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Gefallener Soldat in Polen entdeckt: Jetzt erzählt die Schwägerin über den Lavanttaler Hans RaggerAusgabe 21 | Mittwoch, 26. Mai 2021

»Er war so ein netter Mann«, sagt die St. Andräerin Hilde Bergthaler über Hans Ragger, der lange Zeit als vermisst galt. Er hatte 1944 ihre Schwester Maria geheiratet. Sie wartete zehn Jahre auf ihn, ohne zu wissen, dass er 1945 in Polen ums Leben gekommen war.

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Unterkärntner Nachrichten Redakteur Horst Kakl Von Horst Kakl kaklno@spamunterkaerntner.at
Links das Hochzeitsbild von Maria und Johann Ragger, das er als Soldat immer bei sich trug. Die Beiden heirateten am 1. Juli 1944. Auf dem Kriegerdenkmal in St. Stefan (Mitte) ist Ragger als Vermisster vermerkt. Rechts ein Bild von Maria in ihrer Schwesterntracht. Viele Jahre wartete sie auf Johann, dann heiratete sie wieder. Fotos: Hok, Repro, KK

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St. Andrä, Wolfsberg. »Sie hat sehr lange um ihn getrauert«, sagt Hilde Bergthaler. Die 89-Jährige sitzt in ihrem Wohnhaus auf der Goding, hoch oben über dem Lavanttal. Sie bemerkt den atemberaubenden Ausblick in ihrem Rücken aber nicht, sie denkt an ihre verstorbene Schwester Maria, deren Leben sich im Jahr 1945 schlagartig und für immer änderte. Maria war die Ehefrau von Johann Ragger, der in den letzten Kriegsmonaten als Soldat der deutschen Wehrmacht fiel und bisher als vermisst galt. Unter dieser Rubrik ist sein Name auch auf dem Kriegerdenkmal in St. Stefan verzeichnet.

Wie berichtet wurden die sterblichen Überreste Raggers und seine Dokumente im polnischen Dorf Czarków nahe der Stadt Pszczyna (deutsch: Pless) in Oberschlesien entdeckt. Roman Golus, Historiker aus Polen, wandte sich mit der Bitte an die Unterkärntner Nachrichten, bei der Suche nach Angehörigen zu helfen. Golus hatte dem Schicksal des damals 25-jährigen Ragger nachgespürt und ans Licht gebracht, dass er am 28. Jänner 1945 am Waldrand nahe Czarków von russischen Kugeln getötet worden war. Ein Bauer vergrub den Leichnam auf seinem Feld und versteckte dessen Dokumente – eine Brieftasche, einen Brief von Raggers Ehefrau Maria und ein Hochzeitsfoto – zu Hause. Denn hätten sie die Russen entdeckt, wäre der Pole samt Familie nach Sibirien deportiert worden. Im Vorjahr wurden die Dokumente bei der Renovierung des Gebäudes wiederentdeckt, auch die letzte Ruhestätte des Soldaten ist mittlerweile bekannt.

Nachdem die Unterkärntner Nachrichten über Ragger berichtet hatten, meldete sich erst der gebürtige St. Andräer Armin Sumper. Er lebt in Wien, befasst sich mit Ahnenforschung und übermittelte einen Auszug aus einem alten Wolfsberger Geburtsbuch. Der Eintrag lautet: Johann Ragger, geboren am 16. März 1921 in Vordergumitsch am Hof vulgo Schinagl. 1955 wurde er nachträglich für tot erklärt, als Sterbedatum der 29. Jänner 1945 festgesetzt.

Und: Ragger heiratete am 1. Juli 1944 Maria Heine in Wolfsberg. Damit klärte Sumper auch einen Irrtum auf: Denn im Brief, den Raggers Frau an ihr »Schatzerle« geschrieben hatte, war ihre Unterschrift falsch entziffert und als »Anette« gelesen worden. Kurz später traf ein weiterer wichtiger Hinweis ein: Erwin Bergthaler schrieb an die Unterkärntner Nachrichten, seine Mutter Hilde sei die Schwägerin von Johann Ragger.

»Vielleicht ist es am besten, man lässt ihn in Polen in Frieden ruhen«
Hilde Bergthaler, Schwägerin von Johann Ragger

Ob noch ein Verwandter lebt? »Er war so ein netter Mann«, erzählt Hilde Bergthaler über ihren Schwager. »Ich war damals noch ein junges Mädchen. Er und meine zehn Jahre ältere Schwester Maria lebten in Bad St. Leonhard, daher sah ich sie nicht so oft. Aber wenn sie zu uns auf die Goding kamen, war er immer sehr freundlich. Ich weiß noch, dass er zwei Schwestern und einen Bruder hatte. Ob einer von ihnen noch lebt? Ich weiß es nicht.«

Die Beziehung zwischen Maria und Johann, genannt Hans, war sehr eng. Bergthaler: »Als er seinen letzten Urlaub hier verbracht hatte und zurück in den Krieg musste, begleitete ihn meine Schwester bis zur polnischen Grenze. Später erhielt Maria die Vermisstenmeldung und war völlig fertig.« Viele Jahre wartete sie, ob Hans nicht doch noch heimkehren würde – irgendwann aber gab sie die Hoffnung auf. »Zehn Jahre später hat sie wieder geheiratet«, sagt Bergthaler. Maria hatte in der Zwischenzeit die Schwesternschule besucht und arbeitete als Krankenschwester in Wolfsberg. »Sie hat sich immer so sehr Kinder gewünscht – es hat aber nicht sollen sein«, so die 89-Jährige. 1980 starb Maria mit 57 Jahren an Krebs, ihr zweiter Mann war da ebenfalls schon tot.

Was soll mit den Überresten von Hans Ragger geschehen? »Ich weiß es wirklich nicht«, sagt Hilde Bergthaler. »Könnte nicht die Stadt Wolfsberg oder die Republik Österreich dafür sorgen, dass er nach Hause kommt? Immerhin hat er für das Vaterland gekämpft und ist dafür gestorben.« Sie überlegt, dann: »Vielleicht ist es am besten, man lässt ihn in Polen in Frieden ruhen ...«

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