voll getroffen, wir haben große Schäden. Für unsere Zufahrt ist eine Weggenossenschaft zuständig, nicht die Gemeinde. Der Weg wurde mittlerweile mit einer Art Kleber repariert, ich hoffe, dass es hält, denn sonst sind wir abgeschnitten.«

»Secure Base« ist die einzige Anlaufstelle in Österreich, die sich auf Herdenschutzhunde spezialisiert hat und sie aufnimmt. Das Ehepaar und Tochter Syrina halten auf dem Hof in Frantschach-St. Gertraud ausschließlich Hunde dieser Rassen. Und die sind eine Klasse für sich: Herdenschutzhunde wurden gezüchtet, um auf sich allein gestellt Gefahren von »ihren« Tiere abzuwehren – um jeden Preis. Geschützt durch ein dickes Fell, nehmen sie es mit Wölfen und sogar Bären auf. Grundsätzlich nicht aggressiv, vermuten sie im Alltag aber oft Gefahren, worauf sie ihre Familie oder ihr Territorium mit aller Vehemenz verteidigen – was zu bösen Zwischenfällen führt. 

Bestellt im Internet

Lippitz: »Zuletzt haben Landwirte solche Hunde über das Internet bestellt, wohl auch, um ihre Nutztiere vor Wölfen zu schützen. Dann kamen sie mit ihnen nicht zurecht, jetzt wollen sie sie wieder loswerden. Wir können aber maximal 20 Hunde aufnehmen – mehr geht nicht.« Zurzeit gibt es laut ihr täglich drei bis vier Notfall-Anfragen, in denen ihr Herdenschutzhunde angetragen werden: »Ich muss aber ablehnen, ich habe keine Wahl, denn wir haben die Kapazität nicht. Die Hunde werden dann wohl leider eingeschläfert.« Ihr Verein erhält weder Förderungen noch Zuschüsse der öffentlichen Hand, der Betrieb wird ausschließlich privat finanziert. 

Lippitz‘ Forderung: »Herdenschutzhunde brauchen endlich eine Lobby. Die Leute sollen sie nicht nach Österreich bringen, denn hier wissen nur sehr wenige,  wie man mit ihnen umgehen muss. Das ist gefährlich.« Sie und  ihre Familie setzen sich als einzige für diese Hunde ein. Ihnen ist es gelungen, in den vergangenen Jahren 51 Herdenschutzhunde zu resozialisieren und erfolgreich zu vermitteln.

Kooperation mit Aiderbichl

Jetzt arbeitet der Verein »Secure Base« mit dem Salzburger Gut Aiderbichl Henndorf zusammen, das Tiere in Not aller Art betreut: Auch dort sieht man sich in jüngster Zeit mit Herdenschutzhunden konfrontiert. Susanne Arnezeder, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des Guts: »In den vergangenen Jahren haben uns nur vereinzelt Anfragen zu Herdenschutzhunden erreicht. Seit diesem Jahr ist die Zahl der Anfragen jedoch eklatant gestiegen: Von Jänner bis August haben wir bereits etwa 30 Anfragen für Herdenschutzhunde oder deren Mischlinge, die die gleichen Charaktereigenschaften wie reinrassige Tiere zeigen, erhalten.«

Die Familie Lippitz betreut laut Arnezeder mittlerweile zwei Herdenschutzhunde von Gut Aiderbichl. Die Sprecherin: »Bei deren Verein werden sie artgerecht untergebracht, entsprechend trainiert und resozialisiert. Weitere Projekte wie etwa eine spezielle Ausbildung für unsere Mitarbeiter oder Seminare zum Thema Herdenschutzhunde sind derzeit noch in Planung.«

Arnezeder auf die Frage, ob Herdenschutzhunde eine adäquate Lösung darstellen, um Nutztiere gegen Wolfsangriffe zu sichern: »Es ist unbestritten, dass diese Hunderasse dafür geeignet ist, eine Herde zu beschützen. Zuvor muss allerdings geprüft werden, welche Charaktereigenschaften der jeweilige Hund aufweist, und wie er mit Wanderern oder fremden Hunden umgeht. Auch die Herkunft des Hundes ist dabei zu beachten.« Herdenschutzhunde, die in nicht artgerechter Haltung aufwachsen und die in der Jugend ein falsches Training bekommen haben – zum Beispiel unterdrückende Dominanz durch den Halter – zeigen laut Arnezeder in den meisten Fällen starke sozialen Störungen und sind ohne entsprechendes Training für ihre Aufgabe nicht geeignet.

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