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St. Margarethen. Seit mittlerweile drei Jahren ist Reinhard Stückler Biobauer. Vor rund dreieinhalb Monaten startete er am heimischen Hof eine »Umschulung« für Narzissa und Ingrid. Die beiden Milchkühe sind 14 bzw. zehn Jahre alt und haben in diesem Zeitraum jeweils die Rolle einer Ammenkuh eingenommen. »Bei Milchkühen ist es nicht üblich, dass die Kälber bei der Mutter bleiben. Schließlich will man die Milch ja auch verkaufen. Füttert man ein Kalb aus dem Eimer, hat man immer den Überblick, wie viel das Tier gefressen hat und es bleibt mehr Milch zum Liefern über«, beginnt Reinhard Stückler seinen Versuch zu erklären.
Die muttergebundene Kälberaufzucht hat hingegen andere Vorteile, doch befindet man sich hier noch auf unbekannten Wegen: »Es ist generell noch Neuland. Aktuell ist es noch ein Versuchsstadium. Andere Höfe beginnen damit auch gerade erst. Die Landwirtschaftliche Fachschule in Graz hat zum Beispiel einen neuen Stall gebaut, damit diese Art der Aufzucht möglich ist. Es ist also schon auch mit einem technischen Aufwand verbunden«, erklärt Stückler.
Versuch zeigt Vorteile auf
Doch die muttergebundene Kälberaufzucht bei Milchkühen bringt auch Vorteile mit sich, wie Stückler weiß: »Die Jungtiere sehen das Fressverhalten bei den Kühen und nehmen die Nahrung früher selbstständig zu sich, als es bei der Aufzucht mit dem Eimer der Fall wäre. Es ist eine Freude, wenn man sieht, wie die Kälber schon sehr klein mitlaufen und fressen.«
Stückler hat diese Versuchsphase vor rund 3,5 Monaten gestartet – durch Zufall, wie er erklärt: »Das Vorhaben war schon eine Zeit lang im Hinterkopf und wir hatten dann den Fall, dass unsere zehnjährige Kuh Ingrid kurz vorm Kalben in einem gesundheitlich eher schlechten Zustand war und waren darauf eingestellt, dass wir einen Tierarzt benötigen werden, wenn das Kalb da ist. Ingrid hat dann sogar Zwillinge zur Welt gebracht. Es war toll mit anzusehen, wie ihr Lebensgeist durch die Geburten geweckt wurde und sie danach wieder frei gestanden ist. Sie hatte dann so viel Milch, dass sie sogar ein drittes, fremdes Kalb aufgenommen hat.«
Auch die zweite Ammenkuh, die 14-jährige Narzissa, hat innerhalb von ein paar Stunden ein fremdes Kalb angenommen und sich ausgezeichnet geschlagen. »Sie hat die Mutterkuh fast weggedrängt. Aber ein solches Verhalten ist schwer lern- oder erziehbar und damit großteils vom Charakter des Tiers abhängig. Manche Mutterkühe kümmern sich nur wenig um ihren Nachwuchs, andere wiederum nehmen sofort fremde Kälber an«, erklärt Stückler.
Auf seinem Hof befinden sich aber nicht nur die beiden Ammenkühe mit den Kälbern, sondern insgesamt 50 Rinder, davon 23 Milchkühe, deren Bio-Milch er verkauft, plus deren Nachzucht, 20 Legehühner, Küken, Enten, Hunde und Katzen. Enten und Küken bilden zudem eine Patchworkfamilie, nachdem erstere Hühnereier ausgebrütet haben.
Wirtschaftlichkeit
Dass eine muttergebundene Kälberaufzucht bei Milchkühen nicht nur Vorteile hat, wird auch klar, wenn man die wirtschaftliche Seite betrachtet. »Durch diese Aufzuchtform habe ich nicht so einen gesicherten Ertrag, wie ich ihn sonst hätte. Man muss es managen, dass die Wirtschaftlichkeit nicht darunter leidet. Doch wenn es funktioniert, ist es schön zu sehen, wie vital die Kälber sind«, freut sich Stückler über seine Ammenkuhherde.
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