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EU-Koordinator Johannes Maier: »Sanktionen sind das Arsenal, das die friedliebende Welt hat« Ausgabe 16 | Mittwoch, 20. April 2022

Der EU-Koordinator des Landes Kärnten, Johannes Maier aus St. Paul, spricht mit den Unterkärntner Nachrichten über seine Aufgaben, den Krieg in der Ukraine, die EU-Sanktionen gegen Russland und wieso das Vertrauen in die EU starken Schwankungen unterliegt.

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Sie sind EU-Koordinator des Landes Kärnten. Was sind Ihre genauen Aufgaben?
Ich habe zwei Aufgaben: Erstens Experten und Politik in Zusammenhang mit den Interessen Kärntens und neuen Vorschlägen der EU-Kommission zu koordinieren. Und zweitens bin ich Ansprechpartner für Fragen zur EU und Europa und zum Vermitteln von Informationen. Dabei bin ich beim Europe Direct Center in Kärnten, das eines von zehn in Österreich bzw. von 450 in der EU ist.

Unsere Aufgabe ist es, Hintergrundinformationen über die EU zu geben. Das machen wir vor Ort mit Workshops an Schulen oder in Gemeinden bei Praxistagen. Wir haben zwei Wanderausstellungen in den Schulen, stellen aber auch Informationsmaterial zur Verfügung uvm. Vor 20 Jahren konnte ich mittels eines Intereg-Projekts die ORF-Sendung »Servus, Srecno, Ciao« ins Leben rufen, die heute noch immer läuft. 

Wir haben auch Workshops mit Schülern aufgebaut, bei denen die Jugendlichen Fragen stellen, die von Experten und auch EU-Abgeordnete beantwortet werden. 

Was sind aktuell die brennenden Themen?
Natürlich der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Die EU wurde vor 70 Jahren als Friedensprojekt gegründet, und nun haben wir wieder einen Krieg in Europa.

Auch der Green Deal beschäftigt die Menschen. Europa ist dabei ja Vorreiter. Dieses Paket wird unser ganzes Leben verändern.

Und bei den Schülern gehen die Fragen sehr oft in Richtung der Erasmus-Programme. Bei diesem Programm ist Kärnten sehr aktiv. Rund 2,5 bis vier Millionen Euro holen die Schulen pro Jahr nach Kärnten. Auch das Lavanttal ist dabei immer sehr aktiv.  

Sie haben nach dem Jus-Studium ein Rechtspraktikum absolviert und die Ausbildung zum Richteramtsanwärter begonnen, wurden dann aber Büroleiter des damaligen Landesrats Hans Schumi. Warum dieser Wechsel?
Das hat einen ganz banalen Hintergrund. Als Richteramtsanwärter war ich in Konkurrenz mit zwei Richtersöhnen. In dieser Zeit war daher die Chance, Richter zu werden, recht gering. Parallel dazu hat sich bei Landesrat Hans Schumi eine Tür aufgetan. Außerdem hat mich Politik schon immer interessiert und ich habe mich immer für die Menschen engagiert.  In meiner Jugendzeit war ich fünf Jahre lang Obmann der Landjugend Granitztal, danach Studentenheimvertreter usw. Ich war schließlich neun Jahre lang entweder Büroleiter oder dessen Stellvertreter bei Kärntner Landespolitikern, zuletzt beim aus Wolfsberg stammenden Landeshauptmann Christof Zernatto.

Sie waren im St. Pauler Gemeinderat für die ÖVP tätig. Können Sie ein kurzes Resümee über diese Zeit ziehen? 
Ich war in den 1990er Jahren einige Jahre lang im Gemeinderat. Ich bin jetzt noch Ersatzgemeinderat in St. Paul. Für mich war bzw. ist es wichtig, dabei zu sein und zu wissen, was in meiner Gemeinde los ist und zu versuchen, etwas zu gestalten. Ich kann nur jeden dazu ermutigen, sich aktiv in der Gemeinde einzubringen.

Was sagen Sie persönlich zu den Sanktionen gegen Russland?
Die Sanktionen sind das Mittel, das die EU zur Verfügung hat, um auf die russische Aggression zu reagieren. Das gesamte Vorgehen wurde mit den westlichen Mächten wie den USA und Großbritannien abgestimmt. Sanktionen sind  das nicht kriegerische Arsenal, das die friedliebende Welt zur Verfügung hat. Sanktionen wirken aber  nicht sofort, es dauert eine Zeit. Man muss sich nun in Zurückhaltung üben, denn kriegerische Handlungen von Seiten der EU sind nicht möglich, dann hätten wir den Dritten Weltkrieg.

Wurden bereits in der Vergangenheit Fehler im Umgang mit Russland gemacht?
Der Westen wiegte sich in Sicherheit und dachte nie, dass so etwas passieren könnte. Daher wurden die wirtschaftlichen Beziehungen intensiviert – und durch der Krieg wird alles nun auf den Kopf gestellt. Die Gasabhängigkeit von Russland hängt wie ein Damokles-Schwert über unseren Köpfen.

Aber es hat auch etwas Positives: Dass wir von der Abhängigkeit wegkommen müssen, ist prinzipiell nichts Neues. Das ist bereits zu Beginn der Corona-Krise aufgetaucht. Die EU verfolgt das Ziel, unabhängig von Gaslieferungen zu werden, seit zwei Jahren intensiv. Durch den Krieg wurde dieses Bestreben noch einmal gepusht.

