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Wolfsberg. Viele träumen davon, doch nur wenige setzen das Vorhaben in die Realität um. Gernot Schüßler (36) nahm sich eine Auszeit und segelte drei Monate lang – von September bis November 2024 – mit seinem besten Freund Alexander Raß (39) auf dem eigenen Boot durch das Mittelmeer.
»Ich kam durch Freunde im Jahr 2010 das erste Mal zum Segeln. Wir haben eine Woche in Kroatien verbracht und ich war sofort davon begeistert«, blickt Schüßler zurück, der im Jahr darauf den »kleineren« Segelschein und ein weiteres Jahr später den FB3-Schein, der Fahrten 200 Meilen von der Küste entfernt ermöglicht, machte.
Gemeinsam mit Alexander Raß hat er nicht nur die Segelscheine gemacht, sondern war bis zum heurigen Sommer auch ausschließlich in Kroatien gesegelt, wie er erzählt: »Wir haben praktisch alles entlang der kroatischen Küste gesehen und kennengelernt. Das war auch der Grund, warum wir uns nach etwas Neuem umgesehen haben.« Das Duo wollte über einen längeren Zeitraum auf dem Meer bleiben. »Am Anfang war geplant, eine dreimonatige berufliche Auszeit zu nehmen und ein Boot zu chartern«, sagt der 36-Jährige, der beruflich als »Electrical Supervisor« bei der Knapp AG in Hart bei Graz tätig ist. Die Firma stimmte einem dreimonatigen Sabbatical zu. Auch Raß, der als Maschinenbau-Ingenieur tätig ist, erhielt von seinem Arbeitgeber grünes Licht für das Vorhaben.
Bootskauf in Griechenland
Doch die Planung gestaltete sich schwieriger als gedacht. »Wenn man in Kroatien ein Boot chartert, kann man nur in kroatischem Gewässer segeln. Es gibt teilweise Kompromisse, dass man bis Italien kommt, aber das war für unser Vorhaben keine Lösung. Deshalb haben wir uns gefragt, was wir machen können. Die einzige Möglichkeit für uns war ein eigenes Boot zu kaufen«, sagt der Wolfsberger. Ein kleines Boot, auf dem bis zu vier Personen Platz finden, sollte es werden, und schließlich wurden sie im Internet fündig. »Wir haben in Griechenland eine Bavaria 34, Baujahr 1984, von einem deutschen Besitzer gefunden. Wir sind hingeflogen und haben sie uns vor Ort angesehen. Die Grundsubstanz war wirklich gut – Mast, Segel, Deck und Rumpf waren in einem super Zustand. Wir haben sie gekauft und in den zwei Jahren danach ständig Geld reingebuttert«, lacht Schüßler. Die beiden Wolfsberger flogen innerhalb von zwei Jahren zehn Mal für jeweils eine Woche nach Griechenland, um das Boot, das in Plataria in der Nähe der Insel Korfu lag, zu restaurieren. Von Solarpaneelen über das Funkgerät bis hin zur Dusche – das Duo hat das Boot für ihr Vorhaben voll ausgestattet: »Wir haben dann jede Schraube gekannt. Die komplette Elektrik wurde neu gemacht, Ersatzteile haben wir in Online-Shops direkt nach Griechenland bestellt.«
»Ich habe mir die Stadt angesehen, mich tätowieren lassen und war unterwegs«
Gernot Schüßler über seine Zeit in Palermo
Im Juni 2024 folgte der erste Praxistest, das Boot wurde zu Wasser gelassen. »Durch die Mehrausstattung wog das Boot rund 500 bis 600 Kilogramm mehr. Den ersten Törn haben wir nach Zakynthos unternommen. Das war der positive Test, der uns gezeigt hat, dass wir loslegen können«, erklärt Schüßler, der für die Knapp AG fünf Jahre lang in den USA und Australien tätig war.
Bis nach Palermo
Am 3. September 2024 starteten Schüßler und Raß mit ihrem Boot in Plataria. Über Othonai ging es auf der »Straße von Otranto« nach Italien. Weiter ging die Reise entlang des italienischen Stiefels bis nach Sizilien. In Giarre verbrachte das Duo vier Tage, von wo aus sie auch den Ätna bestiegen. Weiter ging es entlang der Straße von Messina bis nach Palermo. In Italiens fünftgrößter Stadt verbrachte Gernot Schüßler eine Woche alleine. Sein Freund musste wegen Zahnproblemen den Weg in die Heimat antreten. »Ich habe mir die Stadt angesehen, habe mich tätowieren lassen und war unterwegs«, blickt der 36-Jährige zurück.
Nach einer Woche kehrte Raß mit einem Freund, Wolfgang Wadler, zurück. Zu dritt ging die Reise weiter nach Tunesien, wo man Cap Bon erreichte und gleich in der ersten Nacht von der örtlichen Polizei kontrolliert wurde. »Sie wollten wissen, wer wir sind, wohin wir weiterreisen usw. Am nächsten Tag wurden wir bei der Weiterfahrt nochmals von einem Marineboot begleitet, um zu überprüfen, ob der von uns angegebene Kurs auch eingehalten wurde«, sagt Schüßler.
Von Tunesien ging es zur Insel Pantelleria, genannt die »schwarze Perle des Mittelmeers«. Wadler trat von hier aus die Heimreise an, Schüßler und Raß fuhren weiter. Zunächst wurde die kleine Insel Linosa, die rund 500 Einwohner zählt, angesteuert, dann ging es weiter nach Gozo und Malta. Die 16-stündige Fahrt dorthin war »zäh«, wie Schüßler sagt: »Ein Unwetter war im Anmarsch. Wir haben gehofft, dass das Wetter hält, hat es aber nicht. Der Himmel war schwarz, es hat geblitzt, die Wellen haben gegen das Boot geschlagen, der Wind war sehr stark. In so einer Situation zieht man die Rettungsweste sehr gerne an.«
Unversehrt erreichten die beiden Wolfsberger die Insel Malta, wo sie zum Abschluss ihrer Reise acht Tage verbrachten. »Wir haben am Boot gekocht, sind aber auch oft essen gegangen. Es war ja kein Überlebenstrip«, lacht Schüßler.
Nach Österreich zurück kehrten sie am 22. November. Ihr Boot steht nun im Trockendock in Malta – »vermutlich bis zum April«, wie Schüßler sagt. Dann soll der nächste Törn folgen. Über kurz oder lang soll es für das Boot wieder »nach Hause« nach Plataria gehen.
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