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»Eigentlich sollte ich nicht mehr leben«: Wie ein Lavanttaler vor 40 Jahren knapp dem Tod entgingAusgabe 29 | Dienstag, 16. Juli 2024

1984 stürzte ein Heeresflugzeug in Kärnten ab, sieben Soldaten kamen um. Auch der St. Pauler Christian Tripolt, damals Präsenzdiener, sollte an Bord sein. Er war im letzten Augenblick abkommandiert worden. Das Erlebte prägte sein Leben und beschäftigt ihn bis heute.

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Unterkärntner Nachrichten Redakteur Horst Kakl Von Horst Kakl kaklno@spamunterkaerntner.at
Unten: Christian Tripolt (2. v. l.) mit seinen Kameraden, die wenig später beim Absturz starben. Oben Tripolt heute: Neben seiner Wohnung in St. Paul betreibt er eine öffentliche Ausstellungsfläche, auf der er seine Bilder zeigt. Hier erinnert er auch an das Unglück vom 27. Juni 1984, das sechs Soldaten, einen Piloten und einen Helfer das Leben kostete. Fotos: Faksimile, UN

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St. Paul, Ebenthal. »Nach dem Unfall hat sich für mich alles verändert«, sagt Christian Tripolt. Der heute 60-jährige St. Pauler hat vor 40 Jahren, am 27. Juni 1984, als Präsenzdiener einen Flugzeugabsturz »überlebt«, bei dem sechs Soldaten, der Pilot und im Anschluss ein Feuerwehrmann ums Leben kamen. Es war einer der schwersten Flugunfälle des Bundesheers.

Auf der Homepage des Verteidigungsministeriums wird die Katastrophe so beschrieben: »Im Rahmen einer Luftlandeübung des Jägerbataillons 25 wurde die damals neu angeschaffte Pilatus PC-6 ›Turbo Porter‹ eingesetzt. Ein erfahrener Pilot und Fluglehrer mit 3.500 Flugstunden transportierte die Soldaten mit Gepäck. Oberhalb von Goritschach, in der Gemeinde Ebenthal, wurde ihm eine unangenehme Thermik zum Verhängnis und die PC-6 zerschellte an einer Felswand.« Alle Insassen wurden getötet. Bei den Bergungsarbeiten rutschte ein Feuerwehrmann im steilen Gelände aus und starb ebenfalls. »Dieser Tag ist einer der traurigsten in der Geschichte des Bundesheeres«, schreibt das Verteidigungsministerium.

Tripolt sollte eigentlich ebenfalls an Bord der Maschine sein: »Ich war Teil der Stabskompanie des Jägerbataillons 25 und tat in der Khevenhüller-Kaserne in Lendorf bei Klagenfurt Dienst. Am Abend vor dem Unglück habe ich mit meinem Kameraden noch über alles mögliche – Forschung, Science Fiction, Astralreisen – gesprochen, am Tag danach stand ich mit ihnen beim Morgenappell zusammen. Aber dann wurde ich eingeteilt, einen Unteroffizier zur Waisenhaus-Kaserne in Klagenfurt zu fahren.« Der Flug war für Tripolt damit gestrichen, der Präsenzdiener Alois Schwaiger, ein 19-jähriger Fernmeldemonteur aus Tamsweg, nahm seinen Platz ein. Während seine Kameraden in die Pilatus stiegen, gab Tripolt den Chauffeur – was ihm das Leben rettete.

Die Todesnachricht
Am Nachmittag des 27. Juni wartete er einen Pinzgauer, ein geländegängiges Heeresfahrzeug, als ein Wagen auf das Kasernengelände fuhr. Der Adjutant des Kraftfahrkommandanten stürzte heraus, Tripolt lief ihm entgegen – und erfuhr vom Absturz und dem Tod der Soldaten.

Später kam es zu einer Begegnung, die ihn noch heute bewegt: »Die Eltern eines verunglückten Soldaten erschienen in der Kaserne und wollten zur Unglücksstelle gebracht werden.« Neben einem Unteroffizier wurde auch Tripolt als Begleiter ausgewählt. In Goritschach baten ihn die Hinterbliebenen, für ein Foto in den Aufschlagkrater zu treten ...

Doch nicht nur das Leben des St. Paulers hat sich nach diesem Tag verändert, erzählt er: »Beispielhaft wird das an der Person des Zugskommandanten, der seinen Lebensstil danach um 180 Grad drehte: Er trennte sich von seiner Frau und begann ein Leben ohne Alkohol, Zigaretten und kulinarische Exzesse.«
Auch Tripolt musste das Erlebte mühsam aufarbeiten: »Eigentlich sollte ich nicht mehr leben. Mir wurde die Vergänglichkeit der eigenen Existenz bewusst, wie schnell das Leben enden kann. Daher soll man im Leben tun, was einem Freude macht.« Von 1985 bis 1995 unternahm er lange Reisen, er lebte sieben Monate in Griechenland, erkundete weitere europäische Länder. Zwei Jahre lang tourte er mit dem Rucksack durch die Welt, gelangte bis nach Südostasien.

Malen, schreiben, formen  
Es folgte die Gründung einer Familie, der Gelderwerb im feinmechanischen Bereich. Doch der Sohn einers Bergarbeiters im Lavanttaler Kohlebergbau widmete sich auch der Kunst: »Damit hatte ich schon während meiner Lehrzeit begonnen. Seit 2018 gehe ich dem ganz intensiv nach, ich male Bilder, schreibe Gedichte und forme Figuren.«

»Mir wurde die Vergänglichkeit der eigenen Existenz bewusst«
Christian Tripolt über das Erlebte

Neben seiner Wohnung in St. Paul hat er sich eine öffentliche Ausstellungsfläche geschaffen, an der er seine Bilder zeigt. Dort erinnert er auch mit Zeitungsausschnitten und Fotos an seine Kameraden und das Unglück. Und er schrieb ein Buch: »Der Galgenbichl« wurde 2017 veröffentlicht. In 20 Kapitel beschreibt er darin 20 Jahre seines Leben – und die Katastrophe, von der er verschont blieb.

Derzeit betätigt er sich wieder als Autor: Er arbeitet an seinem zweiten Buch, das den griechischen Arbeitstitel »Isos abrio«, auf Deutsch »Vielleicht morgen«, trägt. Behandelt wird darin die Zeit in Griechenland. Laut Tripolt soll es demnächst fertig sein.

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