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Klagenfurt, Lavanttal. Wenn er froh war, den Fall endlich abschließen zu können, ließ er es sich nicht anmerken. Richter Manfred Herrnhofer verurteilte am Mittwoch, 14. Oktober, am Landesgericht Klagenfurt einen Steirer zu einer bedingten Haftstrafe von fünf Monaten und zur Bezahlung des angerichteten Schadens. Da Staatsanwältin Nicola Trinker keine Erklärung abgab, ist der Spruch nicht rechtskräftig. Herrnhofer hatte mit dem Angeklagten während des Verfahrens viel Geduld beweisen müssen – so auch bei der Urteilsbegründung, in die der 23-Jährige mehrmals »Wortspenden« einstreute.
Der junge Mann musste sich wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs verantworten. Ihm wurde vorgeworfen, einer Lavanttaler Manufaktur drei Ziehharmonikas unter dem Vorwand, er brauche sie für Bühnenauftritte und gebe Musikunterricht, im Wert von 15.800 Euro herausgelockt zu haben – ohne zu bezahlen (wir berichteten). Zwei davon verkaufte er um wenig Geld wieder weiter.
Die erste Verhandlung hatte bereits am 20. Mai stattgefunden. Da der Steirer bei den folgenden Tagsatzungen aber nur sporadisch auftauchte, zog sich das Verfahren in die Länge wie ein Strudelteig.
Ein Ovid-Zitat
Entsprechend Herrnhofers »Begrüßung« des Angeklagten zu Beginn der letzten Verhandlung. »Was lange währt, wird endlich gut«, zitierte der Richter Ovid, als der Steirer vor ihm Platz nahm. Der gab erst willig Auskunft über seine Verhältnisse: Zurzeit sei er beim Bundesheer beschäftigt, verdiene dort 620 Euro und besitze als einziges Vermögen einen VW Golf, der etwa 20.000 Euro wert sei. Außerdem werde er demnächst ein Schuldenregulierungsverfahren starten. Als er auf die Frage, ob er Vorstrafen hätte, meinte: »Davon wüsste ich nichts«, erhöhte Herrnhofer die Lautstärke: »Leiden Sie an Amnesie? Sie haben vergessen, dass Sie erst im Juli am Bezirksgericht Leibnitz wegen Betrugs verurteilt wurden?« Ach so, ja das, fiel es dem Steirer wieder ein. Aber für die drei Ziehharmonikas, die er ihm Frühjahr 2019 bei einem Lavanttaler Unternehmen bestellt und später abgeholt hatte, habe er 8.000 Euro überwiesen. Nein, einen Beleg habe er nicht dabei, »ich wusste ja nicht, dass heute meine Verhandlung ist«, sagte der Angeklagte.
Gut, gab er auf Nachfrage des Richters zu, die Überweisung hätte nicht geklappt, das Geld ging später wieder auf sein Konto zurück. »Aber dann habe ich es noch einmal überwiesen«, legte er nach. Dass das Unternehmen bis heute keinen Cent gesehen hat, konnte er nicht verstehen: »Ich habe ein Zertifikat«, leider nicht bei sich.
»Selbst wenn es so wäre, blieben immer noch fast 8.000 Euro und damit der Betrug übrig«, konterte der Richter. »Ja, dann werde ich bezahlen, mein Auto ist eh schon im Verkauf«, sagte der Steirer. Und: »Ja, ich fühle ich mich des Betrugs schuldig.«
Trotzdem: Immer wieder suchte er während der Verhandlung nach Ausflüchten, relativierte seine Schuld, warf in die Verlesung der Zeugenaussagen mehrmals ein: »Das stimmt so nicht.« Als Herrnhofer den Druck erhöhte und nachbohrte, meinte der 23-Jährige schließlich bockig: »Ich sage jetzt nichts mehr« – um Sekunden später wieder den Mund aufzutun und zu bekennen: »Ja, das war nicht richtig«, womit er den Verkauf von zwei Musikinstrumenten meinte. Aber dass er eine Grafikerin mit dem Entwurf eines Logos und eines Banners für seine Musikgruppe beauftragt hatte – und abermals: ohne zu bezahlen –, wies er entschieden zurück: »Ich habe nur ein Angebot eingeholt«, und das könne schließlich nichts kosten. Während er die Ansprüche der Ziehharmonika-Manufaktur von 15.800 Euro akzeptierte (»Passt, das zahle ich gleich!«), wies er die Forderungen der Grafikerin in Höhe von 769 Euro zurück.
Gegen Ende wurde der Mann nochmals von seinem Gedächtnis verlassen. Ja, es seien gegen ihn Exekutionen gelaufen, als er die Akkordeons bestellt habe, »zwei waren es«. »Es waren 38, die zwischen 2015 und 2020 gegen Sie verzeichnet sind«, frischte der Vorsitzende das Gedächtnis des Steirers auf. »Ich weiß«, sagte er kleinlaut, »es waren viele.«
Seine letzten Worte vor dem Urteil – mit wiedererwachtem Kampfgeist: »Ich werde zeigen, dass ich 8.000 Euro für die Harmonikas bezahlt habe.« Der Richter: »Das nützt nichts mehr. Wie nennt man das, wenn man etwas nimmt und nicht bezahlt?« Der Angeklagte: »Betrug.«
Keine Gewerbsmäßigkeit
In seiner Urteilsbegründung erkannte Herrnhofer auf schweren Betrug, klammerte aber die Gewerbsmäßigkeit aus. »Und jetzt muss Schluss sein, ich will Sie hier nicht mehr sehen«, sagte er zum Angeklagten. Der nahm den Spruch an und versicherte wieder, die Harmonikas sofort bezahlen zu wollen. »Wenn Sie das tun, lassen Sie sich von der Firma eine Bestätigung geben. Dann kam man vielleicht über eine nachträgliche Strafmilderung reden«, so der Richter mit nicht enden wollender Geduld ...
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