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JuZ-Leiter Gernot Brandstätter: »Jugend bedeutet Veränderung, und das irritiert manche Erwachsene«Ausgabe 26 | Mittwoch, 24. Juni 2020

Gernot Brandstätter (59) ist seit 20 Jahren Leiter des Wolfsberger Jugendzentrums. Im Gespräch mit den Unterkärntner Nachrichten erzählt er über die Veränderungen in der Jugendarbeit, Anliegen der Jugendlichen und über Pläne für die nähere Zukunft im Jugendzentrum.

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Seit wann sind Sie Leiter des Wolfsberger Jugendzentrums?
Die Leitung habe ich im Jahr 2000 übernommen. Ich habe aber bereits bei der Projektgruppe, die den Bedarf eines Jugendzentrums in Wolfsberg und daraufhin das Konzept für ein solches erarbeitet hat, mitgearbeitet. Aufgrund dieser Aktivitäten konnte 1998 das Jugendzentrum unter Mithilfe von etwa 80 engagierten Jugendlichen eröffnen werden.  

Welche Ausbildungen haben Sie absolviert?
Ich habe einen Studienabschluss in Geophysik, habe somit eine naturwissenschaftliche Ausbildung. In der offenen Jugendarbeit war ich also Quereinsteiger.  In den Bereichen soziokulturelle Animation und Pädagogik habe ich etliche Fortbildungsangebote in Anspruch genommen. So bin ich u. a. staatlich geprüfter Sportkletterlehrwart. Bei Peter Filzmaier konnte ich die Workshopreihe politische Bildung besuchen.

Welche Angebote gibt es im Jugendzentrum?
Es gibt einmal den offenen Betrieb. Hier können sich Jugendliche zwanglos treffen und die vielfältigen Angebote wie Internetzugang, PS4, Billard, Tischtennis, Tischfußball etc. kostenlosen nutzen. Wir beraten, begleiten und informieren Jugendliche auch. Das Verfassen von Lebensläufen oder Bewerbungen bedarf oft einer Unterstützung. Es gibt aber auch Kreativworkshops, Bildungsangebote und sportliche Aktivitäten. Regelmäßig gibt es das JUZ-Kino. Ein wichtiger Teil sind unsere Konzerte. Einmal in der Woche wird gemeinsam gekocht. Speziell für unsere weiblichen Besucherinnen gibt es einen eigenen Mädchenraum als eines unserer gendersensiblen Angebote. Es werden weiters regelmäßig Mädchen- bzw. Bubentage angeboten. Seit der letzten Umfrage unter Wolfsbergs Jugendlichen im Jahr 2015 bieten wir auch eine Fahrradwerkstatt an. In den letzten beiden Ferienwochen gibt es heuer bereits das sechste Mal die kostenlose Lernhilfe.

Wie werden diese Angebote von den Jugendlichen genutzt?
Der Medienraum, in dem die Play Station steht, ist immer besetzt. Genauso gut wird das gemeinsame Kochen angenommen. Die Fahrradwerkstatt hat sich als wirklicher Bedarf herausgestellt. Im Jahr werden durchschnittlich 250 Fahrradreparaturen durchgeführt, bis dato sind an die 100 Fahrräder organisiert und weitergegeben worden. Konzertmäßig ist das traditionelle »Christmas in your Heart« der absolute Spitzenreiter mit bis zu 350 Besuchern. Gut funktionieren auch die Kreativworkshops. Für die Lernhilfe gibt es bereits im Jänner Anfragen.

Wie viele Veranstaltungen werden pro Jahr durchgeführt und welche sind das?
Unser Veranstaltungsangebot ist klar strukturiert. Jeden Freitag wird mit den Jugendlichen gemeinsam gekocht. Einmal pro Woche gibt es einen Kreativworkshop. Einmal pro Quartal findet stattdessen ein Turnier statt und monatlich gibt es das JUZ-Kino. Ein Konzert pro Monat rundet unser Angebot ab. In den letzten beiden Ferienwochen gibt es die kostenlose Lernhilfe. Bis zum Jahr 2018 waren es an die 700 Veranstaltungen.

Bis 2010 war das Jugendzentrum im Paurischen Haus untergebracht. Wie hat sich die Übersiedelung in das damals neu errichtete Gebäude in der Nähe des Bahnhofs ausgewirkt?
Über den Standort wurde ja viel diskutiert. Auch hier haben wir Jugendliche bereits im Vorfeld befragt, mit dem Ergebnis, dass der Standort beim Skatepark für sie viel attraktiver als der im Paurischen Haus ist. Der große Outdoorbereich ist für unsere Arbeit eine große Bereicherung. Das Haus selbst spielt ja alle Stückchen, es wurde entsprechend unserer und den Bedürfnissen der Jugend geplant und gebaut.

