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Internationaler Frauentag: Die alten Rollenbilder müssen weg und Frauen sollen sich vernetzenAusgabe 10 | Mittwoch, 8. März 2023

Heute, am 8. März, ist der internationale Frauentag. Die Unterkärntner Nachrichten haben aus diesem Anlass mit Eveline Paier-Sternjak, Gabriela Kucher, Elisabeth Wuggenig und Claudia Arpa über Ungleichbehandlung gesprochen und was für die Gleichstellung nötig wäre.

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Unterkärntner Nachrichten Redakteur Michael Swersina Von Michael Swersina m.swersinano@spamunterkaerntner.at
Von links: Eveline Paier-Sternjak (Frauen- und Familienberatungsstelle), Claudia Arpa (Frauenhaus Wolfsberg), Gabriela Kucher (Frau in der Wirtschaft) und Elisabeth Wuggenig (Leiterin Human Resources bei Mondi) (v. l.) diskutierten anlässlich des Weltfrauentags. UN/much

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Wolfsberg. Anlässlich des internationalen Frauentags am 8. März luden die Unterkärntner Nachrichten Eveline Paier-Sternjak von der Frauen- und Familienberatungsstelle, Gabriela Kucher, Obfrau von »Frau in der Wirtschaft«, Elisabeth Wuggenig, Leiterin Human Resources bei Mondi und Claudia Arpa vom Frauenhaus in die Wirtschaftskammer ein, um darüber zu sprechen, was Frauen bewegt.

UN: Gesetzlich sind Frauen den Männern gleichgestellt. Ist das tatsächlich so und brauchen wir noch einen Weltfrauentag?
Gabriela Kucher:
Leider ist es nicht so, dass es eine Gleichstellung von Frauen und Männern gibt. Es gibt von der Wirtschaftskammer Kärnten den Equal-Pay-Day, und der war heuer am 16. Februar. Das heißt, Frauen haben heuer bis zum 16. Februar gratis gearbeitet.

Eveline Paier-Sternjak: Die Gleichstellung ist zwar gesetzlich vorgeschrieben, aber es braucht noch sehr viele Rahmenbedingungen, damit sie auch umgesetzt werden kann. Es gibt bei uns noch die traditionellen Rollenbilder, also patriarchalische Strukturen.  Und ja, wir brauchen den Weltfrauentag. Es  gibt noch so viele Dinge, die zu klären sind, die Menschen müssen sensibilisiert werden und es muss Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden. Der Frauentag ist einfach wichtig.

Woran liegt es, dass es in der Realität keine Gleichstellung gibt?
Claudia Arpa:
Frauen arbeiten sehr viel, aber nicht für sich. Meist handelt es sich um Care-Arbeit. Sobald eine Frau verheiratet ist und Mutter wird, auch wenn sie eine gute Ausbildung hat, stellt sich die Frage nach der Kinderbetreuung. Da fällt man oft in alte Rollenbilder zurück und das wird der Frau übertragen. Es muss einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz geben und es müssen auch Männer die Aufgaben erfüllen, die eine Mutter macht. Man muss dazu sagen, dass Frauen den Männern oft die Verantwortung, vor allem bei der Kinderbetreuung, nicht übergeben. Da müssen wir Frauen mutiger werden.

Kucher: Wir Frauen müssen beginnen, unsere Kinder nicht nach den alten Rollenbildern zu erziehen.  Meine Mutter hat zu mir immer gesagt, du musst kochen, putzen, bügeln, Kinder erziehen usw. Davon müssen wir wegkommen. Ich sage zu meinem Mann, wir beide wohnen in diesem Haus und wir sind beide für die Familie, auch für die Kinder, verantwortlich. Für Frauen geht es aber nicht nur um die Arbeit mit den Kindern, es wird uns ja auch die Pflegearbeit aufgelastet. Die alten Rollenbilder müssen endlich verschwinden, aber nicht nur  in den Familien, sondern auch in  den Unternehmen. Ich kenne viele Betriebe, die sich immer noch sträuben, wenn ein Mann sagt, ich gehe in Karenz.

Elisabeth Wuggenig: Wenn wir Frauen stärken wollen, müssen wir sie in auch in andere Berufsfelder als die klassischen Frauenberufe bringen. Dafür ist die Akzeptanz der Gesellschaft aber noch nicht so richtig gegeben. Aber es wäre sehr wichtig. Denn wenn Frauen in technischen Berufen arbeiten, sieht es für sie finanziell auch besser aus als in den klassischen Frauenberufen, und damit ist nicht mehr so ein Abhängigkeit vom Mann gegeben. Die Gesellschaft möchte, dass Frauen selbstständig sind und arbeiten, hat es aber noch immer nicht geschafft, eine ausreichende Kinderbetreuung anzubieten. Es ist zwar schon besser geworden, aber wir Frauen sind noch lange nicht dort, wo wir hinwollen.

