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Zubetonieren und zersiedeln: »Im Lavanttal gäbe es aus Sicht der Nachhaltigkeit noch einiges zu tun« Ausgabe 36 | Mittwoch, 7. September 2022

Der Lavanttaler Thomas Brudermann (41) lehrt an der Universität Graz und hat ein Buch geschrieben. Titel: »Die Kunst der Ausrede«. Im Interview spricht er über unsere Probleme mit dem Umgang mit der Natur, warum er einen Golf fährt und was im Tal zu tun wäre.

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Unterkärntner Nachrichten Redakteur Horst Kakl Von Horst Kakl kaklno@spamunterkaerntner.at
Thomas Brudermann – rechts bei der Führungskräftekonferenz der Stadt Graz – zog aus dem Lavanttal in die Welt, um zu forschen und zu lehren. Mit seinem Buch will er wichtige Themen für ein Publikum außerhalb der Wissenschaftskreise aufbereiten. Uni Graz/Tzivanopoulos,Twitter

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Sie haben ein Buch mit dem Titel »Die Kunst der Ausrede. Warum wir uns lieber selbst täuschen, statt klimafreundlich zu leben« geschrieben. Was wollen Sie damit erreichen?
Ich habe mich in meiner Forschungsarbeit intensiv mit menschlichem Entscheidungsverhalten beschäftigt, z. B. auch mit der Frage, warum uns Nachhaltigkeit und Klimaschutz so schwerfallen. Das sind wichtige gesellschaftliche Themen und ich wollte das für ein Publikum außerhalb der Wissenschaftskreise aufbereiten.  

Sie beleuchten die Thematik mit »Augenzwinkern«. Reicht das aus, um die Menschen wachzurütteln?
Wir manövrieren uns als Menschheit mit Klimawandel, Artensterben und anderen ökologischen Problemen in eine sehr ernste Situation. Was uns da ohne Kursänderung bevorsteht, kommt erst sehr langsam in den Köpfen an. Ernste Themen schieben wir aber gerne von uns weg. Ich probiere es daher mit einem anderen Zugang, bei dem auch auf den Humor nicht ganz vergessen wird. Und man soll sich selbst mit seinen Alltagsentscheidungen in dem Buch ein bisschen wiederfinden. 

Warum bringen wir es nicht fertig, unser Leben nachhaltig umzustellen und damit die Natur – und auch uns selbst – zu retten? 
Dafür gibt es viele Gründe. Einer ist: Wir halten uns selbst für viel umweltfreundlicher als wir es tatsächlich sind. Ein anderer ist: Es fehlen die Rahmenbedingungen. Wenn Flugreisen billiger sind als die Bahn oder Hühnerfleisch billiger ist als regionales Gemüse, dann läuft etwas falsch. Da sind schon auch Politik und Wirtschaftsvertreter in der Verantwortung, und nicht nur die Konsumentinnen. 

Wie definieren Sie ein nachhaltiges Leben? Wenn man sich eine strom- und ressourcensparende Kaffeemaschine kauft, ist das bereits nachhaltig?
Besser ist es meistens, Produkte wie eine Kaffeemaschine möglichst lange zu nutzen, denn der meiste Energie- und Materialbedarf fällt in der Produktion an. Energiesparen ist aber ein sinnvoller Beitrag und leicht zu bewerkstelligen. Es passiert nur leider manchmal, dass man damit sein Gewissen beruhigt und dann auf wirksamere Maßnahmen verzichtet – nach dem Motto »Ich tu ja eh schon was«. Nachhaltigkeit ist außerdem nicht nur Umweltschutz. Es beinhaltet auch Wirtschaftlichkeit und Soziales, also etwa faire Arbeitsbedingungen. 

Sie sind Professor im Fach Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung an der Universität Graz. Haben Sie ein Rezept zur Lösung der Umweltproblematik?Wunderheilung gibt es keine, und die besten Rezepte helfen nichts, wenn man sie nicht umsetzt oder wenn die Nebenwirkungen nicht auszuhalten sind. Ja, wir sollten schnellstmöglich raus aus Kohle, Öl und Gas, wir sollten achtsamer konsumieren und unsere fleischreiche Ernährung überdenken. Das klingt einfach, ist aber in der Umsetzung komplex und trifft auf Widerstände. Ich sehe es daher eher so: Wir sind alle gefordert, innerhalb unserer Möglichkeiten zu Lösungen beizutragen. 

Leben Sie nachhaltig? 
Ich versuche, wo es geht, meinen »ökologischen Fußabdruck« zu verringern. Dazu gehört, dass ich innerhalb Europas mit dem Zug unterwegs bin und in Graz vor allem mit dem Rad. Seit bald drei Jahren lebe ich außerdem vegetarisch – das hätte ich mir früher gar nicht vorstellen können. Auf 100 Prozent Nachhaltigkeit komme ich trotzdem nicht. Gewisse Dinge kann man als Einzelperson auch nicht immer beeinflussen, z. B. das Heizsystem in einem Mehrparteienhaus. 

