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Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie von dem Anschlag in Wien erfahren haben?
Im ersten Moment herrschte Betroffenheit. Danach kam von Berufs wegen Rationalität in meine Gedanken und man beginnt darüber nachzudenken, wie würde man diesen Anschlag als Polizist angehen.
Haben Sie mit damit gerechnet?
Grundsätzlich nicht. Aber dass so etwas nie stattfinden wird, kommt einem auch nicht in den Sinn. Auch mit der Amokfahrt in Graz vor fünf Jahren hat man nicht gerechnet. Österreich war nie eine »Insel der Seligen«. Auch in unserem Land gab es in unregelmäßigen Abständen abscheuliche Taten, die außerhalb unseres Vorstellungsvermögens lagen. Denken Sie an Franz Fuchs, an Wolfgang Priklopil, an Josef Fritzl, an Alois Huber (Anm.: Jener Wilderer, der 2013 drei Polizisten und einen Sanitäter in Niederösterreich erschoss). Auch deren Taten hielt kaum jemand für möglich.
»Beim Anschlag in Wien haben Polizei und Bevölkerung sehr viel richtig gemacht«
Peter Hauser, Bezirkspolizeikommandant
Wie kann man persönlich das Risiko minimieren, Opfer eines Terroranschlags zu werden?
Die Geschichte von Terroranschlägen und Amokläufen hat gezeigt, dass die Opfer meist beliebig ausgewählt werden. Daher ist es schwer, sich zu schützen. Man kann sich aber gedanklich damit auseinandersetzen, was zu tun ist, wenn ein Anschlag passiert und wie man sich dann verhält: sich einsperren, ruhig verhalten, die Polizei rufen. Beim Anschlag in Wien haben Polizei und Bevölkerung sehr viel richtig gemacht.
Wie kann man den Terror bekämpfen bzw. entgegenwirken?
Wichtig ist, Zivilcourage zu zeigen und verdächtige Wahrnehmungen rasch zu kommunizieren, der Polizei anzuzeigen, damit wir rechtzeitig vorgehen können. Grundsätzlich dürfen wir niemals nur die Folgen bekämpfen, sondern müssen immer auch die Ursachen erforschen. Politisch, kulturell, religiös-weltanschaulich und gesellschaftlich habe ich den Eindruck, dass Ghettoisierungs-, Lager- und Spaltungstendenzen zunehmen, wobei der gesellschaftliche Dialog durch ein gegenseitiges Bekämpfen in den Hintergrund rückt. Wir wissen: Radikalisierung passiert nicht von heute auf morgen. Es ist ein Prozess, und je früher Staat und Zivilbevölkerung darauf reagieren, desto größer sind die Chancen auf ein friedlicheres Zusammenleben. Integration und Kooperation sind aber keine Einbahnstraßen. Es müssen alle Beteiligten einen Beitrag leisten.
Kommen wir zur Corona-Pandemie. Welche Rolle kommt der Polizei in dieser Zeit zu?
In Krisen wird die Rolle der Polizei als Schützer des Volkes und Helfer in der Not, als unbefangene Organisation zur Vollziehung der Gesetze und als Wahrer der Menschenrechte sichtbar. Wir müssen als Assistenzdienstleister der Gesundheitsbehörde die Einhaltung der Coronabestimmungen überwachen und sie vollziehen. Neben dieser Überwachung müssen wir aber auch die Quarantänebescheide an Betroffene zustellen, was derzeit aufgrund der hohen Infektionszahlen mit einem sehr hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Man muss aber sagen, dass die Lavanttaler sehr diszipliniert sind. Diese Erfahrung haben wir bereits beim ersten Lockdown im Frühjahr gemacht.
Wurde die Polizei ausreichend über die Erlässe, Verordnungen und Maßnahmen informiert?
Die Informationspolitik im Bereich der Landespolizeidirektion Kärnten ist sehr gut. Wir werden bestens mit Informationen versorgt und bekommen gut aufgearbeitete Unterlagen und einen täglichen Lagebericht.
Wie ist die Zusammenarbeit mit den Behörden im Lavanttal?
Mit der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg ist die Zusammenarbeit sehr sachlich und unaufgeregt. Ich kann der Bezirkshauptmannschaft nur ein sehr gutes Zeugnis ausstellen. An der Grenze gibt es gemischte Streifen mit dem Bundesheer, mit dem es eine sehr gute Kooperation gibt.
