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Ferdinand Schwaiger: »Weihnachten ist heute leider zu einem kommerziellen Fest geworden«Ausgabe 51 | Mittwoch, 20. Dezember 2023

Der Botschafter der Volkskultur, der St. Mareiner Ferdinand Schwaiger (73), spricht im Interview mit den Unterkärntner Nachrichten über das Weihnachtsfest heute, wie es früher war, welche Bräuche es im Tal gibt und wie er den Heiligen Abend und die Festtage verbringt.

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Sie sind einer von drei Botschafter der Volkskultur im Lavanttal. Was sind Ihre Aufgaben?
Botschafter der Volkskultur ist eine reine Auszeichnung für jahrzehntelange Tätigkeit im Bereich der Kultur und Volkskultur. Ich wurde dafür vom Kärntner Bildungswerk vorgeschlagen, bei dem ich 52 Jahre lang tätig war. Die Auszeichnung war für mich eine große Überraschung. Ich habe die Information darüber erst eine Woche vor der offiziellen Verleihung erhalten.

Ich bin aber auch Gründungsobmann der Dorfgemeinschaft St. Marein und stehe dem Verein seither – 52 Jahre – als Obmann vor.

Nun steht Weihnachten vor der Tür. Was bedeutet dieses Fest für Sie?
Die Einstellung zu Weihnachten hat sich bei mir, wohl auch durch die äußeren Einflüsse, geändert. Ich stehe den vielen modernen Einflüssen nicht sehr aufgeschlossen gegenüber.

Für mich ist Weihnachten eine Zeit, in der man auf andere Menschen zugehen und sie in die Gemeinschaft einbinden soll. Mit der Dorfgemeinschaft haben wir zum Beispiel in der Adventzeit ältere Mitglieder besucht und mit ihnen ein wenig Zeit verbracht.

Den Heiligen Abend mit der ganzen Familie – insgesamt 14 Personen – zu feiern, hat für mich eine ganz besondere Bedeutung.

Für mich ist aber auch wichtig, dass zu Weihnachten bei uns im Ort in St. Marein, ab dem ersten Montag im Advent, täglich um 6 Uhr in der Pfarrkirche St. Marein bis zum 24. Dezember eine Rorate gefeiert wird. Die besuchen meine Frau Ottilie und ich so weit es geht.

Am letzten Samstag vor dem Heiligen Abend laden die Dorfgemeinschaft und ich unsere Mitglieder immer zur Rorate mit anschließendem Frühstück im Pfarrhof ein.

Was genau ist eine Rorate?
Das ist eine Messe, die auf die Ankunft des Herrn hinweist. In St. Marein wird in der Kirche vor dem Altar eine mit rotem Samt ausgekleidete Holztreppe aufgestellt. Auf der wird ein Jesus-Kind von ganz oben bis zum Heiligen Abend jeden Tag eine Stufe nach unten versetzt, bis es am Heiligen Abend ganz auf der Erde angekommen ist. Das symbolisiert die Ankunft von Jesus und ist ein sehr schöner Brauch.

Außerdem stellen wir von der Dorfgemeinschaft jeden Samstag im Advent auf der Kirchenstiege Kerzen auf.

Wie verbringen Sie persönlich den Heiligen Abend?
Der Weihnachtsbaum wird meist schon am Vortag geschmückt. Am Heiligen Abend wird am Morgen die Rorate besucht. Danach beginnt meine Frau mit dem Vorbereiten des Festessens. Zu Mittag gibt es dann ein Mittagessen mit einem Teil der Familie.

Am Nachmittag gehe ich durch unser Haus und räuchere sämtliche Räume. Im Anschluss besuche ich meine Nachbarn, um auch dort zu räuchern.

Nach dem Räuchern werden zu Hause die Geschenke verteilt und es folgt noch ein gemeinsames Essen. Danach verbringen wir noch ein paar gemeinsame Stunden, und zum  Abschluss besuchen meine Frau und ich um 22 Uhr die Christmette im Ort.

Was wird bei Ihnen am Heiligen Abend gegessen?
Zu Mittag gibt es Erdäpfelsuppe, danach Mohnnudel und schließlich die berühmten Piggalan.

Und am Abend gibt es einen gedeckten Tisch mit kalten Gerichten. Da gibt es alles: Fleisch, Käse, Butter, Obst und vieles mehr.

