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»Bürger Preußens« aus dem Lavanttal vor Gericht: Einblicke in abstruse Welt der Staatsverweigerer« Ausgabe 14 | Mittwoch, 3. April 2024

In Namen eines 70-Jährigen traf ein Schreiben bei der Staatsanwaltschaft ein, in dem die Todesstrafe angekündigt wurde. Vor Gericht bestritt der Mann, der die Benutzung eines Stuhls verweigerte, es verfasst oder verschickt zu haben. Zwölf Monate – nicht rechtskräftig.

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Unterkärntner Nachrichten Redakteur Horst Kakl Von Horst Kakl kaklno@spamunterkaerntner.at
Der Lavanttaler wurde aus der Untersuchungshaft in den Gerichtssaal geführt, ein Beamter bewachte ihn während des Prozesses. Auch vor dem Landesgericht Klagenfurt waren Polizisten postiert. UN

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Klagenfurt, Lavanttal. Aberwitzige Behauptungen aufstellen und sie als felsenfeste Wahrheiten ausgeben. Wird nachgefragt, gibt es keine Antwort oder die Aufforderung, sich selbst in der Russischen Föderation oder den USA kundig zu machen. So sah die »Taktik« von zwei »Staatsverweigerern« aus, über die am Mittwoch, 27. März, am Landesgericht Klagenfurt verhandelt wurde. Am Ende des dreieinhalbstündigen Gerichtsmarathons schwirrte auch den Beobachtern der Kopf.

Richterin Michaela Sanin hatte drei Verhandlungen gegen drei »Bürger« des »Bundesstaats Preußen« angesetzt, darunter ein 70-Jähriger Lavanttaler. Auslöser waren zahlreiche Hausdurchsuchungen im Juli des Vorjahrs. Danach erhielten Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft, die die Durchsuchungen angeordnet hatten, Schreiben im Namen jener Personen, die von der Maßnahme betroffen waren. Alle Briefe hatten den wortgleichen Inhalt: Die Ermittlungen seien sofort einzustellen, ansonsten die Staatsanwälte mit schweren finanziellen Folgen zu rechnen hätten. Das »Besatzungsrecht« sehe die Todesstrafe für sie vor, sie würden von der »Militärpolizei« abgeholt werden etc.

»Dazu verbietet mir der Glaube, Menschen anzugreifen«
Der Angeklagte wollte niemanden bedroht haben

27 solcher Schreiben trafen ein, die allesamt als Versuch qualifiziert wurden, eine Amtshandlung zu verhindern. Die Anklage gegen die drei »Bürger« lautete »Widerstand gegen die Staatsgewalt«. 

Gegen den Lavanttaler war bereits Anfang März verhandelt worden. Damals verließen er und eine junge Mitangeklagte mitten im Prozess den Saal – worauf sie am 19. März in Untersuchungshaft genommen wurden. 

Seine frühere Mitstreiterin widerrief allerdings am vergangenen Mittwoch ihre bisherige Überzeugung, bezeichnete ihr Schreiben als »Schas« und wurde mit einer Strafe von zehn Monaten bedingt in die Freiheit entlassen.

Anders der Lavanttaler: Er blieb dabei. Nachdem dem Pensionisten die Handschellen abgenommen worden waren, beklagte er sich über die Bedingungen in der Untersuchungshaft: »Ich liege wie in einem Sarg.« Er dankte Richterin Sanin aber auch, dass sie sich mit seiner 200-seitigen Eingabe, die »alles« erkläre, befasst habe.      

Wie alle »Staatsverweigerer« nahm er nicht Platz, sondern verfolgte die Verhandlung stehend. Denn nach seiner Ansicht sei die »juristische Person« angeklagt – also die Geburtsurkunde –, nicht er selbst, der sich nach seinem (Anm.: hier geänderten) Vornamen als »Mann Horst« bezeichnete. Über ihn könne nur nach dem »Naturrecht« verhandelt werden. 

Der 70-Jährige bestritt, das Drohschreiben an die Staatsanwaltschaft verfasst und verschickt zu haben, dafür sei ein »Generalbevollmächtigter« – eine Art »Beschützer« des »Bürgers« – verantwortlich, an den die Richterin alle weiteren Fragen zu richten habe. Sanin: »Wer ist der Generalbevollmächtigte?« Antwort: »Das steht im Schreiben. Er ist nach deutschen Recht im Bundesstaat Preußen zugelassen.« 

Der Generalbevollmächtigte

In allen 27 Schreiben wurde auf wechselnde »Generalbevollmächtigte«, die in St. Petersburg sitzen sollen, verwiesen. Laut einer Polizeibeamtin, die als Zeugin vernommen wurde, gibt es keine Hinweise, dass sie existieren. Ihre Namen sollen einer »Google«-Suche entstammen. Die Frage, ob er seinen »Generalbevollmächtigten« je persönlich getroffen habe, beantwortete der Angeklagte nicht.

Stattdessen bestand der Lavanttaler darauf, nichts Illegales getan zu haben. Vielmehr habe die Staatsanwaltschaft die im Schreiben angekündigte Todesstrafe, die nichts als ein Zitat aus dem »Besatzungsrecht« sei, zur Drohung »verdreht«. Denn im »Bundesstaat Preußen« sei die Todesstrafe untersagt und Österreich noch immer von den »Alliierten« besetzt. »Dazu verbietet mir der Glaube, Menschen anzugreifen«, so der Angeklagte, »der Bundesstaat Preußen steht für Weltfrieden.« 

Er behaarte auch auf der Ladung von 14 Zeugen, etwa des russischen Präsidenten Putin, Donald Trump, Papst Franziskus – und des Villacher Bürgermeisters Günther Albel. »Sie können den Rechtsstatus des Bundesstaats Preußen bestätigen«, meinte der 70-Jährige. Das Begehr wurde abgelehnt, weil Putin und Co. »keine Wahrnehmungen zum Schreiben haben können«, wie die Richterin mit erstaunlichem Ernst ausführte.

Vor dem Urteil forderte sie den Angeklagten auf, seine Pension zu genießen und fragte, ob es weitere Schreiben von ihm geben werde. »Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt«, war die Antwort, ehe er in seinem letzten Wort abermals zu einem Sermon ansetzte. Sanin verurteilte ihn zu zwölf Monaten bedingter Haft, der Spruch ist nicht rechtskräftig. Danach konnte  »Mann Horst« heimgehen.

Ebenfalls zwölf Monate bedingt fasste der dritte Angeklagte jenes Tages aus, in dessen Namen ebenfalls ein Drohschreiben bei der Staatsanwaltschaft eingelangt war. Auch der Mann zeigte keine Einsicht.

Damit ist die Angelegenheit nicht ausgestanden: In einem eigenen Verfahren wird geklärt, ob die Namensgeber der Schreiben Mitglieder einer staatsfeindlichen Bewegung sind bzw. waren.

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