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Wolfsberg. Noch sind die Bilder des Skandals, den der »Verein gegen Tierfabriken« (VGT) im Dezember in einem steirischen Hühnerzuchtbetrieb aufzeigte, gut in Erinnerung. Die Tierschützer legten anhand von Bildern und einem Video unter anderem dar, wie Hühner von einem Fahrzeug achtlos überfahren wurden. Der Fall schlug Wellen in ganz Österreich, zumal der betroffene Betrieb mit einem bekannten Lebensmittel-Diskonter in Verbindung stand.
Dazu melden sich der Kamper Energielandwirt und Geflügelproduzent Franz Dorner sowie Christian Salzmann, der mit seinen Angehörigen die Frühauf-Mühle in St. Stefan betreibt, zu Wort. Beide sehen die Schuld für die Tiertragödie in der Steiermark nicht allein beim Landwirt.
»So etwas wie in der Steiermark darf nicht passieren. Aber es war auch ein Ausnahmefall«
Franz Dorner, Geflügelproduzent
Dorner: »Selbstverständlich ist es unverzeihlich, was da geschehen ist. Solche Dinge gehören abgestellt, wir können uns einen solchen Umgang mit den Tieren nicht leisten, das darf nicht passieren. Aber es war auch ein Ausnahmefall.« Der Kamper Geflügelproduzent weist auf die strengen Auflagen hin, die in Österreich gelten: »Wir dürfen maximal 25 Kilo Fleisch pro Quadratmeter erzeugen, in Italien und Polen sind es 42 Kilo bzw. 60 Kilo.«
»Schwierig zu überleben«
Mit solchen Unterschieden werden die heimischen Produzenten aber unter Druck gesetzt, denn gewisse Lebensmittelketten bieten nur billigstes Hühnerfleisch an. »Wir bekommen 2,10 Euro pro Kilo grillfertiges Fleisch, ein Kilo Futter kostet bereits 62 Cent. Daran kann man ausrechnen, wie schwierig es ist zu überleben«, so Dorner. Vielmehr sollte honoriert werden, dass sich die überwiegende Mehrheit der österreichischen Produzenten an die Standards hält (Dorner: »Sonst sind sie weg vom Fenster!«) und auf das Wohl der Tiere achtet, das in anderen Ländern »mit Füßen getreten wird«. Dorner: »Wenn man die regionale Produktion aufrechterhalten will, muss von Handel und Konsumenten mehr dafür bezahlt werden. Dann gibt es auch die größte Sicherheit, dass die Tiere anständig behandelt werden und gute Ware angeboten wird.« Das sei bei Produkten aus anderen Ländern nicht der Fall. Daher fordert Dorner auch die Einführung einer lückenlosen Herkunftsbezeichnung.
Der St. Stefaner Salzmann stammt aus einer Familie von Landwirten – und kennt daher beide Seiten der Medaille. »Ich bin froh, dass es den VGT gibt, der solche Missstände aufdeckt und abstellt«, sagt er, »aber wenn es nun heißt, der Landwirt ist allein an dieser Situation schuld, greift das zu kurz. Es sind die Umstände, die zu diesen Skandalen führen.« Laut dem Mühlenbetreiber half früher die gesamte Familie mit, wenn eine Landwirtschaft betrieben wurde: »Das ist heute nicht mehr so, daher herrscht in vielen Betrieben Personalnot. Mitarbeiter sind nicht mehr zu bekommen, die Kinder haben vielfach andere Lebenspläne und wollen nicht übernehmen. Die Landwirte müssen oft eine weitere Beschäftigung annehmen oder aufhören.«
Keine Investitionen möglich
Dazu kommt, dass sich auch große Landwirtschaften kaum Personal leisten können. »Die Bauern können von ihrer Arbeit gerade so leben, Investitionen sind aber nicht möglich. Und daraus ergeben sich die Missstände.«
Zwei Gründe stehen laut Salzmann dahinter: die harten Preiskalkulationen der Lebensmittelketten und die Konsumenten, die nicht bereit sind, für diese Produkte tiefer in die Tasche zu greifen. Der St. Stefaner: »Die Leute wollen hohe Tierstandards, genfreies Futter, ja kein Fleisch aus Brasilien – aber kosten darf es nichts. Auch Besserverdiener gehen gerne zum Diskonter, und deshalb muss eben in der Aufzucht und Erzeugung massiv gespart werden. Doch wie immer zahlt jemand die Zeche dafür – die Tiere, die Natur, der Landwirt. Und letztlich auch der Kunde selbst.«
Vielfach seien Konsumenten nicht bereit, adäquate Preise für Lebensmittel zu zahlen. »Sie kaufen bei den Ketten ein – und geben diesen Unternehmen damit große Macht«, so Salzmann. Die werde genutzt, um die Preise der Produzenten gering zu halten. »Es ist sehr schwer, den Handel davon zu überzeugen, von ihren großen Gewinnen herunterzusteigen, die Hersteller der Waren fair zu bezahlen und ebenfalls leben zu lassen. Aber die Ketten haben eben einen gewaltigen Hebel.« Das Ergebnis: Ein Teufelskreis, dem die Produzenten nicht entkommen können. Ihnen bleibt nur, ihre Erzeugnisse zum vorgegebenen Preis zu liefern – oder ihre Betriebe aufzugeben. Dass dabei Missstände in der Tierhaltung aufkommen, wundert Salzmann nicht. Sein Appell an die Konsumenten: Sie müssten verstehen, dass Qualität auch etwas kostet.
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