Welche Maßnahmen kann die EU treffen, sollte Putin den Gashahn zudrehen?
Ein Krieg hat immer negative Auswirkungen, das ist ganz klar und das spüren wir. Daran kommen wir nicht vorbei. Es gibt aber auch positive Aspekte. Schauen wir uns zum Beispiel die Holzindustrie an. Wir verfügen in Österreich über ausreichend Wald, wir können die Holzimporte aus Russland stoppen. Dann würde auch Wertschöpfung in Österreich bleiben. 

Viel Kritik gab es, als Atomkraft zur grünen Energie erhoben wurde. War das eine kluge Entscheidung?
Ob es klug war oder nicht, traue ich mich nicht beantworten. Es ist eine Übergangslösung. Es geht um eine Leitlinie, die besagt, dass Investitionen in Atom- und Gaskraftwerke möglich sind. Das ist aber eigentlich nur ein Seitenthema. Damit in ein Atomkraftwerk investiert werden kann, müssen viele Voraussetzungen erfüllt werden. Eine wesentliche Voraussetzung ist, dass man eine sichere Lagerstätte nachweisen kann. Und derzeit gibt es nur einen Standort in der EU, der das erfüllt.

Bundeskanzler Karl Nehammer besuchte kürzlich den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dafür erntete er viel Kritik. Wie stehen Sie zu dem Besuch?
Ich denke, es war einen Versuch wert. Der Besuch war vielleicht ein wenig zu früh. Positiv zu bewerten ist, dass sich Österreich damit im Spiel hält. Der Besuch war mit den anderen europäischen Ländern und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj abgestimmt. Ich bewerte den Besuch positiv. 

Die Inflation in Österreich bzw. der EU schießt immer weiter in die Höhe. Wie kann die EU dagegen vorgehen?
Das ist ein schwieriges Thema, weil in diesem Bereich die Instrumente der EU und der Europäischen Zentralbank beschränkt sind. Die derzeitige Inflation wird durch die Energiepreise getrieben. Diese Fakten kann man nicht aus der Welt schaffen. Durch die Krise und den Krieg sind Unsicherheiten eingetreten, aber auch Spekulationen. Man kann mir zum Beispiel nicht erklären, wieso Ziegelwerke volle Lager haben, aber keine Ziegel liefern können.

Der Zustimmungswert zur EU in Österreich beträgt laut aktueller Statista-Umfrage 76 Prozent. Damit liegt Österreich im Mittelfeld. Spitzenreiter ist Portugal mit 85 Prozent, Schlusslicht ist Frankreich mit 56 Prozent. Der Mittelwert liegt bei 71 Prozent. Wie erklären sich diese Unterschiede?
Das ist mit den historischen Entwicklungen in den Ländern zu begründen. Der niedrige Wert in Frankreich überrascht mich aber auch ein wenig. In Österreich gibt es eigentlich immer einen guten Wert. Auf die Frage »Soll Österreich bei der EU bleiben?« gibt es immer eine Zustimmung von 66 bis 76 Prozent.

Sind Sie mit den 76 Prozent in Österreich zufrieden?
Das ist ein sehr hoher Wert. Was mich nachdenklicher macht, ist die Wahlbeteiligung bei Europawahlen. Die lag zuletzt meist unter 50 Prozent. Das ist bedenklich. Denn auch wenn es eine Europawahl ist, geht es um das Mitspracherecht in Europa, jede Stimme zählt und hat ihre Wirkung. Deswegen machen wir unsere EU-Informationsarbeit.

Laut dem Europabarometer vertrauen 49 Prozent der Österreich der EU, den höchsten Wert gab es 2007 mit 57 Prozent, dann ging es kontinuierlich zurück – Tiefstand 2012 mit 31 Prozent. Seit 2017 gibt es einen kontinuierlichen Anstieg, aktuell bei 49 Prozent. Wie kommt es dazu?
Die Zustimmung zur EU korreliert immer wieder mit größeren Ereignissen. Die Zustimmung hängt davon ab, wie die EU auf diese Ereignisse reagiert und wie das über die Medien kommuniziert wird. Kommt es zu einer Krise, sinkt das Vertrauen, wird die Krise beendet, steigt es wieder. 

Kommen wir noch zu einer privaten Frage. Sie sind seit der Gründung beim Verein »Benedikt be-Weg-t« dabei. Wie ist es dazu gekommen? 
Ja, ich bin Schriftführer des Vereins und habe seinerzeit die Vereinsstatuten gemacht. Es gab zwei Initiatoren, Ernst Leitner und Pater Siegfried, der unser spiritueller Begleiter ist. Ernst Leitner hat mich damals gefragt, ob ich mitmachen möchte, und das habe ich gerne getan. Ich bin dadurch zum Pilgern gekommen und es war immer wieder ein Erlebnis. Mittlerweile habe ich schon mehrere Pilgerwanderungen unternommen. Diese Woche wagen sich meine Frau und ich nach Portugal und werden den Jakobsweg entlang der Küste bis Santiago gehen.

Was gefällt Ihnen am Pilgern?
Man kann es nur schwer beschreiben. Es ist die Entschleunigung, das Spirituelle, das Gemeinschaftliche. Es ist aber auch schön, die Landschaft zu erleben. Ich persönlich finde die kulturellen Stätten entlang eines Pilgerwegs höchst interessant.

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