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Lokalaugenschein am neuen Bahnhof St. Paul, um zu klären: Wer hat recht – Reisender oder ÖBB? Ausgabe 7 | Mittwoch, 14. Februar 2024

St. Pauler schilderte, wie er nachts am neuen Bahnhof angekommen und »gestrandet« war: keine Informationen, kein Bus. Die ÖBB widersprachen entschieden. Die Unterkärntner Nachrichten überzeugten sich selbst – und fanden die Angaben des Reisenden bestätigt.

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St. Paul. Wer hat recht? Der Bahnfahrer Adam Zellnig, der sein »Abenteuer« nach der nächtlichen Ankunft am Bahnhof St. Paul und die dort gemachten Erfahrungen schilderte? Oder die ÖBB, die seinen Aussagen in beinahe allen Punkten widersprachen? Die Unterkärntner Nachrichten machten sich selbst ein Bild am nagelneuen Bahnhof – und fanden Zellnigs Angaben weitgehend bestätigt.

Wie in unserer Ausgabe UN 5/2024 berichtet, kam Zellnig am Samstag, 20. Jänner, um 21.12 Uhr mit dem Zug in St. Paul an. Der 68-Jährige hatte einen Aufenthalt in Marokko hinter sich und sah den fertigen Bahnhof zum ersten Mal. Er fand sich mutterseelenallein darin vor: »Ich war der Einzige, der mit diesem Zug angekommen ist. Der Bahnhof war hell erleuchtet, allerdings umgeben von Ackerland und völliger Finsternis – und ohne eine Menschenseele«, berichtete er.

»Wer die unterste Zeile mühelos lesen will, darf nur 50 Zentimeter groß sein«
Erkenntnis beim Lokalaugenschein

Der Weitgereiste wartete auf ein Shuttle, das ihn nach St. Paul bringen sollte – vergebens. »Dann habe ich mich im Bahnhof umgesehen, ob irgendwo Informationen ausgehängt sind, wie man weiterkommen kann, mit einem Shuttle oder einem Taxi. Ich habe nichts gefunden.« Vor dem Gebäude entdeckte er einen Plakatständer mit dem Postbus-Fahrplan. Der war aber so tief angebracht, dass Zellnig auf die Knie gehen musste, um ihn zu lesen. Eine geeignete Verbindung fand er darauf nicht. 

Schließlich packte er seinen Koffer und machte sich zu Fuß auf den etwa 2,5 Kilometer langen Heimweg. Er ging auf geschotterten Nebenwegen, um die stockdunkle Hauptstraße zu vermeiden.« Nach 25 Minuten war Zellnig am Ziel. 

Sein Resümee: »Da wird mit Millionen-Aufwand gebaut – und rundherum gibt es nichts. Aber man könnte die Fahrgäste doch informieren, wie sie von dort weiterkommen. Wenigstens einen Zettel mit der Nummer eines Taxiunternehmens könnte man aufpicken.«

ÖBB-Sprecher Herbert Hofer hielt dagegen. Er sagte zu den Unterkärntner Nachrichten: »An diesem Tag wäre 35 Minuten später ein Bus nach St. Paul gefahren. Denn jeder ankommende Zug hat binnen vier Minuten einen Busanschluss. Nur bei diesem einen Zug, der um 21.12 Uhr ankommt, dauert es 35 Minuten, weil auf den Zug aus Klagenfurt, der etwas später eintrifft, gewartet wird.«

Der Sprecher sandte eigens einen Mitarbeiter nach St. Paul, der sich dort umsah. Hofer: »Alles in Ordnung, es gibt Pläne für die Postbus-Anbindung. Und auf Kniehöhe befinden sie sich nicht.«

Nur Montag bis Freitag

Das kommt darauf an, wie groß man ist. Beim Lokalaugenschein zeigte sich, dass sich tatsächlich vor dem Bahnhof im Bereich der Bushaltestellen zu beiden Seiten des Flugdachs Plakatständer mit Informationen zu den Abfahrtszeiten nach St. Paul und Wolfsberg befinden. Die Postbus-Fahrpläne reichen aber nur von Montag bis Freitag, »wenn Schultag in Kärnten«, wie vermerkt ist.  Und wer die unterste Zeile mühelos lesen will, darf nur 50 Zentimeter groß sein. Alle anderen empfiehlt sich Weitsichtigkeit, tiefes Bücken – oder das Sinken auf ein Knie.

