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Die dunkle Seite der Geschichte: Der Juliputsch vor 90 Jahren machte Wolfsberg international bekannt Ausgabe 29 | Mittwoch, 17. Juli 2024

Das Lavanttal war die einzige Region in Österreich, in der die Nationalsozialisten Erfolg hatten. Vier Tage lang kontrollierten sie das Tal, ehe viele von ihnen über Jugoslawien nach Deutschland flohen. Der Historiker Walter Richter erzählt, was damals geschah.

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Unterkärntner Nachrichten Redakteur Horst Kakl Von Horst Kakl kaklno@spamunterkaerntner.at
In der Sporergasse befand sich 1934 die Zentrale des Heimatschutzes, der den Nationalsozialisten Widerstand leistete. In Wolfsberg forderte der Putsch 15 Tote. Foto: UN

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Wolfsberg. Es ist ein Kapitel Lavanttaler Geschichte, das über Jahrzehnte totgeschwiegen und erst in den 2000er Jahren von den Historikern Christian Klösch und Alexander Verdnik aufgearbeitet wurde: Vor 90 Jahren versuchten die Nationalsozialisten im Zuge des Juliputschs die Macht in Österreich an sich zu reißen. Überall scheiterte der Aufstand rasch – nur das Lavanttal wurde vier Tage lang – mehr oder weniger – von den Putschisten kontrolliert. »Dafür wurde der ›Lavanttaler Kampfgeist‹ und das Tal vom späteren Nazi-Regime  mythologisiert, heroisiert und hochstilisiert«, Wolfsberg war die ›Stadt der Erhebung‹, sagt der frühere HAK-Professor und Historiker Walter Richter, der zu diesem Thema auch Führungen durch Wolfsberg anbietet.

Der Juliputsch startete am 25. Juli 1934, noch am gleichen Tag wurde der diktatorisch regierende österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß in Wien erschossen.

Obwohl die Revolte erfolglos blieb, ging sie im Lavanttal erst am folgenden Tag richtig los: Rund 1.300 Putschisten eroberten alle Gemeinden des Bezirks, in Wolfsberg gelang es rund 80 Mitgliedern der paramilitärische Kampforganisation SA, Bewaffnete des Heimatschutzes, der Ostmärkischen Sturmscharen und der Gendarmerie zu überwältigen.

Das Vorgehen der Putschisten
Wie das möglich war, schildert Richter so: »Die Putschisten hatten sich in drei Stoßtrupps aufgeteilt, die die Bezirkshauptmannschaft am Weiher, die Zentrale des Heimatschutzes in der Sporergasse und die Gendarmeriekaserne nahe des Bahnhofs einnehmen wollten. Kein Trupp hatte Erfolg.« In die Stadt eingezogen wurde dabei auch über die Wiener Straße, die deshalb während der Nazi-Zeit »Straße der SA« benannt wurde.

Angesichts des Scheiterns kam es zur Planänderung: Das Haus Hans Leebs, des Chef des Wolfsberger Heimatschutzes, wurde zum Ziel: Denn er hatte sich nicht in der Zentrale, sondern in seinem Haus nahe dem heutigen Einkaufszentrum »Tenorio« verschanzt.

»Mit den Geiseln zogen sie zu allen Punkten der Gegner und drohten, sie zu erschießen«
Walter Richter, Historiker

Die Putschisten feuerten aus allen Rohren, letztlich konnten sie Leeb, dessen Sohn und einen weiteren Mann als Geiseln nehmen. Richter: »Mit ihnen zogen sie danach zu allen Punkten der Gegner und drohten, die Geiseln zu erschießen.« Darauf ergaben sich die  Mitglieder des Heimatschutzes und die Gendarmen, auch die Bezirkshauptmannschaft wurde auf diese Weise eingenommen. Doch noch war es nicht zu Ende.
Eine anrückende Kompanie des Bundesheers geriet beim heutigen Bahnübergang Priel in einen Hinterhalt: 16 Nationalsozialisten feuerten auf sie, Kompaniechef Major Rudolf Smolle verblutete nach einem Bauchschuss, die 78 Mann zählende Einheit zog sich zurück.

Am 26. Juli um 20 Uhr riefen die Putschisten »Die Stadt ist unser« – und stürmten die Gasthäuser, wo das Bier in Strömen floss ...

Der Abzug
Tags darauf, am 27. Juli, wurde bekannt, dass der Putsch nur im Lavanttal gelungen war. Als klar wurde, dass starke Bundesheereinheiten anrückten, zogen sich die Nationalsozialisten zum Grenzübergang Rabenstein zurück und gruben sich ein. Drei Tage lang standen sie dem Bundesheer gegenüber, ohne dass es zum Kampf kam. Erst am 30. Juli war der Spuk vorbei.

Viele Putschisten setzten sich über die Grenze nach Jugoslawien ab, von wo sie später ins deutsche Bremerhaven verschifft wurden. Richter: »Etwa 700 Mann wollten aber nicht nach Deutschland, sondern blieben hier. Rund 200 Minderbelastete wurden erst inhaftiert, kamen aber nach drei Monaten wieder frei.« Der Rest wurde vor einen Militärgerichtshof in Klagenfurt gestellt, der mehrjährige Haftstrafen aussprach. »Keiner war aber länger als zwei Jahre im Gefängnis«, so der Historiker. Nur jener Mann, der Major Smolle erschossen haben sollte, wurde zum Tod verurteilt, das Urteil aber später in 15 Jahre Haft umgewandelt.

Die Bilanz laut Richter: In Wolfsberg gab es 15 Tote, acht Putschisten und sieben Männer des Heimatschutzes, bzw. der Sturmscharen, dazu 25 Verletzte. Im gesamten Lavanttal wurden 21 Menschen getötet und 41 verletzt. »Wolfsberg machte damals internationale Schlagzeilen, es war das Zentrum des Juliputschs«, so der Wolfsberger.

Geschichte erleben
Damit auch diese dunkle Seite der Geschichte nicht in Vergessenheit gerät, bietet das Museum im Lavanthaus Juliputsch-Führungen an, bei denen Richter mit Interessierten die Schauplätze der damaligen Ereignisse aufsucht. »Die Führungen können über das Museum gebucht werden«, sagt er.

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