Arpa: Ich glaube, es bräuchte eine Art Elternbildung, damit die Eltern die Mädchen ermutigen, in technische Berufe einzusteigen.

Kucher: Berufe sollten eigentlich überhaupt keiner Geschlechterrolle zugeordnet werden, sie müssen neutral sein. Das hält nämlich oft Frauen ab, einen typischen Männerberuf zu erlernen.

Man hört immer wieder, dass es Frauen nicht in Führungspositionen schaffen. Stimmt diese Aussage noch und wie sieht es im Lavanttal mit Frauen in Führungspositionen aus?
Wuggenig
: Es gibt schon auch bei uns im Lavanttal Frauen in Führungspositionen. Vor allem in mittelständischen Unternehmen sind oft Frauen mit im Führungsteam. Ich bin überzeugt davon, wenn man als Frau den Willen hat und weiterkommen möchte, ist es schon möglich.

Paier-Sternjak: Ein großes Problem ist aber, dass Bewerbungsgespräche für Männer und Frauen oft unterschiedlich ablaufen. Frauen werden immer noch gefragt, ob sie verheiratet sind, ob sie bereits Kinder haben, was passiert, wenn das Kind krank wird usw. Solche Fragen werden hingegen Männer nicht gestellt. Aber gerade das sind dann Fragen, durch die Frauen oft verunsichert werden.

Kucher: Es gibt viele Betriebe, die noch immer ein Problem damit haben, wenn Frauen noch keine Kinder haben oder nicht verheiratet sind. Bei Männern ist das niemals ein Thema.  

Arpa: Was wir Frauen machen müssen, ist, dass wir uns gegenseitig mehr stärken. Wir haben viele Ressourcen, die wir oft nicht nutzen, weil wir uns selbst im Weg stehen, warum auch immer. Die Lebensentwürfe von Frauen sind so unterschiedlich, und da braucht es mehr Toleranz unter den Frauen. Es gibt so viel Potenzial, das nicht genutzt wird, weil man den Männern gefallen bzw. deren Erwartungen erfüllen möchte. So wird zum Beispiel erwartet, das die Frau zu Hause bleibt, sich um die Kinder kümmert, kocht und putzt usw.

Wuggenig: Es wäre ganz wichtig, dass wir Frauen uns gegenseitig mehr unterstützen und vernetzen. Männer vernetzen sich besser. Die sind bei einem Serviceclub, bei einer Jagdgesellschaft, Golfclub usw. Und da werden dann oft viele wichtige Themen abgehandelt.

Paier-Sternjak: Oftmals ändern sich die Lebensumstände, zum Beispiel durch eine Scheidung. Die Frau bekommt dann nur wenig Geld, hat vielleicht keine Ausbildung, weil sie ihr Leben lang Hausfrau war, und dann steht sie auf einmal vor dem Nichts.

Kucher: Das Wichtigste ist, dass  jede Frau auf eigenen Beinen stehen kann. Auch wenn geheiratet wird, darf man nicht in eine Abhängigkeit kommen. Eine Frau braucht ihr eigenes Einkommen usw. Eine Frau sollte in Österreich die Wahl haben: Wenn sie möchte, sollte sie zu Hause bleiben und Mutter sein. Dann muss sie aber versichert sein und es darf keine Anfeindungen von anderen Frauen geben. Oder die Frau sagt, dass sie arbeiten geht und Karriere macht. Auch dieser Frau muss dann entsprechende Toleranz entgegengebracht werden. Das wäre das Optimale.

Arpa:Wichtig ist auch, dass es für Frauen die Möglichkeit gibt, Vermögen aufzubauen. Das ist in Österreich nicht möglich: Das Pensionssystem ist für Menschen, die ab dem 15. Lebensjahr arbeiten. Das können wir Frauen nicht. Wir ziehen Kinder groß, gehen Teilzeit arbeiten. Wir bekommen nicht die Pension, die uns zusteht. Wir müssen uns einmal anschauen, wer die Gesetze macht. Die wurden jahrzehntelang von Männern beschlossen, und ein Mann hat eine andere Schwerpunktsetzung als Frauen.

