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Strom-Streit mit Untergriffen im Wolfsberger Gemeinderat: Wie teuer es wird, weiß niemandAusgabe | Mittwoch, 19. Oktober 2022

In der Gemeinderatssitzung wurde ein neuer Vertrag mit der Kelag mehrheitlich beschlossen: Der Preis wird an Stichtagen festgelegt. FPÖ hielt SPÖ und ÖVP den Verkauf des billigen Aktionärstarifs vor – mit genüsslichen Attacken. SPÖ tat den Angriff als »Wahlkampf« ab.

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Wolfsberg. Die Auseinandersetzung begann mit einem Leserbrief in den Unterkärntner Nachrichten und erreichte ihren Höhepunkt in der Sitzung des Wolfsberger Gemeinderats am Donnerstag, 13. Oktober. Die Rede ist vom verbilligten Kelag-Aktionärstarif, den die Bezirkshauptstadt 2015 verkauft hat. SPÖ, ÖVP und Grüne stimmten damals dafür, FPÖ und Neos waren dagegen. 

Der freiheitliche Landtagsabgeordnete Harald Trettenbrein hatte im Leserbrief (siehe UN39/2022) gegen den Verkauf des Aktionärstarifs gewettert: »Der garantierte der Stadtgemeinde immerwährend, den Arbeitsstrom um 50 Prozent günstiger zu beziehen.« Mit ihm sei ein »Goldesel verscherbelt« und »somit der Wolfsberger Bevölkerung auf Jahrzehnte ein massiver Schaden zugefügt« worden, so Trettenbrein im Hinblick auf die stark gestiegenen Energiepreise. 

Eine Vorahnung

SPÖ und ÖVP dürften geahnt haben, was in der Sitzung auf sie zukommt, zumal sich Punkt 50 der Tagesordnung mit einem neuen Kelag-Strompreismodell befasste. Also wurde die Fragestunde für den Versuch genutzt, der FPÖ den Wind aus den Segeln zu nehmen. ÖVP-Stadtrat Josef Steinkellner richtete an Stadtrat Jürgen Jöbstl (SPÖ) die Frage, was mit dem Verkaufserlös des Kelag-Aktionärstarifs bisher umgesetzt worden sei. Bestens vorbereitet, fiel Jöbstls Antwort weitschweifig aus.

»Der Verkauf des Kelag-Aktionärstarifs war nachhaltig und vorausschauend«
Hannes Primus, Bürgermeister (SPÖ)

Seinerzeit sei lediglich ein Drittel der Gebäude mit dem günstigen Strompreis abgerechnet worden, sagte der Stadtrat. Er wies darauf hin, dass die Kelag aufgrund einer damals neuen EU-Vorgabe die Energie nicht mehr verbilligt liefern konnte und den Tarif daher ablösen wollte. Um einem möglichen »Prozessrisiko« zu entgehen, so Jöbstl, habe die Stadt dem Verkauf zugestimmt – und 3,75 Millionen Euro dafür erhalten, wovon heute noch rund 1,6 Millionen auf der hohen Kante liegen. 

Mit den ausgegebenen 2,15 Millionen Euro wurden beinahe alle 2.572 Wolfsberger Straßenlaternen auf LED umgerüstet – nur 147 fehlen noch –, das Stromnetz erneuert, die Musikschule thermisch saniert sowie 26 Photovoltaik-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden errichtet, sagte Jöbstl.  

Durch die LED-Umrüstung sei der Stromverbrauch von 1,4 Gigawattstunden auf derzeit 0,7 GWh reduziert worden, was eine immense Kostenersparnis bedeute. Dazu seien die Wartungskosten der Lichtpunkte von einst 100.000 Euro pro Jahr auf 30.000 Euro gesunken. Jöbstl führte nach einer Zusatzfrage weiter aus, die noch vorhandenen 1,6 Millionen Euro werden in zehn Speicher für PV-Strom, eine Photovoltaik-Anlage am Stadion, die Umstellung der verbliebenen Straßenlaternen auf LED-Technik sowie in den Anschluss von Schulen an das Fernwärmenetz investiert.

