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Sektenmord in VillachAusgabe | Mittwoch, 19. Dezember 2018

Die Ermordung der 72-Jährigen durch ein Mitglied einer sektenartigen Gruppe sorgt europaweit für Schlagzeilen. Verwandte sprachen mit den Unterkärntner Nachrichten über den tragischen Weg des Opfers. Dessen Leben hatte sich nach einem Unfall völlig verändert.

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Wolfsberg, Villach. Sie sind geschockt und machen sich Vorwürfe, den Kontakt zu der Ermordeten nicht intensiver gesucht zu haben. Die Unterkärntner Nachrichten sprachen jetzt mit Verwandten jener 72-Jährigen, die am 6. Oktober in ihrer Villacher Wohnung erwürgt worden war. Die Hinterbliebenen, die in Unterkärnten leben und anonym bleiben wollen, berichten von einer Tragödie vor rund 30 Jahren, die das Leben des späteren Mordopfers völlig veränderte und zu einer Entfremdung innerhalb der Familie führte.

Der Kriminalfall sorgt derzeit europaweit für Schlagzeilen: Nach dem Mord gelang es der Polizei, drei Frauen aufzuspüren. Kopf der Gruppe ist eine 47-Jährige aus dem Bezirk Villach-Land. Sie soll eine sektenähnliche Gruppierung gebildet und eine Ungarin (43) zum Mord an der Pensionistin und zu mehreren Brandstiftungen überredet haben. Während die Ungarin die Taten im Polizeiverhör gestand, bestreitet die 47-Jährige alle Vorwürfe (es gilt die Unschuldsvermutung).

Zehntausende Euro geborgt
Das Tatmotiv: Habgier. Denn das Mordopfer war gut situiert und soll der »Sekte« seit 2013 Zehntausende Euro geborgt haben – vom okkulten Kreis fügsam gemacht mit angedrohten Flüchen und Versprechungen. Doch zuletzt scheint die Pensionistin nicht mehr gewillt gewesen zu sein, weiterhin als Geldquelle zu fungieren.

Von all dem wussten die Unterkärntner Verwandten der 72-Jährigen allerdings nichts. »Wir wollten akzeptieren, dass sie ihr eigenes Leben lebt«, heißt es. Das hatte vor rund 30 Jahren eine dramatische Wende genommen.

»Ende der 80er Jahre kam ihr Mann bei einem Verkehrsunfall ums Leben«, erzählen sie. »Sie erhielt eine erhebliche Summe aus seiner Lebensversicherung, denn er wollte, dass sie versorgt ist, wenn ihm etwas passiert. Das Ereignis warf sie aber aus der Bahn.« Sie entfremdete sich nicht nur von ihren beiden Kindern, sondern von der ganzen Familie. »Jeder Kontakt riss ab, sie zog sich völlig zurück, jahrelang sahen wir sie nicht mehr. Keiner wusste, was sie tat.«

»Ein leichtes Opfer«
Schon vorher versucht sie, stets ihren eigenen Weg zu gehen. Ihre Eltern hatten sich scheiden lassen, sie fand in der Familie keinen Halt. »Letztlich war sie wohl mit ihrer Suche nach Geborgenheit ein leichtes Opfer für diese Sekte«, so die Verwandten.

Wenige Wochen vor ihrem gewaltsamen Ende suchte die 72-Jährige plötzlich Verwandte auf. »Wir glauben, eine Frau hat im Auto, das ein Villacher Kennzeichen trug und wohl nicht ihr gehörte, auf sie gewartet. Wir waren erleichtert, dass sie jemanden hat und nicht ganz alleine ist.« Das erwies sich als Trugschluss. »Später hörten wir, dass sie erst 14 Tage nach dem Mord gefunden wurde. Dass sie außer diesem sektenartigen Kreis keine sozialen Kontakte hatte, belastet uns heute sehr. Wir sind traurig, dass ihr Leben diesen Verlauf genommen hat.«

Zur Trauer kommen Selbstvorwürfe: »Wir hätten den Kontakt mit ihr intensiver suchen müssen. Aber wer ahnt so etwas? Es tut uns leid, dass sie sich nicht an uns gewandt hat, als der Druck dieser Leute auf sie immer größer wurde. Wir hätten gerne geholfen.«

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