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Wolfsberg. Ein Unfall, ein sinnloser Vandalenakt oder pure Absicht? Fest steht: Die Gedenktafel des Wolfsberger Judensteins, die an Pogrome in der Bezirkshauptstadt im 14. Jahrhundert erinnert, wurde abermals beschädigt. Der untere Teil der Plexiglas-Tafel ist weggebrochen, auf dem die Stifter ausgewiesen waren: die Stadtgemeinde Wolfsberg, die Stadtpfarre der Bezirkshauptstadt und das Dekanat des Bezirks.
Entdeckt wurde der Schaden von Ulrich Habsburg-Lothringen, der vor rund 20 Jahren ein Mitinitiator der Tafel war. Er sagt: »Am Samstag (Anm.: 5. November) ging ich vom Schloss Wolfsberg herunter und habe gesehen, dass die Tafel kaputt ist. Ich habe gleich Bürgermeister Hannes Primus kontaktiert, der mir versicherte, der Schaden werde umgehend behoben.« Habsburg verweist auf einen am 9. November um 19 Uhr angesetzten Gedenkspaziergang der »StadtMacherInnen« und des Historikers Alexander Verdnik durch die Wolfsberger Innenstadt, mit dem an die »Reichspogromnacht« im November 1938 und die von den Nazis vertriebenen und ermordeten Juden erinnert wird.
»Wenn Gedenktafeln ins Visier geraten, ist das schlecht: Es kann politisch ausgelegt werden«
Ulrich Habsburg-Lothringen, Mitinitiator der Gedenktafel
»Ein Zufall? Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass es einen Zusammenhang zwischen der zerstörten Tafel und dem Gedenkspaziergang bzw. den Ereignissen vor 84 Jahren gibt«, sagt Habsburg. Laut ihm sei es »schlecht, wenn Dinge beschädigt werden. Wenn aber Gedenktafeln ins Visier geraten, ist das fünf Mal so schlecht: Es kann politisch ausgelegt werden.«
Anzeige wird erstattet
Der Wolfsberger Bürgermeister Primus (SPÖ) sagt: »Ich habe den Auftrag gegeben, dass die Gedenktafel sofort repariert wird. Außerdem wird, wie bei allen Vandalismusakten, Anzeige erstattet.« Über die Hintergründe der Beschädigung will er nicht spekulieren: »Ich weiß nicht, warum das passiert ist und kann dazu auch nichts sagen.«
Es ist nicht das erste Mal, dass die Tafel zu Schaden kommt. Wie berichtet wurde im heurigen Februar ein Riss und eine Absplitterung entdeckt. Dazu hatten Unbekannte den Text durch das Wegkratzen eines Buchstabens verändert.
»Ich habe den Auftrag gegeben, dass die Gedenktafel sofort repariert wird«
Hannes Primus, Bürgermeister
Im Satz »Dieser Judenstein soll an das schändliche Unrecht erinnern« fehlte im Wort »Unrecht« das »r« – wodurch es zu »unecht« wurde. Wohl kein Zufall. Damals wurde die Tafel von der Stadt wieder instand gesetzt – eine Aufgabe, die sie nun wiederholen muss.
Der Judenstein befindet sich heute in der Schwemmtratten in einem Teich neben der umgeleiteten Lavant. Ursprünglich stand er auf einem Felsen im Fluss. In ihn eingearbeitet ist ein Kreuz mit drei abgerundeten Enden, die wie Oblaten geformt sind und drei »auferstandene« Hostien symbolisieren. Er erinnert an die Verfolgungen der Wolfsberger Juden in den Jahren 1338 und 1348/49, die auf Gerüchten über eine Hostienschändung fußten und zur Auslöschung der jüdischen Bevölkerung führten. Besagte Hostien sollen für »Experimente« missbraucht worden und in die Lavant geworfen worden sein. Sie trieben aber weder ab noch gingen sie unter, sondern durchdrangen einen Stein – den genannten Judenstein.
Die Legende der hostienschändenden Juden fällt in die Kategorie antisemitische Ressentiments. Im August 2000 wurde die Gedenktafel mit ihrem aufklärenden Text als Korrektiv angebracht.
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