Fahren Sie ein Elektroauto? 
Ich habe 2007 einen zehn Jahre alten VW Golf gekauft mit dem Ziel, dass das mein letztes Verbrenner-Auto ist, in der Erwartung, dass es bald preiswertere E-Autos geben würde. 15 Jahre später fahre ich den Golf immer noch. Aber der Eintausch gegen ein kleines E-Auto naht. E-Autos sind umwelt- und klimatechnisch das geringere Übel.

Laut Ihrer Biografie haben Sie in Japan und Thailand gelehrt und geforscht. Was ist in diesen Ländern besser als in Österreich?
Ich würde das nicht in besser/schlechter einteilen, denn die Herausforderungen sind völlig andere. Japan hat z. B. ein fantastisches Bahnnetz, aber leider einen sehr klimaschädlichen Energiemix. In Thailand ist es so heiß, dass in manchen Einkaufszentren sogar die Außenbereiche mit Klimageräten gekühlt werden, was extrem energieverschwendend ist. Die Müllproblematik ist allgegenwärtig. Was mir in beiden Ländern gefällt, ist der meist achtsame und respektvolle Umgang miteinander. 

Wie kamen Sie zu Ihrem Forschungsgebiet?
Ich habe in Klagenfurt Informatik und später Psychologie studiert. Ich hatte die Gelegenheit, bei der Wirtschaftspsychologin Prof. Linda Pelzmann als Assistent und Doktorand zu arbeiten und bin so mit dem Thema Entscheidungsverhalten in Kontakt gekommen. Das hat mich interessiert, und ich habe es im Rahmen meiner späteren Tätigkeiten an der WU Wien und Uni Graz mit Nachhaltigkeitsthemen kombinieren können. 

Sind Sie noch mit dem Lavanttal verbunden?
Ja. Fast meine ganze Verwandtschaft lebt hier und ich bin in der Tennisgemeinschaft St. Paul aktiv. 

Wie könnte man das Lavanttal nachhaltig gestalten?
Aus Nachhaltigkeitssicht gäbe es noch einiges zu tun, damit könnte man mehrere Seiten füllen. Zersiedelung ist ein Thema, es werden nach wie vor Grünflächen für Neubauten und Parkplätze zubetoniert, der Leerstand kann aus verschiedenen Gründen nicht genutzt werden. Einige Entwicklungen wären schon lange zu überdenken, aber da sind wir sehr stark in alten Mustern festgefahren. Persönlich finde ich es schade, wie ungemütlich einem das Radfahren teilweise gemacht wird. Innerhalb der Ortschaften gibt es kaum durchgängige Radwege, die nicht alle 50 Meter durch Seitenstraßen oder Zufahrten unterbrochen werden, bei denen Radfahrer Nachrang haben. Am Land ist die Abhängigkeit vom Auto größer als in Städten, ja. Aber man könnte klimafreundliche Mobilität viel stärker berücksichtigen und begünstigen, so wie in Dänemark und den Niederlanden. 

Reichen die derzeitigen Bemühungen, etwa der Bau der Koralmbahn, für eine nachhaltige Zukunft aus?
Es gibt keine Einzelmaßnahme, die alles löst. Gute Bahnverbindungen sind ein wichtiges Puzzleteil, gerade für Pendler. Ich hoffe, auf einen breiten Radweg zum Bahnhof wird nicht vergessen. 

Was denken Sie über Windkraft?
Unser Strombedarf steigt und wir müssen raus aus Kohle, Öl, Gas. Daran führt kein Weg vorbei. Windkraft ist ein wichtiger Bestandteil in einem klimafreundlichen und smarten Stromnetz. Man darf sich aber auch keine Illusionen machen: Jede Form der Energiegewinnung hat Umweltauswirkungen, auch Wind- oder Wasserkraft. Bezieht man alle wichtigen Kriterien mit ein, richtet Windkraft weit weniger Schaden an als fossile Energieträger. 

Was sagen Sie dazu, wenn die Windräder auf den Lavanttaler Bergen errichtet werden?
Ich verstehe, dass das ein sensibles Thema ist. In gesamtösterreichischen Erhebungen zeigt sich eigentlich eine hohe Akzeptanz für Windkraft, interessanterweise vor allem in Gegenden mit vielen Windrädern. An neuen Standorten wird manchmal emotional argumentiert, auch im Lavanttal. Leider auch mit Halbwahrheiten und Falschinformation. Ich befürworte Windkraft im Lavanttal, vor allem wo es bereits Infrastruktur gibt. Mit kleinkariertem Denken und »Nicht bei uns!« werden wir die Klimakrise nicht bewältigen. 

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