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Es gibt sie immer noch – die TelefonzelleAusgabe | Freitag, 21. September 2018

Auch wenn schon jeder ein Smartphone besitzt: 71 Telefonzellen gibt es heute noch im Bezirk Wolfsberg. Sie werden nicht aus Nostalgie betrieben, sondern weil es das Gesetz so will – und kontrollieren sich selbst.

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Wolfsberg. Die Telefonzellen des Bezirks müssen sich fühlen wie die Schauspielerin Angelina Jolie: einsam, verlassen, mit angekratztem Ruf. Und trotzdem: Es gibt sie noch. In der heutigen Zeit, in der lieber aufs Abendessen als aufs Smartphone verzichtet wird, sind sie zwar so angesagt wie ein Paar Holzzockl oder ein hellblauer Ford Capri. Aber sie sind da – wenn auch in stark ausgedünnter Zahl.
Laut Livia Dandrea-Böhm, Sprecherin des für die Häuschen zuständigen Kommunikationsriesen A1, gibt es im Bezirk Wolfsberg noch 71 Telefonzellen. In Kärnten sind es 1.170, in der gesamten Alpenrepublik rund 10.000. Auch Dandrea-Böhm weiß: »Der Bedarf an Telefonzellen ist im Laufe der Jahre auf Grund der hohen Mobilfunkdichte immer stärker zurückgegangen.«

Dass sie trotzdem noch betrieben werden, hat nichts mit einem Hang zur Nostalgie zu tun, sondern wird A1 von der »Universal-
dienstverordnung« vorgeschrieben. Sie besagt, »eine flächendeckende Versorgung mit öffentlichen Sprechstellen ist sicherzustellen«. Darunter ist nicht unbedingt eine Telefonzelle an der Straßenecke zu verstehen, es kann sich auch um einen Festnetzapparat in einem öffentlich zugänglichen Gebäude handeln. Aber: In jeder Gemeinde muss es zumindest eine »Sprechstelle« geben.

»Dem Bedarf angepasst«
Das bestätigt auch die A1-Sprecherin: »Nach wie vor steht in fast jeder Gemeinde Österreichs zumindest eine Telefonzelle. Die  Standorte sind oft historisch gewachsen und werden dem Bedarf entsprechend angepasst – etwa Verlegungen von Telefonzellen im Zuge von Ortsumgestaltungen usw. Daher befinden sich an Standorten, an denen sich früher oft mehrere Telefonzellen befunden haben, heute nicht mehr beispielsweise vier Telefonzellen, sondern nur mehr ein bis zwei Zellen. Hauptsächlich findet man Telefonzellen an Orten öffentlichen Interesses und neu-
ralgischen Punkten wie an Bahnhöfen, in Fußgängerzonen usw.«
Reich wird A1 mit ihnen nicht mehr werden. Man weiß es aber nicht genau. Denn um Langfinger erst gar nicht auf Ideen zu bringen, verweigert das Unternehmen jede Auskunft zu Umsatzzahlen – natürlich auch bei den Telefonzellen.
Benutzt oder nicht – gewartet werden sie dennoch. Die Zellen sind so programmiert, dass sie alle 24 Stunden selbsttätig bei A1 anrufen. Tun sie es nicht, gibt es ein Problem und die Techniker schwärmen aus.  
Sind die öffentlichen Telefonierer auch rar geworden – es gibt sie noch. »Die Nutzer sind hauptsächlich Jugendliche, Handybesitzer mit leerem oder defektem Akku, Menschen mit geringem Einkommen und sehr oft Touristen«, sagt Dandrea-Böhm. Ebenfalls nicht ausgestorben sind die mutwilligen Zerstörer. A1 klagt über kaputte Seitenscheiben, Manipulationen an den Apparaten und »Sprengungen« zum Jahreswechsel.

Lokalaugenschein
Bei einem Lokalaugenschein am Offnerplatzl in Wolfsberg funktioniert die dortige Telefonzelle tadellos, auch hygienetechnisch war alles okay. Nur: Ein Benutzer ließ sich nicht blicken. Da freute sich die daneben stehende »Bücherzelle«, zu der alte Häuschen umgebaut werden, einer höheren Besucherfrequenz.

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