»Kann ja nicht sein«, denkt man, und betrachtet auch die Rückseiten der Ständern: Dort werden die weiteren Tage sicher aufgelistet sein. Aber nein. »Kärntner Linien« steht darauf, weiter nichts.

Zellnig, der an einem Samstag ankam, hatte also recht, wenn er sagte, er fand keine Angaben zu einer Busverbindung nach St. Paul.

Um die Fahrplan-Tafeln zu finden, muss man das Bahnhofsgebäude verlassen und – als Ortsunkundiger – ein bisserl nachdenken, wo ein Bus abfahren könnte. Denn ganz leicht zu entdecken ist der Dreiecksständer mit dem Plan vom Eingang aus nicht. Weitere Hinweise auf einen Busfahrplan waren im und rund um das Gebäude nicht zu finden – sieht man von einer ausgehängten »Sonderinformation« ab, auf der der Standort der »Ersatzhaltestelle« mitgeteilt wird, sollte der Zug ausfallen. Es fand sich auch keine Nummer eines Taxiunternehmens, das verständigt werden könnte. 

Die Erreichbarkeit des Bahnhofs ist so angelegt, dass sie auf Rädern erfolgen muss. Ein großzügiger Parkplatz steht zur Verfügung, dazu ein weitläufiger Abstellraum für Fahrräder direkt im Bahnhof. Letzter ist hervorragend ausgestattet, die – heutzutage recht kostspieligen – Drahtesel können an metallene Gestelle gesperrt und dort gut gesichert werden. 

Auch das Innere des Bahnhofs ist vom Feinsten. Im Wartesaal ist eine Ausstellung aufgebaut, in der antike Fundstücke zu bewundern sind, die während des Baus der Koralmbahn entdeckt wurden. Die Toilette durfte an diesem Tag kostenlos benutzt werden, denn die Schranke, an der eigentlich eine Münze eingeworfen werden muss, stand offen. Überall im Bahnhof verteilt sind digitale Bildschirme, die über Abfahrt und Ankünfte der Züge informieren. Sollten sie ausfallen, stehen auch auf Papier gedruckte und an den Scheiben angebrachte Pläne bereit. Das Gebäude – abgesehen von den unterirdischen Zugängen zu den Bahnsteigen – wirkt hell, freundlich, einladend. 

Trubel sieht anders aus

Viel los ist allerdings (noch) nicht. Während des Lokalaugenscheins warteten lediglich drei Personen auf ihre Bahnverbindung, einzelne Schüler kamen mit Bussen an. Das ÖBB-Reisezentrum ist derzeit nur »Montag bis Freitag (wenn Werktag)« von 8 bis 12.30 Uhr geöffnet. Den Rest der Zeit haben die Passagiere den Bahnhof für sich allein, Bahn-Mitarbeiter waren nicht zu erkennen. Aber wie sagte ÖBB-Sprecher Hofer: »Jetzt wird dieser Bahnhof mit Nahverkehrszügen bedient, er spielt noch keine große Rolle. Wenn die Züge ab 2025 bis Graz fahren, wird sich das aber ändern. Und mit dem Österreich-Takt ab 2028, wenn der Semmering-Tunnel eröffnet ist, wird dieser Bahnhof sehr wichtig sein.« 

Bis dahin sollte man noch an den Info-Details des Weitertransports ein wenig feilen ... 

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