Paier-Sternjak: Um Frauen eine Karriere zu ermöglichen, müssen die Kinderbetreuungsmöglichkeiten ausgebaut werden. Es gibt zum Beispiel keine Möglichkeit für jemandem, der während eines Kindergartenjahrs zu arbeiten beginnt, einen Betreuungsplatz zu finden.

Wuggenig: Wichtig ist auch, dass es bei der Kinderbetreuung mehr Flexibilität gibt, denn die Arbeitswelt hat sich verändert. Betreuungseinrichtungen, die um 16 Uhr schließen oder überhaupt am Nachmittag geschlossen haben, sind nicht mehr zeitgemäß. Daher haben wir bei Mondi Frantschach auch eine betriebliche Kinderbetreuung, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern.

Kucher: Das mit der Kinderbetreuung ist ein großes Problem und oftmals der Grund, warum Frauen in Teilzeitarbeit landen.

Hat sich das Benehmen von Männern gegenüber Frauen verändert? Gibt es den Klaps auf das Gesäß der Kellnerin oder das »Puppi« noch?

(Lautes Gelächter.) Arpa: Das ist immer noch üblich. Es hat sich absolut nichts geändert. Ich denke mir immer, nur weil ich eine Frau bin, bin ich mehr gefährdet. Warum hat ein Mann mehr Macht als eine Frau? Wenn ich als Frau nein sage, heißt es nein – und das muss man auch den jungen Männern beibringen.

Wuggenig: Ich bin bei den Sor-optimisten, und wir nehmen  jedes Jahr bei »Orange the World«  (Anm.: gegen Gewalt an Frauen) teil. Wir wollen damit zeigen, dass auch in Österreich immer noch sehr viele Frauen Gewalt erleiden.

Kucher: Viele »Vergehen« werden von Männern als Kavaliersdelikte abgetan, und die Männer haben noch sehr oft die Kontrolle über die Frauen. Ich merke das auch bei meinen Kundinnen: Wenn eine Kundin  längere Zeit nicht bei mir war und ich sie frage, wo sie so lange gewesen ist, bekomme ich oft als Antwort, dass der Mann auf Urlaub war und sie Zeit mit ihm verbringen musste. So etwas hört man von einem Mann nicht. 

Paier-Sternjak: Es gab leider einen Anstieg bei Gewalt, aber nicht nur bei der physischen, sondern auch bei der psychischen. Und da sind Frauen oftmals nicht gut informiert, was sie dagegen tun können. Es ist für Frauen generell oft schwer, zuzugeben, dass sie Opfer von Gewalt sind.

2022 wurden 28 Frauen in Österreich ermordet, in diesem Jahr bereits fünf. Woran liegt das?
Arpa
: Ich glaube nicht, dass Frauenmorde geplant sind. Männer, die aggressiv sind, die kennt man meistens, es wird aber oft heruntergespielt. Gewalttaten müssen von der Gesellschaft anders sanktioniert werden. Es muss einen Aufschrei geben, wenn eine Frau ermordet wird. Bei uns heißt es oft, ist halt so. In anderen Ländern ist es gesellschaftlich verpönt, da gehen, wie zum Beispiel in Spanien, Menschenmassen auf die Straßen.

Paier-Sternjak: Meistens passieren solche Taten, wenn es um die Trennung geht. Das macht dem Partner Angst, er verliert »Eigentum«, er denkt sich, sie gehört nicht mehr mir, also soll sie niemand bekommen.

Kucher: Männer verarbeiten Trennungen ganz anders als Frauen. Das ist aber eine Erziehungssache. Ein Mann muss stark sein, darf nicht weinen usw. Aber wenn er immer alles schlucken muss, explodiert er irgendwann. Das Rollenbild muss sich ändern.

Wie wichtig ist das Gendern?
Paier-Sternjak: Man kann oftmals einen Text nicht mehr lesen mit Wörtern wie Deine/r oder ArbeiterInnen usw. Es macht aber schon auch Unterschiede sichtbar. Bei bestimmten Sachen macht es durchaus Sinn. Aber man kann natürlich auch alles übertreiben.

Wuggenig: Es gibt auch Synonyme, um das Gendern zu umgehen. Bei Mondi sagen wir nicht Abteilungsleiter oder -leiterin, sondern Führungskraft. Oder Belegschaft statt Arbeiter und Arbeiterinnen. Gendern macht etwas im Kopf, aber ich bin kein Hardliner.

Arpa: Es gibt nicht nur Mann und Frau, es gibt auch noch andere Geschlechterrollen, und auch für die braucht es eine künftig Bezeichnung, damit sie einen Platz in der Gesellschaft finden.

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