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Als in Bad St. Leonhard wieder Krieg herrschte: Erinnerungen eines Zeitzeugen an den 9. Mai 1945 Ausgabe 21 | Mittwoch, 21. Mai 2025

Walter Weishaupt schildert seine Kindheitserlebnisse: Einen Tag nach Ende des Zweiten Weltkriegs kam es in seiner Heimatstadt zu einem Luftangriff, der Tote forderte und Zerstörungen hinterließ. »Alles ist mir unvergessen und in meine Erinnerung eingebrannt.«

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Unterkärntner Nachrichten Redakteur Horst Kakl Von Horst Kakl kaklno@spamunterkaerntner.at
Bild der Verwüstung: So sah es nach dem Angriff in Bad St. Leonhard aus. Ausgebrannte Lkw und zerstörte Ausrüstung auf den Straßen, auch Gebäude wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen. Rechts: Der Augenzeuge Walter Weishaupt heute. Die damaligen Szenen hat er nie vergessen. Blogspot, Weishaupt

Artikel

Bad St. Leonhard. Am 8. Mai 1945, vor 80 Jahren, endete der Zweite Weltkrieg. Doch einen Tag später kam es in Bad St. Leonhard zu einem Zwischenfall, der vielen Menschen das Leben kostete und große Zerstörungen hinterließ. Der heute in Deutschland lebende Walter Weishaupt war dabei. Er schildert hier die Ereignisse, wie er sie erlebte.

Hobbyhistoriker klärt auf

Allerdings irrt Weishaupt in einem Detail: In seinem Schlusssatz schreibt er, die »jugoslawische Luftwaffe« habe an diesem 9. Mai angegriffen. Laut dem Lavanttaler Hobbyhistoriker Marco Staubmann, der sich auf schriftliche Aufzeichnungen stützt, war es aber ein Angriff von Flugzeugen der 17. Luftarmee der Sowjetunion: Die 136. Sturzkampf-Fliegerdivision hatte den Befehl, die sich nach Westen zurückziehenden deutschen Truppen entlang der Straße Obdach – Bad St. Leonhard unter dem Schutz von sechs Lawotschkin-Jagdflugzeugen aus dem 31. Jagdgeschwader anzugreifen. Es sollte verhindert werden, dass die Deutschen mit ihrer Ausrüstung entkamen: Sie wurden von Sturzkampfbombern attackiert. 

»Was mit diesem entsetzlich Verwundeten danach passiert ist, weiß ich nicht« 
Walter Weishaupt, Zeitzeuge

Dennoch: Weishaupts Schilderungen geben Einblick in das Leiden der Menschen im Krieg und welche Narben sie hinterlassen. 

Seine Zeilen tragen den Titel »Die Bombardierung von Bad St. Leonhard am 9. Mai 1945. Meine Erinnerungen«: »An diesem Tag, einen Tag nach dem offiziellen Kriegsende, zogen Verbände der Deutschen Wehrmacht auf dem Rückzug von Jugoslawien durch das Lavanttal und durch Bad St. Leonhard. Am 9. Mai hatten die Mannschaften mit Fahrzeugen, Waffen und Gerät auf dem Hauptplatz Station gemacht, wobei manche der Soldaten Beutegut und eigene Gegenstände zum Verkauf anboten.

Unterwegs zu den Großeltern

Am Nachmittag dieses Tages verließ meine Mutter mit meinem Bruder und mir unser Haus am südlichen Ortsausgang, um unsere Großeltern väterlicherseits, Medizinalrat Dr. Thomas Weishaupt und seine Frau Priska Weishaupt, in der Postgasse zu besuchen.

Beim Weg über den Hauptplatz blieb unsere Mutter immer wieder stehen, um sich die angebotenen Sachen anzuschauen, wovon vieles in den Kriegsjahren kaum oder gar nicht zu erhalten war. Der erste Halt war vor den Philipp-Köppel-Haus und dem Trost-Haus. Wir Kinder drängelten jedoch weiterzugehen, denn wir wollten zu Oma und Opa. Wir gingen dann auch rasch weiter. Zu unserem unglaublichen Glück.

Denn kaum hatten wir die Tür des Hauses unserer Großeltern in der Postgasse hinter uns geschlossen, hörten wir Donnerschläge und Explosionen, und durch die Balkontüre sahen wir einen irren Feuerschein im Bereich des damaligen Weißgerber-Hauses. Alle im Haus drängten in den Keller, der plötzlich voll mit Soldaten war.

Ein Soldat lief trotz des Bombardements in den Garten hinaus. Ihn traf ein Splitter, der ihm den Bauch aufriss und niedergestreckte. Er wurde von den anderen Soldaten geborgen und in einem der Kellerräume auf einen Holzschragen gelegt, wo sich unser Großvater um ihn kümmerte. Wir Kinder mussten schleunigst den Raum verlassen. Was mit diesem entsetzlich Verwundeten danach passiert ist, weiß ich nicht.

Ratlosigkeit und Angst

Überall herrschte Entsetzen und Ratlosigkeit. Ist der Krieg gar nicht zu Ende? Geht alles wieder weiter? Wir, meine Mutter, mein Bruder und ich, waren in Todesangst und völliger Ungewissheit, ob unser Haus am südlichen Ortseingang noch stand und ob unsere zweite Großmutter noch am Leben war.

Erst in der Abenddämmerung wagten wir uns auf den Heimweg. Wir gingen in einem weiten Bogen um den Ortskern herum: Hinten um den Schlossberg, hinter dem Schloss vorbei und der alten Stadtmauer entlang. Dabei sahen wir die noch teilweise brennenden und verkohlten Dachstühle und Ruinen der Häuser, die von den Bomben getroffen worden waren.

Unser Haus stand noch, und mit unvorstellbarer Freude und Erleichterung konnten wir Kinder unsere Oma in die Arme schließen. Sie, die Mutter meiner Mutter, hatte während der Bombardierung ebenfalls Todesangst ausgestanden. Auch bei ihr im Haus war der Keller plötzlich voll mit Soldaten gewesen, die Maschinengewehre in den Kellerfenstern in Anschlag brachten.

Unglücklicherweise hing, wegen der weiter geltenden Beflaggungsanordnung, noch die Hakenkreuzfahne zum Dachbodenfenster heraus. Um nicht wegen ihr unter Beschuss zu geraten, raste unsere Oma, als die Bomben fielen, auf den Dachboden, um die Fahne einzuziehen. Jedoch hatte sich die Schnur zum Einziehen verknotet, so dass sie erst in Panik ein Messer aus der Küche holen musste, um die Knoten durchschneiden und die Fahne einziehen zu können.

Ein Trauma blieb

Dieser fürchterliche Nachmittag, er ist jetzt 80 Jahre her, und ich war damals im Kindesalter, hat in mir ein Trauma hinterlassen. Alles ist mir unvergessen und in meine Erinnerung eingebrannt, als wäre es erst gestern gewesen.

Später erfuhren wir, dass die jugoslawische Luftwaffe bombardiert hatte – einen Tag nach Kriegsende.«

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