»Der Aktionärstarif wäre heute ein Bankomat für die Stadt, wir wären in einer Luxusposition«
Isabella Theuermann, Stadträtin (FPÖ)

Bürgermeister Hannes Primus (SPÖ) lobte den Verkauf des Aktionärstarifs als »nachhaltig und vorausschauend« und hob die erzielte jährliche Stromersparnis von insgesamt 1,15 GWh hervor. Und: Laut seinen Informationen verfüge heute keine einzige Kärntner Gemeinde noch über den ermäßigten Tarif. FPÖ-Stadträtin Isabella Theuermann hielt sich in der Fragestunde zurück – noch.

Das neue Preismodell

Ihr Schlag kam später – bei Tagesordnungspunkt 50. Darin wurde erst ein wenig verklausuliert dargelegt, dass nach langen Verhandlungen eine Vereinbarung mit der Kelag über den Stromtarif  gefunden wurde: Das neue Strompreismodell, das zwei Jahre lang gilt, sieht eine stufenweise Festlegung des Preises vor. Der Strom wird in Teilen an bereits festgesetzten Stichtagen gekauft, der Preis wird von der Kelag »im Nachhinein zu einem aus den Tagespreisen ermittelten Durchschnittspreis verrechnet«, wie es die Stadt in einer Aussendung formulierte. Im Amtsvortrag hieß es: »Von einer Verdoppelung der Gesamtstromkosten ist auszugehen.«

Primus hob hervor, dass mit dem neuen Modell das Risiko gestreut und Versorgungssicherheit geschaffen worden sei. Die Diskussion um den Aktionärstarif sei damit aus seiner Sicht beendet.

Verkauf wird gegeißelt

Das sah Theuermann anders: In ihrer Rede verglich sie das neue Preismodell mit »russischem Roulette auf Kosten der Wolfsberger Gemeindebürger«, geißelte den Tarifverkauf und sprach ebenfalls von »verscherbeln«. Akribisch listete sie auf, wie die FPÖ in der Vergangenheit versucht hatte, den Aktionärstarif,  der heute »das x-Fache wert wäre« und der Stadt günstigen Strom garantieren würde, in der Stadt zu halten. Genüsslich zitierte sie aus einem mehrere Jahre zurückliegenden UN-Interview mit dem ehemaligen SPÖ-Vizebürgermeister und Finanzstadtrat Heimo Toefferl, der darin gemeint hatte, der Verkauf des Tarifs wäre ein gutes Geschäft – »aber nur für die Kelag«. Theuermann gratulierte der SPÖ zu einem Mann wie Toefferl, der ein »Visionär« gewesen sei, einer, der die Argumente der eigenen Partei in den Wind geschlagen habe. 

Der Tarif wäre heute ein »Bankomat für die Stadt«, so die Stadträtin, Wolfsberg wäre in einer »Luxusposition« und könnte finanziell wesentlich mehr profitieren als von den beim Verkauf erlösten 3,75 Millionen Euro. »Schade, dass ihr nicht auf Toefferl gehört habt«, sagte Theuermann, die auch fragte: »Wann werden jetzt die Gebühren erhöht?«

Primus dankte ihr für die »Vorlesestunde«, stellte fest, dass sie bei der Fragestunde wohl »nicht zugehört« hätte und warf ihr vor, Vorzugsstimmen für die Landtagswahl im März 2023 – Theuermann befindet sich auf der FPÖ-Kandidatenliste – sammeln zu wollen. Zur Frage nach steigenden Gebühren meinte er: »Wir reden von keiner Gebührenerhöhung!« Danach verteidigte er abermals den Tarifverkauf und das neue Strompreismodell, das »ein stabiles, kalkulierbares Paket darstellt«.

Gemeinderat Harry Koller (SPÖ) hielt Theuermann die unter der FPÖ erfolgten Privatisierungen vor: »Wer hat die Kelag an die RWE verscherbelt, um seine Brot-und-Spiele-Politik zu finanzieren? Welcher Finanzminister hat die Wohnungen der Buwog verscherbelt?« Sie solle »im eigenen Hof kehren«, so Koller. ÖVP-Stadtrat Steinkellner merkte an, angesichts der schwierigen Strompreis-Lage wäre ein Schulterschluss aller Parteien gut gewesen, über die einstige Ablöse des Kelag-Tarifs nochmals zu diskutieren, sei »nicht sinnvoll«. 

Letztlich wurde das neue Strompreismodell mit den Stimmen der SPÖ, ÖVP und der Grünen beschlossen, die FPÖ sprach sich dagegen aus. Wie die Stadt ohne Vertrag und damit ohne Stromlieferung weiter funktionieren sollte, erläuterten die Freiheitlichen nicht.

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