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Nach Segelfliegercrash mit Todesopfer wurde Pilot verurteilt: »Sie haben Handwerk nicht beherrscht«Ausgabe 36 | Mittwoch, 2. September 2020

18 Monate bedingte Haft. So lautete am Landesgericht Klagenfurt das nicht rechtskräftige Urteil gegen einen 56-jährigen Wolfsberger, der im Vorjahr einen Segelflieger pilotiert hatte, der abstürzte. Die Richterin warf ihm vor, die Maschine nicht im Griff gehabt zu haben.

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Wolfsberg, Klagenfurt. Während Dietmar Poll, Gutachter und Weltmeister im Segelkunstflug, seine Expertise erläuterte, kristallisierte es sich heraus: Der Pilot hatte das Flugzeug nicht in dem Maß unter Kontrolle, in dem es notwendig gewesen wäre. Entsprechend brachte es Richterin Michaela Sanin in ihrer Urteilsbegründung auf den Punkt: »Wenn man Rundflüge bei solchen Veranstaltungen anbietet, muss man das Handwerk beherrschen. Das war hier nicht der Fall.« Sie verurteilte den 56-jährigen Wolfsberger am Landesgericht Klagenfurt wegen grob fahrlässiger Tötung zu 18 Monaten bedingter Haft. Staatsanwältin Johanna Schunn und Verteidiger Peter Fejan gaben keine Erklärung ab, damit war der Spruch am Verhandlungstag – Freitag, dem 28. August – nicht rechtskräftig.

Die Passagierin kam zu Tode

Wie berichtet waren am 1. September 2019 der Pilot und eine damals 62-jährige Passagierin aus Wolfsberg bei den Flugsporttagen mit einem Segelflugzeug des Typs MDM1 Fox zu einem Kunstflug aufgestiegen. Bei der ersten Figur, dem sogenannten »Trudeln«, geriet die Maschine außer Kontrolle und stürzte gegen 18.15 Uhr vom Himmel. Der Pilot, der an einen technischen Defekt geglaubt hatte, rettete sich mit dem Fallschirm, der 62-Jährigen gelang das nicht: Sie kam zu Tode.

»Das Trudeln wurde zu früh, bei zu hoher Geschwindigkeit eingeleitet«
Dietmar Poll, Sachverständiger

In der zweiten Verhandlung wurde nach einer Reihe von Zeugeneinvernahmen, die bestätigten, dass das Wetter flugtauglich war und der Pilot die Wolfsbergerin vor dem Flug eingeschult sowie selbst ausreichend Flüssigkeit zu sich genommen hatte, Poll das Wort erteilt.

Einleitend sagte er, er sei einer der »Urväter« jener Flugzeuggeneration, der auch die Fox angehört. Diese Maschine sei entgegen den Behauptungen in den Medien nicht »giftig«, sondern »zahm« in der Handhabung – wobei verletzter Erfinderstolz mitschwang ... 

Poll beschrieb exakt, wie das Trudeln einzuleiten und »auszuleiten« sei, also wie der Segler aus dem kontrollierten Absturz abgefangen werden kann. Anhand eines Videos, das die damaligen Vorgänge im Cockpit zeigte, sagte er: »Das Trudeln wurde hier zu früh, bei der zu hoher Geschwindigkeit eingeleitet, mit einer gerissenen Rolle. Das ist nicht gefährlich, aber das Flugzeug verhält sich dann anders.« Das Ausleiten wäre auch in diesem Fall möglich, müsse aber technisch anders erfolgen.

Das Video wurde nochmals abgespielt, an einer Stelle meinte der Gutachter: »Da hätte man ausleiten können« – worauf im Saal die Stimme des Piloten vom Band zu hören war. Seine Worte: »Aussteigen, aussteigen!« Poll: »Ich vermute, er ist zum falschen Zeitpunkt abgesprungen.«

»Es tut mir alles sehr leid, ich würde es ungeschehen machen, wenn ich könnte«
Der Angeklagte in seinem Schlusswort

Die Richterin befragte darauf den Angeklagten. Der meinte, er wurde bei seiner Einschulung am Unglückssegler auf eine gerissene Einleitung des Trudelns nie aufmerksam gemacht: »Ich habe das nicht gekannt, ich habe das Trudeln eingeleitet, wie ich es gelernt hatte. Dass ich es mit einer gerissenen Rolle einleitete, war mir nicht bewusst.«

Kein Zweifel an der Schuld

In ihrem Plädoyer sah Staatsanwältin Schunn keinen Zweifel an der Schuld des Piloten: Die Einschulung der Passagierin sei zu kurz gewesen, der Pilot habe das Trudeln bei mehr als 100 km/h statt der vorgegebenen 85 km/h eingeleitet, an der Maschine sei kein Defekt entdeckt worden.

Der Anwalt der Familie des Opfers, Leo Grötschnig, formulierte es härter: »Er wusste nicht, was er tat, die Passagierin blieb hilflos zurück. Hätte der Pilot versucht, das Trudeln zu beenden, wäre kein Unfall passiert. Es war sein gravierender Fehler.«

Verteidiger Fejan forderte für seinen Mandanten einen Freispruch. Die Maschine habe vor dem Unfall nicht mehr auf die Steuerung reagiert, der Absprung des Piloten in rund 1.000 Metern Höhe sei richtig gewesen, um auch der Passagierin die Chance zu geben, sich zu retten. 

Das Schlusswort des Angeklagten, der im karierten Hemd erschienen war: »Es tut mir alles sehr leid, ich würde es ungeschehen machen, wenn ich könnte.« Die Richterin sprach ihn trotzdem schuldig. Dazu muss der Wolfsberger den Hinterbliebenen rund 8.700 Euro zahlen. Gefordert hatten sie während der Verhandlung knapp 80.000 Euro. 

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