»Alles in allem merke ich bei den Beamten keine Frustration, aber halt Euphorie auch nicht«
Derselbe zur Stimmung in der Polizei
Wie ist die Stimmung bei den Lavanttaler Polizeibeamten?
Unsere Aufgaben sind zur Zeit definitiv bewältigbar. In gewissen Bereichen gibt es weniger Einsätze, in anderen mehr. Da müssen wir sehr flexibel sein. Wir versuchen auch die Vermischungen zwischen Streifen verschiedener Dienststellen zu vermeiden, für den Fall, dass es irgendwo eine Infektion bei der Polizei gibt. Alles in allem merke ich keine Frustration, aber halt Euphorie auch nicht.
Die Coronabestimmungen waren oft missverständlich formuliert. Wie wird man bei den Kontrollen auf die Menschen zugehen?
Wir werden versuchen, den Hausverstand walten zu lassen, wollen aber, wenn notwendig, konsequent einschreiten. Es geht ja wirklich um etwas sehr Bedeutendes, um die Gesundheit. Wir sind für die Einhaltung der Covid-19-Maßnahmen verantwortlich. In Supermärkten und Geschäften werden wir aber nur einschreiten, wenn es ganz uneinsichtige Menschen gibt. Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, unser Einsatzgebiet zu bestreifen und Menschen, die gegen Bestimmungen verstoßen, darauf aufmerksam zu machen und nötigenfalls zu bestrafen.
Wird es Kontrollen im privaten Bereich, also in Wohnungen, geben?
Nein, dass machen wir nicht. Aber es ist eine politische Entscheidung, ob das gewollt ist oder nicht. Das Gesetz gibt uns keine Möglichkeiten, im privaten Bereich einzuschreiten, und auch die Covid-19-Maßnahmen sehen es nicht vor, Bestimmungen im privaten Haushalt zu überprüfen.
Wie haben sich die Straftaten im Lavanttal während der Coronapandemie verändert?
Es gab von Jänner bis Oktober gegenüber den vergangenen Jahren einen signifikanten Rückgang im höheren zweistelligen Bereich bei den Hauptdeliktsgruppen wie Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und Einbruchsdiebstählen. Allerdings gibt es bei Internet-Kriminalität und Suchtmitteldelikten einen Anstieg.
Für viel Diskussionsstoff im Lavanttal sorgte ein Fall, bei dem ein Mädchen und ein Bursche Strafe zahlen mussten, nachdem sie einem Jugendlichen hatten helfen wollen. Was das Vorgehen der Beamten korrekt bzw. mit Maß und Ziel?
Ich kann die unterschiedlichen Standpunkte aller beteiligten Parteien verstehen, die auf den Tisch gelegt wurden. Aber das Verhalten der Polizeibeamten war zweifelsfrei korrekt. Man muss auch die Polizisten verstehen: Sie kamen zufällig an einem Ort vorbei, an dem es öfters Zwischenfälle gibt, und sehen dort die Rettung mit Blaulicht stehen. Die Beamten kannten die Sachlage nicht und mussten zunächst sichernde Maßnahmen setzen, die anwesenden Personen kontrollieren und befragen. Ich ersuche darum, die Standpunkte der Polizei, die Beweise sichert, zu verstehen, ohne dass ich die anderen dargebrachten Standpunkte der Beteiligten abwerten möchte. Bei der Straffestsetzung kann man differenzieren, aber das ist Aufgabe der Strafbehörde.
Nun noch etwas Persönliches: Sie reisen selbst sehr gerne und sehr viel. Wie hart treffen Sie die Reisebeschränkungen bzw. die Lockdowns?
Reisen ist nur ein Aspekt im Leben. Das Leben ist so bunt: Wenn Teilaspekte eingeschränkt werden, finde ich es persönlich nicht so tragisch. Das Leben hat viele Facetten, auf die man sich stützen kann. Außerdem ist es deshalb nicht so schlimm, weil ich die notwendigen Maßnahmen ja verstanden habe. Die Regierung bemüht sich redlich. Ich kann sehr viele der Maßnahmen nachvollziehen. Deswegen stört es mich nicht, mich ein wenig einzuhalten. Wenn Reisen, Sport und der Besuch von Veranstaltung nicht möglich sind, dann muss man sich auf andere Sachen konzentrieren, wie Literatur usw. Außerdem weiß man, dass die Maßnahmen ein zeitliches Ende haben.
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