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Wolfsberg. Eine Gedenktafel, die an Pogrome gegen Juden in der Bezirkshauptstadt im 14. Jahrhundert erinnert, ist offenbar einem – oder mehreren – Unbekannten ein Dorn im Auge: Sie wurde beschädigt und muss jetzt von der Gemeinde wieder instand gesetzt werden.
Aufgedeckt hat den Fall der Grazer Universitätsprofessor Peter Scheer, der an der Errichtung der Tafel mitwirkte und im Jänner den Vandalismusakt bemerkte. Er wandte sich an den Wolfsberger Ulrich Habsburg-Lothringen, gleichfalls ein Mitinitiator des Denkmals. Habsburg: »Die Tafel, die in der Schwemmtratten die Bedeutung des sogenannten Judensteins erklärt, wurde durch einen Schlag mit einem harten Gegenstand auf das rechte untere Ecke stark beschädigt.« Das bestätigte ein Lokalaugenschein der Unterkärntner Nachrichten: Die Platte hat einen Riss, an einer Ecke ist eine Absplitterung zu erkennen.
»Ich denke, dahinter steckt eine gewisse Portion Antisemitismus«
Ulrich Habsburg-Lothringen, Mitinitiator der Gedenktafel
Dazu wurde der Text der Tafel durch das Wegkratzen eines Buchstabens verändert: Im Wort »Unrecht« fehlt das »r«, wodurch es zu »un echt« wurde – wohl nicht zufällig.
An eine »natürliche« Ursache glaubt Habsburg nicht: »Nein, da war Absicht im Spiel. Denn auch an der linken Seite wurde eine Stelle abgeschlagen.« Der Wolfsberger fürchtet einen antisemitischen Hintergrund: »Im November des Vorjahrs wurden sechs ›Stolpersteine‹ zur Erinnerung an die während des Zweiten Weltkriegs vertriebenen und ermordeten Wolfsberger Juden verlegt, was überall nachzulesen war. Im Vorjahr wurde auch als Zeichen der Solidarität mit Israel am Bundeskanzleramt eine israelische Flagge aufgezogen, was viele negative Reaktionen nach sich zog.« Da die Juden dadurch präsenter seien, würde sich Hass gegen sie richten, auch in Wolfsberg. »Ich denke, hinter der beschädigen Tafel steckt eine gewisse Portion Antisemitismus«, so Habsburg.
Anzeige erstattet
Scheer erstattete Anzeige bei der Polizei und unterrichtete Landeshauptmann Peter Kaiser vom Vorfall, Habsburg wandte sich an den Wolfsberger Bürgermeister Hannes Primus (SPÖ) mit der Bitte, die Schäden zu reparieren. Das soll in Kürze geschehen.
»Dafür habe ich null Verständnis, Antisemitismus hat hier keinen Platz«
Hannes Primus, Bürgermeister Wolfsberg
Primus: »Die zuständige Abteilung wird beauftragt, das so schnell wie möglich wieder in Ordnung zu bringen. Es kann natürlich eine Zeit dauern, dennoch ist nicht klar, welches Ersatzmaterial dafür benötigt wird.« Für Fälle wie diesen habe er »null Verständnis, Antisemitismus hat hier keinen Platz«.
Die Geschichte des Judensteins ist beispielhaft für antisemitische Agitation. Im 14. Jahrhundert wurde den Wolfsberger Juden vorgeworfen, sie hätten Hostien aus der Kirche gestohlen, um das Blut Jesu, das damit symbolisiert wird, für die Zubereitung von »Matze«, also ungesäuertem Brot zu verwenden. Ein Teil soll durch den Schornstein des Backofens gen Himmel geflogen sein. Als die entsetzten Juden die verbliebenen Hostien in die Lavant warfen, berührten sie einen Stein und wurden ebenfalls in den Himmel aufgenommen. Darauf übte die Bevölkerung blutige »Vergeltung« an den Juden. Auf den genannten Stein wurde ein Kreuz gesetzt, dessen drei Enden wie Oblaten geformt sind und an die drei »auferstandenen« Hostien erinnern sollen.
Als Korrektiv zu dieser Legende, die bis in die jüngste Vergangenheit erzählt wurde und den Hass gegen Juden stetig weiter nährte, wurde im August 2000 neben dem Stein die Gedenktafel errichtet – die jetzt erneuert werden muss ...
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