Aus wie vielen Mitarbeitern besteht das Team des JuZ?
Fünf Mitarbeiter teilen sich 90 Wochenstunden. Wobei zwei Kolleginnen geringfügig beschäftigt sind. Ausbildungsmäßig sind es zwei Sozialpädagogen, eine Pädagogin und eine angehende Pädagogin.

Wie hat sich die Jugendarbeit im Laufe der vergangenen 22 Jahre verändert?
Heute läuft vieles über die sozialen Medien. Das war ein großer Vorteil während der Coronakrise. Die österreichweite Vernetzung der offenen Jugendarbeit wurde sukzessive ausgebaut. Mit der Gründung der »OJA« im Jahr 2009 wurde ein bundesweites Kompetenzzentrum dafür gegründet. Bei dem durch sie organisierte jährliche Fachtagung treffen sich bis zu 400 Jugendarbeiter aus ganz Österreich, um sich fachlich auszutauschen und sich zu aktuellen Jugendthemen weiter zu bilden. Seit 2014 gibt es das »OJA«-Netzwerk Kärnten.

Gab es irgendwelche Highlights in den 22 Jahren als JuZ-Leiter?
Eines dieser Highlights war das 20-Jahr-Jubiläum 2018. Die herzlichen Begegnungen mit den Nutzern von damals und ihr Werdegang waren etwas ganz besonderes. Und: Die Chaos-Konferenz und der daraus resultierende Bau des neuen Skatepark. Die Planung und Umsetzung des Jugendzentrums am Skatepark. Ein interessantes Projekt, finanziert von der »Unruhe Privatstiftung«, war »pimp your life«. Mit drei anderen Städten wurden alternative Wege der Jugendbeschäftigung versucht. Das Ganze wurde von Bernhard Heinzlmaier mit seinem Institut jugendkultur.at begleitet. Und natürlich das tolle Team, das das Funktionieren des Hauses erst möglich macht.

Wie haben sich die Wünsche der Jugendlichen verändert?
Es gibt immer trendbezogene Bedürfnisse. Momentan sind die Verschwörungstheorien, die durch die sozialen Medien spuken, ein Thema. Hier besteht ein gewisser Bedarf an Medienkompetenz. Aber grundsätzlich zählt nach wie vor die Beziehung, das ernst genommen werden. Das persönliche Gespräch und sich Rat holen.

Immer wieder hört man Argumente wie, die Jugendlichen haben kein Benehmen mehr, zu meiner Zeit hätte es das nicht gegeben. Sind die Jugendlichen wirklich anders geworden?
Bereits einer Keilschrift der Chaldäer um 2.000 v. Chr. ist zu entnehmen: »Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende ist nahe.« Aber Jugend bedeutet Veränderung, und das irritiert manche Erwachsene. Ohne einige Alternativen einer Gesellschaft gäbe es keinen Fortschritt. 

Seit einigen Jahren gibt es in Wolfsberg Streetworker. Wie ist die Zusammenarbeit mit ihnen?
Wir treffen uns in regelmäßigen Abständen mit den drei Mitarbeitern aus dem Team von »asphalt«. Nebenbei gibt es Treffen über den Psychosozialen Stammtisch. Wir haben etliche gemeinsame Aktionen durchgeführt, wie einen Trommelworkshop oder einen Graffitiworkshop. Gemeinsam mit dem Mädchenzentrum haben wir eine Berufsmesse organisiert.

Welche Pläne gibt es?
Nach der langen Konzertpause wird es am 11. Juli ein Sommerfest mit einem Unplugged-Konzert mit Dorian M. und »Erwin R. & die Bagage« geben. Auf vielfache Anregung ist ein Aufnahmestudio im Proberaum geplant. Außerdem wird es in den Sommermonaten wöchentliche Angebote im kreativen und sportlichen Bereich samt Ausflügen geben.

Jugendlichen beklagen, dass ihre Vorschläge von der Politik nicht gehört werden. Gibt es Ihrerseits einen Wunsch an die Politik?
Schön wäre es, wenn wir einmal im Jahr ein Open Air-Konzert anbieten könnten, wo wir nicht schon um 22 Uhr aus Lärmgründen Schluss machen müssten.

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