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Lavanttalerin erforscht StraflagerAusgabe | Mittwoch, 30. Januar 2019

Wie ging die Stadt Wolfsberg nach dem Krieg mit der Tatsache um, dass hier tausende Soldaten von den Deutschen interniert worden waren? Dieser Frage geht die Lavanttalerin Viktoria Tatschl nach.

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Wolfsberg. »Ich glaube, dass es ohne Wissen kein Gewissen geben kann. Wir müssen über unsere Vergangenheit Bescheid wissen, um in der Gegenwart ein stärkeres Miteinander zu ermöglichen.« Das sagt die 25-jährige Viktoria Tatschl, die derzeit dabei ist, in Wien ihr Masterstudium »Journalismus und Neue Medien« zu beenden. Teil der Masterarbeit sind Recherchen über die »Lagerstadt Wolfsberg« und damit das Stalag XVIIIa, in dem die deutsche Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs Zehntausende gegnerische Soldaten internierte. 

Stöbern im Archiv

Im Rahmen ihrer Nachforschungen besuchte die gebürtige St. Margarethenerin auch die Redaktion der Unterkärntner Nachrichten, um in alten Ausgaben zu stöbern. »Ich suche Leserbriefe, Artikel, jeden medialen Niederschlag, den das Lager hinterlassen hat. Ich will ergründen, wie das Lager und die damaligen Geschehnisse in Wolfsberg aufgearbeitet wurden.« Auch die britischen Gefangenen, die hier interniert waren, stehen in ihrem Fokus. Im Februar wird sie den Briten Ian Brown treffen, den Sohn eines einstigen »POW« (Prisoner of War), wie die festgesetzten Soldaten in ihrer Muttersprache genannt werden. Brown hat aus persönlicher Initiative die Geschichte des Wolfsberger Lagers erforscht und eine Homepage erstellt (http://www.stalag18a.org), auf der er Briefe, Fotos, Tagebücher der Soldaten veröffentlicht. 

»Die Nachkommen wollen nachempfinden, wie es ihren Vätern und Verwandten hier erging«, sagt Tatschl. »Sie waren jung, wollten leben – und saßen oft jahrelang hinter Stacheldraht.« Wobei: Briten, Australier, Neuseeländer und Amerikaner hatten »Glück«, denn die Deutschen behandelten sie meist entsprechend der Genfer Konvention. Ganz anders erging es den gefangenen sowjetischen Soldaten. »Die Briten bekamen mit, was mit ihnen geschah, und dokumentierten das Schicksal der Sowjets – sie fotografierten deren Leichen«, sagt Tatschl.

Ein weiteres Interview wird sie mit Eric Bardsly führen, der das Stalag XVIIIa als Kriegsgefangener »am eigenen Leib« erlebte. Er besuchte die »Lagerstadt«-Ausstellung, die vor einigen Jahren in Wolfsberg stattfand, und sagte damals: »Heute kam ich gerne – damals nicht.« Nachvollziehbar.

Zwar liegt Tatschls Hauptaugenmerk auf den Geschehnissen bis 1945, ihre Masterarbeit soll aber auch die Zeit danach streifen. Denn nach dem Krieg drehten die Briten den Spieß um und sperrten rund 7.000 steirische und Kärntner Funktionäre der Nazipartei NSDAP ins Lager, das sie »Camp 373« nannten.

Die Vergangenheit ist für die junge Lavanttalerin ein spannendes Feld. Nach der Matura am BORG Wolfsberg ging sie nach Graz und machte den Bachelor in Geschichte. Ihre nächste Station war Wien und die dortige Fachhochschule. »Zurzeit bin ich auch freie Mitarbeiterin bei der ›Geyrhalter Filmproduktion‹. Ich betreibe Recherchen in internationalen Archiven für historische Fernsehdokumentationen, zuletzt zum Thema 100 Jahre Frauenwahlrecht. Der Film, bei dem ich mitarbeitete, wird am 19. Februar im ORF ausgestrahlt.«

Geschichtsfernsehen

In dieser Nische sieht Tatschl auch ihre berufliche Zukunft: »Ich möchte als Redakteurin für Geschichtsfernsehen arbeiten und Sendungen wie ›Universum History‹ mitgestalten.« Die nötigen Kontakte besitzt sie bereits.

Das bedeutet, dem Lavanttal geht ein weiterer kluger Kopf verloren. Denn diese Art Jobs werden fast ausschließlich in der Bundeshauptstadt angeboten. »Ja, zurzeit sehe ich meine Zukunft in Wien«, sagt die 25-Jährige – aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. »Wer weiß, vielleicht kehre ich später ins Tal zurück.« 

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