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Gastkommentar zum Weltfrauentag: Claudia Arpa: »Wenn Frauen in eine Branche drängen, sinken Ansehen und Gehalt der Sparte«Ausgabe 10 | Mittwoch, 9. März 2022

Anlässlich des internationalen Frauentages am 8. März schreibt die Leiterin vom Frauenhaus Wolfsberg, Claudia Arpa, in einem Gastkommentar, über Gewalt an Frauen, Unterschiede am Arbeitsmarkt und was es in Zukunft für Frauen in Österreich braucht.

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Es ist schwer, sich in Zeiten wie diesen auf die täglichen Herausforderungen zu konzentrieren, wenn ein Land in Europa kriegerischer Aggression ausgesetzt ist.

Wir sollten uns aber auch bewusst werden, dass in diesem Krieg nicht nur die Menschen in der Ukraine bedroht sind, sondern auch unsere Freiheit in Europa. Die Beschneidung der Demokratie fängt zuallererst immer mit der Beschneidung von Frauenrechten an. Das möchte ich anlässlich des internationalen Frauentages ins Bewusstsein rufen.

Oft höre ich, dass Frauen selbst schuld sind, wenn sie von ihrem Partner oder Familienmitglied mit Gewalt konfrontiert werden, dass sich Frauen häufig wegen ihrer Benachteiligung beklagen würden, und sich gleichzeitig freiwillig schlecht bezahlte Berufe aussuchen würden, anstatt sich für Technik zu interessieren.
Häufig wird argumentiert, dass Frauen halt schon auch wollen müssen – dann klappt es schon mit dem selbstbestimmten Leben. Doch ganz so einfach ist das nicht.

Als Leiterin des Lavanttaler Frauenhauses bin ich täglich mit Ungleichheiten und mit Gewalt an Frauen konfrontiert. Die Pandemie ist vor allem eine »Krise der Frauen« und es ist aus meiner Sicht unverantwortlich, dass gerade für sie kein »Rettungsschirm« in Sicht ist. Es ist unbestritten, dass Frauen in der Krise noch mehr unbezahlte Sorgearbeit leisten, vielfach in systemrelevanten Branchen arbeiten und sich dadurch nicht nur einem höheren Infektionsrisiko, sondern auch psychischer und physischer Belastung aussetzen. Sie müssen als unbezahlte Betreuerinnen in Familien die Lücken füllen, die geschlossene Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen und andere Dienste hinterlassen.

Viele Frauen sind einfach erschöpft vom ständigen Stress und Druck sowie der mentalen Last der Alltagsorganisation. Manche kündigen ihre Arbeit oder brechen eine Ausbildung ab und riskieren damit zusätzliche finanzielle Einbußen bzw. eine größere Abhängigkeit von ihrem Partner. Auch der Mut für den Ausstieg aus einer Gewaltbeziehung schwindet in der aktuellen Situation.

Das Frauenhaus
Im Frauenhaus suchen Frauen Schutz, die in ihrem Umfeld sogenannte Partner-Gewalt erfahren. Gewaltausbrüche in Partnerschaften werden anfangs durch äußere Umstände wie Stress oder Sucht erklärt, zumal der Partner das Verhalten auch bereut. Dadurch schöpfen die Frauen Hoffnung, dass sie wieder »den Mann haben, in den sie sich verliebt haben«. Häufig übt der (Ex-)Mann Kontrolle, Macht und Besitzansprüche aus.

Die massivste Form der Gewalt ist wohl die körperliche Gewalt, bis hin zur stärksten Ausprägung – einem Mord, auch Femizid genannt. Und das ist auch in Kärnten ein Thema, denn leider gab es 2021 sechs Mordversuche sowie einen Frauenmord in Kärnten.

Häufig werde ich gefragt, warum es so viele Frauen nicht schaffen, sich selbst und frühzeitig aus solchen Beziehungen zu lösen – einfache Erklärungsmodelle gibt es dazu nicht, Beziehungsdynamiken und individuelle Lebensläufe und Erziehung spielen eine große Rolle, auch die Frage, welche persönlichen Grenzen jede Frau für sich zieht. Auch pure Geldsorgen und Existenzängste sind oft Gründe, in Gewaltbeziehungen auszuharren. Die Frauen wissen natürlich, dass Trennung und Umzug auch finanziell eine große Belastung sind.

Was hilft?
Kein Arbeitsmarkt aufgeteilt in Blau und Rosa. Die Statistik zeigt: Dort wo viele Frauen arbeiten, wird schlechter gezahlt. Sobald Frauen in eine Branche drängen, sinkt das Ansehen der Sparte - und das Gehalt gleich mit. Übrigens: Umgekehrt gilt das auch: Wenn Männer einen Beruf übernehmen, dann steigt das Gehalt: In den Anfangszeiten der Computerbranche war das Programmieren Frauensache. Als Computer immer wichtiger wurden, haben die Männer das übernommen: natürlich nur gegen höhere Bezahlung.

Was wir Frauen brauchen:
• Eine gleichberechtigte Gesellschaft,
• einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab Geburt,
• eine verpflichtende Karenz-Aufteilung und exzellente Kinderbetreuungsplätze,
• gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Zahlen wir der Altenpflegerin gleich viel wie dem Kfz-Mechaniker.

Das Ziel muss es sein, dass das Geschlecht bei der Höhe der Entlohnung und Pension keinen Unterschied macht.

Ganz wichtig ist auch, dass man bei Gewalt nicht wegschaut, Betroffenen diskret Hilfe unter vier Augen bietet und Expertinnen um Unterstützung bittet.

// Info
Das Lavanttaler Frauenhaus bietet Schutz vor Gewalt für sieben Frauen und elf Kinder und ist durchgehend geöffnet. Wir haben rund um die Uhr professionelle Ansprechpersonen, damit ein neuer Alltag trotz Krise möglich ist. Während des Aufenthaltes können Themen wie persönliche Stabilisierung, Existenzsicherung, Arbeitsplatzsuche, Obsorge, Kontaktrecht und gegebenenfalls Scheidung geklärt werden. Hilfetelefon: 04352/36929

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