Am Christtag wird bei uns Truthahn mit Bratäpfeln, Kastanien, Blaukraut usw. serviert. Das hat in unserer Familie eine jahrzehntelange Tradition.

Was sind Piggalan?
Es ist eine beliebte Süßspeise: Gedörrte Zwetschken und Kletzen werden drei Tage eingeweicht und dann mit Zucker aufgekocht. Danach wird mit Rum, Kirschenlikör, Schnaps und Cognac abgekühlt und alles verrührt. Im Anschluss wird eine Schüssel mit Scheiben Kärntner Reindling ausgelegt, geriebene Nüsse, Mohn, Rosinen und gedörrte Früchte darübergestreut und der vorher angesetzte Saft darübergegossen.

Der Vorgang wird öfters wiederholt, dann 15 Minuten stehengelassen und servieren.

Wie verbringen Sie die Weihnachtsfeiertage?
Wie gesagt gibt es am Christtag das traditionelle Truthahnessen. Ansonsten lassen wir Beschaulichkeit und Ruhe einkehren.

Was wünschen Sie sich zu Weihnachten?
Ich würde mir ein Miteinander der gesamten Gesellschaft wünschen und dass wir im Familien- und Freundeskreis noch viele Jahre in Gesundheit verbringen können. Außerdem wünsche ich mir, dass in den Kriegsgebieten endlich wieder Frieden einkehrt.

Außerdem wünsche ich mir, dass die Menschen wieder mehr Vertrauen in ehrliche Verantwortungsträger haben, egal ob das Wissenschaftler, Politiker usw. sind. Das Misstrauen gegen das »Establishment« ist sehr groß geworden und muss abgebaut werden.

Wie war Weihnachten in Ihrer Kindheit?

Da lebte ich mit meinen Eltern in Aichberg in einem bescheidenen Holzhaus mit zwei Räumen. Daneben hatte mein Großvater einen kleinen Bauernhof.

Damals wurde der Christbaum noch an der Decke in der Wohnung  aufgehängt. Es gab keine Süßigkeiten am Baum, sondern nur Holzschmuck. Erst mit der Zeit kamen Süßigkeiten, etwa Zuckeringe, hinzu. Eine Bescherung gab es nur in sehr kleinem Rahmen.

Als Geschenk für mich als kleines Kind gab es entweder Bekleidung oder Spielzeug. Ich ging am Heiligen Abend immer mit meinem Großvater zum Räuchern. Natürlich durfte damals zu Mitternacht der Besuch der Christmette nicht fehlen. Weihnachten war zwar sehr bescheiden, ich würde aber nie zurückblicken und sagen, meine Kindheit war hart.

Was war damals das Weihnachtsessen?
Die Mohnnudel und Piggalan haben wir auch damals schon gegessen. Aber es gab natürlich kein Festessen, wie wir es heute gewohnt sind.

Welche  schöne Erinnerungen an Weihnachten haben Sie?
Das waren die gemeinsamen Feiern mit der gesamten Familie, als es noch kleine Enkelkinder gab und sie sich bei der Bescherung musikalisch und mit Gedichten eingebracht haben.

Welche Bräuche rund um Weihnachten gibt es im Lavanttal?
Da gibt es jede Menge im gesamten Bezirk, wie das Stefaniereiten, das Sternsingen, der Nikolaus, »Frisch und Gsund« am unschuldigen Kindertag, die Adventkalender, die Laternenwanderungen mit den Kindern, Advent- und Weihnachtsmärkte und das Basteln von Weihnachtskrippen und das Räuchern.

War das Weihnachtsfest früher schöner?
Es war anders. Die Menschen sagen immer, früher war alles besser. Das sagt aber jede Generation. Weihnachten wurde früher vielleicht intensiver gefühlt, weil man nicht bereits im November mit der Vorbereitung und der Vermarktung begonnen hat. Man stumpft ab, da man wochenlang im Radio, Fernsehen und Internet Weihnachtslieder hört und darüber gesprochen wird. Weihnachten wird ab November fast zum Alltag. Heutzutage haben viele Menschen fast alles, was sie brauchen. Früher war das Schenken etwas ganz Besonderes. Heute ist Weihnachten leider zu einem kommerziellen Fest geworden.

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